Motivation zu mehr Bewegung: Der Hausarzt kann es schaffen – doch meist nur kurzfristig

Ute Eppinger

Interessenkonflikte

17. Februar 2015

Bewegungsmangel erhöht das Risiko für Herz-Kreislauferkrankungen beträchtlich. Doch wie lassen sich besonders gefährdete Patientengruppen zu mehr Aktivität motivieren? Dr. Molly B. Conroy von der Universität von Pittsburgh, USA, und Kollegen haben bei sportlich inaktiven Frauen getestet, ob eine Hausarzt-geführte Ernährungs-und Bewegungsberatung (IL) erfolgversprechender ist als Informationsmaterial, das Probandinnen mit der Empfehlung aushändigt wird, sich mehr zu bewegen [1]. Und tatsächlich: Kurzfristig steigerte der Interventions-geführte Ansatz das Bewegungsverhalten der Frauen deutlich.

 
Wir brauchen zunächst Studien in Deutschland, um zu sehen, was am besten funktioniert. Prof. Dr. Erika Baum
 

„Der Ansatz der Studie ist durchaus sinnvoll gewählt, also das Eingehen auf Bewegung, Ernährung und auf Achtsamkeit. Sinnvoll gewählt ist auch die Zielgruppe: Frauen am Ende der Familienphase und in einem Alter, in der das Herz-Kreislauf-Risiko deutlich steigt“, sagt Prof. Dr. Erika Baum, Leiterin der Abteilung Allgemeinmedizin, Prävention und Rehabilitation an der Universität Marburg, im Gespräch mit Medscape Deutschland.

Durch Anleitung mehr Aktivität, aber kein Gewichtsverlust

In ihre randomisierte Studie nahmen Conroy und Kollegen 99 sportlich inaktive Frauen auf. Das mittlere Alter lag bei 53,9 Jahren, 37% der Probandinnen waren Afroamerikanerinnen. Das durchschnittliche Gewicht betrug 92,3 kg, der mediane BMI lag bei 34,7 kg/m².

Die IL-Gruppe bestand aus 49 Frauen und erhielt über 12 Wochen einmal pro Woche 30 Minuten Bewegungs-und Ernährungsberatung und wurden 30 Minuten zu moderater körperliche Aktivität angeleitet. Die Self-lead-Gruppe (n = 50) bekam lediglich einen Leitfaden. Daten zur Bewegung wurden direkt bei Studienbeginn, nach 3 und nach 12 Monaten erhoben. Primäre Endpunkte waren das Ausmaß der Bewegung, erfasst mithilfe des modifizierbaren Activity Questionnaire (MAQ), und das Gewicht.

Die medianen Level der physischen Aktivität (PA) pro Person betrugen 2,8 MET-Minuten pro Woche (MET: Metabolisches Äquivalent). Das MET ist der Stoffwechselumsatz, bezogen auf den Ruheumsatz im Verhältnis zum Körpergewicht. Nach 3 Monaten hatten die Frauen der IL-Gruppe einen signifikant deutlicheren Anstieg der Aktivitäts-Level: 7,5 vs 1,9 MET-Stunden pro Woche; p = 0,02) als die Frauen der Self-leading-Gruppe. Beim Gewicht allerdings zeigte sich kein signifikanter Unterschied.

Andere Zugangswege und andere soziale Strukturen in Deutschland

Baum, Vizepräsidentin der Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM), gibt zu bedenken, dass die Studie nicht eins zu eins auf deutsche Verhältnisse übertragen werden kann: „Wir haben andere Zugangswege zum Medizinsystem und auch andere soziale Strukturen.“

So gab es in der US-Studie erhebliche Probleme mit geringer Teilnahme an den einzelnen Treffen und drop outs bei der Kontrollgruppe. Es nahm nur ein Drittel der Patienten an 75% der Sitzungen teil. Das mag auch damit zu tun haben, dass es wohnortnahe Angebote in den USA deutlich seltener als in Deutschland gibt.

 
Die Interventionen der Hausärzte waren erfolgreich darin, kurzfristig die körperliche Aktivität bei übergewichtigen Frauen mittleren Alters zu steigern. Dr. Molly B. Conroy und Kollegen
 

In Deutschland dagegen bestehe bereits eine hilfreiche Infrastruktur, so Baum. „Zum Beispiel habe ich die Möglichkeit, Patienten zum Besuch von lokalen Sportangeboten zu motivieren. Bei uns gibt es das Instrument des Grünen Rezepts und bei den Sportvereinen die Programme Sport pro Gesundheit. Außerdem bieten auch die Krankenkassen Kurse an.“ Die Teilnahme an Gesundheitskursen – etwa auch Rehasport bei Adipositas – wird von den Kassen gefördert.

Welche Bewegungskurse bringen etwas?

Im geplanten Präventionsgesetz wird auf die Beratungsfunktion des Hausarztes verwiesen. „Dafür sollten dann allerdings auch entsprechende Ressourcen zur Verfügung gestellt werden“, fordert Baum. Denn bisher wird der hausärztliche Einsatz nicht bezahlt: „Außer man nutzt die Checkup-Untersuchung ab 35 Jahren dafür. Aber auch dann ist das nur ein Termin alle zwei Jahre.“

Das Problem in Deutschland ist laut Baum aber eher ein Wildwuchs der Angebote und dass nach wie vor evidenzbasierte Studien zur Effektivität der Maßnahmen fehlen. „Wir brauchen zunächst Studien in Deutschland, um zu sehen, was am besten funktioniert. Was sinnvoll und effektiv ist, sollte dann in den Leistungskatalog der Krankenkassen übernommen werden, statt auf Aktionismus zu setzen, hinter dem vor allem auch Marketingaspekte stehen“, sagt Baum.

Sie regt an, Forschungsprojekte zu unterstützen, „damit man sieht, was bei uns funktioniert und wofür sinnlos Geld ausgegeben wird“. So war von ihrer Abteilung mehrfach angeregt worden, eine Studie zur Effektivität des Einsatzes spezieller wohnortnaher Gruppen mit Nordic-Walking-Angebot und Gesundheitsberatung auf Fitness, Wohlbefinden und Stoffwechsel durchzuführen. Mit ihrer Idee waren Baum und Kollegen beim Forschungsministerium, bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und auch bei den Krankenkassen vorstellig geworden. „Das fand aber leider kein Interesse und wurde als nicht spannend genug bezeichnet“, berichtet Baum.

Nach dem Ende der Intervention ließ auch der Bewegungsdrang nach

Durchaus kritisch sieht die Expertin die Methodik der aktuellen Studie von Conroy: „Die Angaben zur Bewegung in der Interventionsgruppe beruhten ausschließlich auf Selbstangaben. Zwar waren Pedometer ausgeteilt worden, aber nicht ausgewertet. Man muss damit rechnen, dass ein Erwünschtheits-Bias entstanden ist, die Teilnehmer ihre Ergebnisse eher geschönt haben.“

Durch eine Auswertung der Pedometer hätte sich das Ergebnis durchaus objektivieren lassen. Laut Conroy war die Differenz zwischen den Gruppen nach 12 Monaten nicht länger signifikant (4,7 vs 0,7 MET-Stunden pro Woche, p = 0,38). Die Wissenschaftler resümieren: „Die Interventionen der Hausärzte waren erfolgreich darin, kurzfristig die körperliche Aktivität bei übergewichtigen Frauen mittleren Alters zu steigern. Beim Gewicht wurden keine signifikanten Veränderungen beobachtet.“

Insgesamt falle das Studienergebnis eher enttäuschend aus, meint auch Baum, denn der Effekt stärkerer Bewegung hielt nicht an. Stoffwechsel und Blutdruck besserten sich zwar tendenziell, aber nicht wesentlich.

 

REFERENZEN:

1. Conroy MB et al: J Gen Intern Med 2015;30(2):207-213

 

Kommentar

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