„Zwei Viruserkrankungen sind die großen Gewinner der Globalisierung: das Dengue- und das Chikungunya-Fieber.“ Das erklärte der Tropenmediziner und Infektiologe Prof. Dr. Tomas Jelinek, Wissenschaftlicher Leiter des CRM Centrum für Reisemedizin in Düsseldorf, bei einer Pressekonferenz des Forums Reisen und Gesundheit in Berlin [1]. Laut Angaben des Robert Koch-Institutes wurden in Deutschland im Jahr 2013 insgesamt 879 Fälle und im Jahr 2014 mindestens 654 Fälle von Dengue-Fieber registriert.

Prof. Dr. Tomas Jelinek
Verantwortlich dafür sind Insekten wie die Asiatische Tigermücke (Aedes albopictus), die Asiatische Buschmücke (Aedes japonicus) und die Gelbfiebermücke (Aedes aegypti). „Mücken der Gattung Aedes sind die Hauptüberträger der Viren und infizieren mit ihrem Stich immer häufiger Urlaubs- und Geschäftsreisende, die dann krank nach Hause zurückkehren“, betonte Jelinek im Gespräch mit Medscape Deutschland.
Außerdem gehen die Mücken selbst auf Reisen: In Warencontainern und in den Fahrzeugen von Touristen gelangen sie bis nach Amerika und Europa; in Europa wird vor allem Aedes albopictus gefunden.
Tigermücke bringt Dengue ans Mittelmeer
In Italien ist Aedes albupictus bereits weit verbreitet. Auf der Veranstaltung in Berlin berichtete Agnes M. aus Berlin als Betroffene, wie sie sich völlig unerwartet in Südfrankreich, an der Côte d’ Azur, mit Dengue-Fieber infiziert hatte: „Kurz vor der Rückreise – drei Tage, nachdem ich zahlreiche Mückenstiche an den Beinen bekommen hatte – begannen bei mir heftige Kopf- und Gliederschmerzen“ schilderte sie die Symptome. „Während der langen Autofahrt stellte sich dann noch anhaltendes Fieber um 39,5°C ein.“
Wieder zu Hause war sie 3 Tage später nicht in der Lage, ihren Arzt aufzusuchen, denn inzwischen waren noch Schüttelfrost und eine starke Erschöpfung hinzugekommen. Nach weiteren 3 Tagen und intensiver Internetrecherche konsultierte sie schließlich auf Anraten ihrer Hausärztin einen Tropenmediziner; der diagnostizierte Dengue-Fieber.
Inzwischen sollten Patienten daher auch nach Reisen in den Mittelmeerraum bei Exposition gegenüber Insektenstichen und bei dazu passenden, sonst nicht erklärlichen Krankheitssymptomen an Tropenkrankheiten denken und notfalls eine reisemedizinische Praxis aufsuchen. „Es gibt allerdings nur wenige hundert Zentren für Tropenmedizin in Deutschland“, so Jelinek auf Nachfrage von Medscape Deutschland. „Wir benötigen dringend zusätzliche Weiterbildungsmöglichkeiten, um künftig eine flächendeckende reisemedizinische Beratung und Betreuung der Patienten sicherzustellen.“
Eine ursächliche Therapie für Dengue-Fieber – oder für Chikungunya-Fieber – gibt es bisher leider nicht, und auch noch keine Impfung. „Wir können nur symptomatisch behandeln“, räumte Jelinek ein. Kopfschmerzen und Fatigue halten beim Dengue-Fieber oft wochenlang an, so auch bei Frau M. Beim Chikungunya-Fieber dagegen ist eher mit lang andauernden Gelenkschmerzen zu rechnen. „Insgesamt ist die Prognose bei beiden Erkrankungen aber gut“, betonte Jelinek, „solange die Patienten nicht sehr fragil sind und womöglich Blutungskomplikationen erleiden. Die Mortalität liegt in Deutschland unter einem Prozent.“

Dr. Doreen Werner
Foto: Jessica Wahl
Mücken fangen und kartieren – der „Mückenatlas“
„Bei rückläufigen Zahlen von Malaria und anderen durch Insekten übertragenbaren Krankheiten wurde die Forschung auf diesem Gebiet schon in den 1970er Jahren stark reduziert.“ Das erklärte Diplombiologin Dr. Doreen Werner vom Leibniz Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF) in Müncheberg, Brandenburg, auf Nachfrage von Medscape Deutschland. „Im Zuge der Globalisierung und Klimaerwärmung finden wir aber in den letzten Jahren neue, für unsere Region untypische Erkrankungen bei Mensch und Tier. Das rückt die Zweiflügler als Virusvektoren wieder neu in den Fokus“, so die Expertin für medizinische Entomologie (Insektenkunde).
Werner und ihre Kollegen haben vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft und vom Robert Koch-Institut den Auftrag erhalten, die räumliche und saisonale Verbreitung der Mücken zu erforschen. „In Deutschland gibt es 28 Mückenfamilien; allein von den für die Krankheitsübertragung wichtigen Stechmücken existieren 50 Arten“, stellte sie klar. „Wir wollen einerseits untersuchen, welche Mückenarten neu nach Deutschland einwandern, und andererseits überwachen, welche Fähigkeiten zur Übertragung von Krankheiten unsere einheimischen Tiere womöglich haben oder entwickeln.“
Um möglichst viele Stechmücken zu erfassen, haben die Forscher vom Leibniz Zentrum in ganz Deutschland über 120 Fallen installiert, die die Insekten mit dem Duft von Wirbeltierschweiß und mit Kohlendioxid (als Surrogat für die Ausatmungsluft) anlocken. Diese Mücken werden nach der Bestimmung ihrer Art noch im Friedrich-Löffler-Institut in Greifswald auf Virenbefall untersucht.
Mitarbeit bei der Mückensuche erwünscht!
Das war aber noch nicht genug, fand Werner und entwickelte die Idee des Mückenatlas: Interessierte aus ganz Deutschland können Mücken an das Institut senden, wo sie analysiert und kartiert werden; die Einsender erfahren dann, zu welcher Art „ihre“ Mücke gehörte. So entsteht eine Kartierung für ganz Deutschland (www.mueckenatlas.de).
„In den Jahren 2012 bis 2014 hatten wir jeweils mehrere tausend Einsendungen mit insgesamt 7.000 bis 12.000 Exemplaren pro Jahr“, berichtete Werner. Ein guter Anfang, meint sie – es dürfen gern noch mehr werden.
Tigermücken, eher kleine, unscheinbare Tiere mit einer charakteristischen schwarz-weißen Zeichnung, wurden bisher vor allem in der Nähe von Raststätten gefunden, zum Beispiel im Südwesten Deutschland, wie eine Arbeit von Werner und den Kollegen vom Friedrich Löffler Institut zeigen konnte. Im oberen Rheintal gab es 2014 bereits eine Population, die sich vor Ort vermehrt, wie die Wissenschaftler des ZALF in einer eigenen Publikation nachweisen konnten. „Ob sie sich über den Winter halten konnte, werden die Untersuchungen 2015 zeigen“, so Werner. „Mit Tropenkrankheiten infiziert war bisher keine der in Deutschland gefundenen Mücken“, beruhigt sie.
Mückenschutz im Urlaub rund um die Uhr?
Zur Prävention der Ansteckung mit Dengue- und Chikungunya-Fieber im Urlaub empfiehlt Tropenmediziner Jelinek die üblichen Maßnahmen zum Mückenschutz – lange Kleidung, DEET-haltige Präparate für Haut und Textilien.
Allerdings gibt es einen entscheidenden Unterschied zur Malariaprophylaxe: Die Tigermücke ist anders als die Malaria übertragende Anophelesmücke nicht nur in der Dämmerung aktiv. „Aedes albopictus, die Tigermücke, fliegt tagsüber“, so Jelinek. Es gibt aber auch eine gute Nachricht: Nur die Mücken können Dengue- und Chikungunya-Fieber übertragen, eine Weitergabe von Mensch zu Mensch gibt es nicht.
REFERENZEN:
Diesen Artikel so zitieren: Dengue- und Chikungunya-Fieber als Souvenir vom Mittelmeer: Wann dran denken? - Medscape - 16. Feb 2015.
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