Anstoß zu mehr Kooperation von Psychotherapeuten und Ärzten – KBV-Vertragsentwurf zur Versorgung psychisch Erkrankter

Christian Beneker

Interessenkonflikte

18. Februar 2015

Die Vertragswerkstatt der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) will die psychiatrische und die psychotherapeutische Seite der Patientenversorgung an einen Tisch bringen. Endlich. Denn seit die Psychotherapie keine Indikationsstellung mehr vom Arzt braucht, haben die ärztliche und die psychotherapeutische Seite nebeneinander her gearbeitet.

Das meint jedenfalls Dr. Frank Bergman, 1. Vorsitzender des Bundesverbandes Deutscher Nervenärzte (BVDN). Der Entwurf „Vertrag zur Versorgung von Patienten mit neurologischen und psychischen Erkrankungen“ als Anlage zum Bundesmantelvertrag-Ärzte [1] der KBV könne nun endlich die Kooperation ankurbeln, so Bergmann.

Die Verbände der beteiligten Leistungserbringer haben entsprechenden Regelungen in dem Entwurf zugestimmt. Ob der Vertrag jemals mit Leben gefüllt wird, ist offen. Denn die Kassen sind zurückhaltend. Trotzdem könnte der Entwurf unter Umständen schon jetzt ein Erfolg sein, weil die Leistungserbringer mit ihm das eigentlich Selbstverständliche dokumentieren: miteinander reden zu wollen.

Was ist geplant?

Teilnehmen können Patienten, die an Erkrankungen aus dem neurologischen und/oder psychiatrischen Fachgebiet (ICD-10 Gruppe G und F) leiden. Zunächst würden die Unterzeichner des Vertrages darin übereinstimmen, überhaupt einen gemeinsamen Versorgungsauftrag für diese Patienten zu haben. Das bedeutet, dass sie im Sinne des Patienten zusammenarbeiten wollen. Aber wie?

Die Autoren des Vertrages schlagen vor, dass die beteiligten Ärzte und Therapeuten die Koordination der Behandlung eines Patienten mal in diese, mal in jene Hände legen, je nachdem, worunter der Patient leidet in die Hände des Hausarztes, des Facharztes oder des Psychotherapeuten.

„Bei bestimmten Diagnosen und wenn der Patient zuerst zum Psychotherapeuten kam, ist klar, dass da ein Psychotherapeut koordinieren muss“, sagt Jürgen Doebert, stellvertretender Vorsitzender des Bundesverbandes der Vertragspsychotherapeuten (bvvp) zur Medscape Deutschland. „Bei anderen Diagnosen ist klar: Hier muss ein Facharzt koordinieren, z.B. wenn es um Einweisungen geht.“ Der jeweils nicht organisierende Arzt oder Therapeut wird gegebenenfalls konsiliarisch hinzugezogen.

„Die beteiligten Ärzte und Psychotherapeuten sollen sich dazu verbindlich vereinbaren, z.B. durch Gründung von Kooperationsgemeinschaften“, heißt es in dem Entwurf. „Der Teilnahmenachweis entweder an Qualitätszirkeln, Intervisionsgruppen oder Supervisionsgruppen ist verpflichtend.“

Der jeweilige Koordinator lotst den Patienten durch das Versorgungsdickicht der verschiedenen möglichen Behandlungsmöglichkeiten und organisiert die Termine für seinen Patienten, die stationären Aufnahmen, prüft unter Umständen die Arbeitsunfähigkeit oder gar Berentung, die passenden Therapien, etc.

 
Aus unserer Sicht ist nicht nachvollziehbar, wie mit dieser Idee besser und schneller versorgt werden kann. Dr. Kai Behrens
 

So sollen die zum Teil langen Wartezeiten der Patienten etwa auf einen Therapieplatz verkürzt werden. Das ist dringend geboten. Denn „nur etwa ein Viertel bis ein Drittel der Patienten erhält eine adäquate Behandlung“, erklärt Bergmann. „Dabei sind psychische Erkrankungen die häufigsten und teuersten Erkrankungen überhaupt. Noch vor Krebs.“ Allerdings schweigt der Entwurf darüber, wie schnell den Patienten etwa ein Behandlungstermin vermittelt werden soll.

Neues Verhältnis der Fachgruppen

Und die Kassen? Sie zeigen sich zurückhaltend. „Unsere Vertragsexperten können zu diesem Vertragsentwurf der Kassenärztlichen Bundesvereinigung noch nicht viel sagen“, sagt Dr. Kai Behrens, Sprecher des Bundesverbandes der AOK. „Aus unserer Sicht ist nicht nachvollziehbar, wie mit dieser Idee besser und schneller versorgt werden kann, zumal dies auch davon abhängt, wie die Leistungsmengen in Zukunft gestaltet werden.“

 
Wir hätten im Versorgungs-stärkungsgesetz gerne einen Passus, der die Selbstverwaltung dazu auffordert, einen solchen Vertrag wie den der KBV umzusetzen. Jürgen Doebert
 

Behrens verweist in diesem Zusammenhang auf das Versorgungsstärkungsgesetz. Es sehe vor, dass „die Psychotherapie-Richtlinie bis Mitte 2016 neu zu verhandeln ist. Die Vorverhandlungen laufen bereits und befassen sich auch mit der Neuordnung der Versorgung von Menschen mit psychischen Erkrankungen insgesamt.“

Auch Doebert sieht im Versorgungsstärkungsgesetz eine Chance, „Wir hätten im Versorgungsstärkungsgesetz gerne einen Passus, der die Selbstverwaltung dazu auffordert, einen solchen Vertrag wie den der KBV umzusetzen.“ Der G-BA arbeite an einer Reform der Psychotherapierichtlinie, was sich nach dem Hörensagen nicht einfach gestalte, so Doebert. „Der von der KBV vorgelegte Vertrag deckt da aber ein wesentlich weiteres Feld ab.“

 

REFERENZEN:

Kassenärztliche Bundesvereinigung: Anlage zum Bundesmantelvertrag-Ärzte „Vertrag zur Versorgung von Patienten mit neurologischen und psychischen Erkrankungen“ – Arbeitsentwurf

 

Kommentar

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