Weltkrebstag: Tumoren tarnen sich gut, aber neue Immuntherapien schauen hinter die Maske

Maren Schenk

Interessenkonflikte

4. Februar 2015

Heidelberg – „Wir sehen zurzeit eindrucksvolle Ergebnisse mit Immuntherapien bei Krebs“, sagt Prof. Dr. Dirk Jäger, Direktor für Medizinische Onkologie im Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) in Heidelberg. Auch Prof. Dr. Philipp Beckhove, Leiter der Abteilung Translationale Immunologie im Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ), ist optimistisch. Es gebe noch viele Probleme, aber: „Bei manchen Patienten sind einige Hürden schon genommen.“ Was die Forscher derzeit tatsächlich schon mit Checkpoint-Inhibitoren und veränderten T-Zellen gegen Malignome ausrichten können, erläuterten sie anlässlich einer Veranstaltung zum Weltkrebstag im DKFZ [1].

Prof. Dr. Dirk Jäger Quelle: NCT

„Jeder Tumor hat Mechanismen entwickelt, wie er der Immunantwort entkommt“, sagte Beckhove. Die „Tarnung“ funktioniert etwa mit Hilfe regulatorischer T-Zellen (Treg): Angelockt durch Tumorzellen reichern sie sich im Tumor an – und supprimieren die Abwehr. Auch zytotoxische T-Zellen lassen sich von den Krebszellen austricksen. An diesen quasi kontraproduktiven T-Zellen setzt der erste in Europa verfügbare Checkpoint-Inhibitor an, Ipilimumab.

Checkpoint-Inhibitoren sind Antikörper, die gegen die „Bremsen“ im Immunsystem gerichtet sind, beispielsweise das Cytotoxische T-Lymphozyten-assoziierte Antigen 4 (CTLA-4) auf T-Zellen. Warum gibt es derartige Bremsen überhaupt? „Wir gehen davon aus, dass solche inhibitorischen Mechanismen normalerweise dazu dienen, unerwünschte Autoimmunreaktionen zu verhindern“, erklärt Beckhove.  

Prof. Dr. Philipp Beckhove Quelle: Universität Heidelberg

Erfolge bei Melanomen mit Checkpoint-Inhibitoren

Ipilimumab hilft dabei, den Tumorzellen die Camouflage, unter der sie verborgen bleiben wollen, wieder herunterzureißen: Es erkennt CTLA-4 auf Treg, dockt dort an und markiert so die Maske. Dendritische Zellen und Makrophagen im Tumor können dadurch Treg erkennen und inaktivieren. „Dieser Antikörper führt also dazu, dass Treg in Tumoren reduziert werden und so die – unerwünschte – Immunsuppression verschwindet“, erklärte Beckhove. Außerdem hat CTLA-4 auch einen inhibitorischen Effekt auf cytotoxische T-Zellen. Wenn Ipilimumab CTLA-4 blockiert, können cytotoxische Zellen leichter aktiviert werden.

Der Checkpoint-Inhibitor ist seit 2011 für die Behandlung metastasierter Melanome zugelassen. Bei manchen Patienten gab es komplette Remissionen, doch bei anderen schreitet die Erkrankung trotzdem fort. Die DKFZ-Forscher wollen wissen, warum. Denn trotz CTLA4-Blockade bleibt immer noch ein Problem, erläuterte Beckhove: Effektorzellen können den Tumor auch deshalb oft nicht erreichen, da er sein unmittelbares Umfeld verändert – Blutgefäße etwa. „Unser Ansatz ist: Wir erzeugen eine Entzündung im Tumor, so dass das Gefäßbett verändert, das heißt normalisiert wird. Effektor-T-Zellen können dann in den Tumor einwandern“, so der Internist.

Macht den Weg für T-Zellen frei: Präoperative Bestrahlung

Eine Entzündung lässt sich zum Beispiel mittels Bestrahlung hervorrufen. Am DKFZ wurde bei Pankreastumoren im Mausmodell nachgewiesen, dass niedrig dosierte, lokale Bestrahlung Blutgefäße für Abwehrzellen durchlässig machen kann. Nach der Bestrahlung sah man bestimmte Adhäsionsmoleküle am Endothel, Effektorzellen infiltrierten den Tumor. Erste klinische Studien beim Pankreas- oder Kolorektalkarzinom beobachteten ähnliche Effekte am Menschen. Derzeit läuft eine klinische Phase-1/2-Studie, um herauszufinden, ob eine niedrigdosierte Bestrahlung vor der Tumorresektion bei Patienten mit Pankreaskarzinom die T-Zell-assoziierte Immunantwort verbessern kann.

 
Dieser Antikörper (Ipilimumab ) führt also dazu, dass Treg in Tumoren reduziert werden und so die – unerwünschte – Immunsuppression verschwindet. Prof. Dr. Philipp Beckhove
 

Weitere Checkpoint-Inhibitoren stehen am Start. Die gegen den PD-1-Rezeptor auf T-Zellen gerichteten monoklonalen Antikörper Nivolumab und Pembrolizumab sind in den USA zur Behandlung des malignen Melanoms zugelassen, in Europa noch nicht. PD steht für Programmed Death: „Wenn ein Ligand an ihn bindet, wird die T-Zelle abgeschaltet“, erklärte Beckhove.

Manche Tumorzellen exprimieren die Liganden PD-L1 und PD-L2 verstärkt. Binden diese dann an den PD-1-Rezeptor der T-Zellen, schwächt das diese. Blockieren allerdings Antikörper wie Nivolumab und Pembrolizumab den PD-1-Rezeptor, bleiben die tumorbekämpfenden T-Zellen aktiv.

 
Was mich beeindruckt, sind anhaltende Remissionen bei einigen Patienten. Vielleicht kann man sogar von Heilungen sprechen – das ist neu in der Onkologie. Prof. Dr. Dirk Jäger
 

„Vier weitere Checkpoint-Targets werden derzeit in klinischen Studien untersucht“, ergänzte Jäger, der auch Direktor der Abteilung Medizinische Onkologie am Universitätsklinikum Heidelberg ist. Mit Checkpoint-Inhibitoren wurden in Studien hohe Ansprechraten bei verschiedenen Tumoren erreicht, außer beim malignen Melanom auch bei Bronchial-, Blasen- und Nierenkarzinomen, nicht so gut sprechen dagegen gastrointestinale Tumoren an. Die Nebenwirkungen sind überwiegend moderat.

„Was mich bei diesen Therapien beeindruckt, sind die guten Ansprechraten in der refraktären Situation und anhaltende Remissionen bei einigen Patienten. Vielleicht kann man sogar von Heilungen sprechen – das ist neu in der Onkologie“, sagte Jäger.

Kommentar

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