Gesetzeslücke wird geschlossen: Korruption soll auch bei Niedergelassenen ein Straftatbestand werden

Christan Beneker

Interessenkonflikte

3. Februar 2015

Korruption im Gesundheitswesen – Krankenkassen sehen hier Straftaten von epidemischen Ausmaßen. Die Bundesärztekammer spricht dagegen von einigen „schwarzen Schafen“ in der Ärzteschaft. Wie dem auch sei, Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) hat jetzt einen Referentenentwurf vorgelegt, der den Tatbestand der Korruption im Gesundheitswesen als solchen ins Strafgesetzbuch bringen soll, und zwar im Wesentlichen unter dem neuen § 299a StGB. „Er bezieht alle Heilberufe ein, die für die Berufsausübung oder die Führung der Berufsbezeichnung eine staatlich geregelte Ausbildung erfordern und gilt für Sachverhalte sowohl innerhalb als auch außerhalb des Bereichs der gesetzlichen Krankenversicherung“, heißt es in dem Entwurf, der Medscape Deutschland vorliegt.

Gegen Bestechung und Bestechlichkeit

Danach wird bestraft, wer im Beruf bestechlich ist oder besticht. Wenn etwa ein Physiotherapeut dem Hausarzt dafür Boni zahlt, dass dieser ihm Patienten schickt. Oder wenn der Hausarzt Gegenleistungen dafür „fordert, sich versprechen lässt oder annimmt“, bei der „Zuführung von Patienten oder Untersuchungsmaterial“ bestimmte Kollegen oder Praxen besonders zu bedenken.

Zukünftig soll derartiges Verhalten strafbar sein und mit einer „Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe“ geahndet werden können, in schweren Fällen bis zu 5 Jahren. Als schwere Fälle gelten solche von „großem Ausmaß“ oder solche, die gewerbsmäßig oder in dafür organisierten Banden begangen wurden.

Die Straftaten werden nur auf Antrag verfolgt und zwar auf Antrag der Verletzten, der Gesundheitsberufe sowie Verbände und Kammern. Die Krankenkassen sind im Gesetzentwurf nicht explizit genannt.

Klinik- und niedergelassene Ärzte sollen gleich behandelt werden

Der Entwurf ist aus 2 Gründen notwendig geworden. Zunächst steht es im Berliner Koalitionsvertrag, dass ein solches Gesetz her soll. Außerdem besteht Handlungsbedarf wegen eines Urteils des Bundesgerichtshofes (BGH) aus dem Jahr 2012. Die Richter urteilten seinerzeit, dass niedergelassene Ärzte aufgrund ihrer Freiberuflichkeit nicht wegen Korruption belangt werden können.

 
Im Gesundheits- wesen geht es aber nicht nur um den Schutz vor Vermögensschäden, sondern auch und gerade um das besondere Vertrauensverhältnis zwischen Patient und zum Beispiel seinem Arzt. Hannes Hedke
 

Anders die angestellten Klinikärzte: Sie können wie andere Funktionsträger wegen Bestechlichkeit angeklagt werden. Dass Bestechung und Bestechlichkeit für niedergelassene Ärzte praktisch straffrei ist, will die Koalition in Berlin nun ändern und legt den Gesetzesentwurf vor. Er stellt freiberufliche Ärzte und angestellte Ärzte in dieser Hinsicht gleich.

Der Gesetzentwurf ist nicht der erste, der sich dem Problem widmet. Auch das Land Bayern habe bereits zuvor einen Entwurf erarbeitet, der nun im Bundesrat vorgestellt werden solle, berichtet Ministerialrat Hannes Hedke, Sprecher des Justizministeriums Bayern. „Die beiden Entwürfe liegen nicht weit auseinander“, so Hedke. Eine Regelung zur Korruption sei auch deshalb notwendig, weil sowohl die bestehenden Korruptionstatbestände als auch der existierende Strafbestand des Betruges im Gesundheitswesen nicht alle strafwürdigen Fälle abdecken könnten.

„Der Straftatbestand des Betruges setzt zum Beispiel einen Schaden voraus. Im Gesundheitswesen geht es aber nicht nur um den Schutz vor Vermögensschäden, sondern auch und gerade um das besondere Vertrauensverhältnis zwischen Patient und zum Beispiel seinem Arzt”, sagt Hedke. „Deshalb braucht es Korruptionstatbestände, bei denen der Kern des Straftatbestandes eine Unrechtsvereinbarung ist, also zum Beispiel das Fordern oder Annehmen von Vorteilen als Gegenleistung für eine bestimmte, regelwidrige Handlung des Heilberufsträgers.“

Die Korruption im Gesundheitswesen beschäftigte bereits den 116. Deutschen Ärztetag 2013 in Hannover. In mehreren Anträgen forderten damals die Delegierten unter anderem, den Straftatbestand der Bestechung oder Bestechlichkeit aus dem Sozialgesetzbuch V (SGB V) herauszuhalten. Andernfalls käme der Paragraf „einem Sonderstrafrecht gleich, das Vertragsärzte unangemessen benachteiligt”, so der Entschließungsantrag I - 13 des Hannoveraner Ärztetages. Tatsächlich hatte der Gesundheitsminister der schwarz-gelben Bundesregierung Daniel Bahr (FDP) 2013 vor, die Korruption im Gesundheitswesen im SGB V zu regeln.

Ein anderer Entschließungsantrag (I - 18) forderte sogar explizit das Strafgesetzbuch, in dem die Korruption im Gesundheitswesen geregelt werden solle. Das Strafgesetzbuch solle auch „die medizinische Tätigkeit im ambulanten und privatärztlichen Bereich einschließen“. Beide Forderungen werden von dem vorliegenden Entwurf erfüllt. Zum eben erst fertiggestellten Referentenentwurf wollte aber Samir Rabbata, stellvertretender Pressesprecher der Bundesärztekammer, vorerst nichts sagen. „Unsere Rechtsabteilung prüft den Entwurf noch“, so Rabbata zu Medscape Deutschland.

 
Dabei ist das Gesundheits- wesen nicht besonders korrupt, aber es ist ebenso korrupt, wie auch sonst die Privatwirtschaft. Prof. Dr. Kai Bussmann
 

Klare Zahlen fehlen

Dissens herrscht über das Ausmaß der Korruption im Gesundheitswesen – ob es lediglich einige „schwarze Schafe“ gibt, wie die Delegierten des Hannoveraner Ärztetages glaubten, oder ob das Problem „dramatisch unterschätzt“ werde und „ebenso verbreitet ist wie zum Beispiel in der Bauwirtschaft“, wie der Strafrechtler und Wirtschaftskriminologe Prof. Dr. Kai Bussmann, Lehrstuhlinaber an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg zu Medcape Deutschland sagt.

„Die Schwarze-Schafe-Theorie stammt von der Bundesärztekammer“, so Bussmann. „Die Ergebnisse aus Studien sprechen jedoch dafür, dass es sich um ein systemisches Problem handelt. Dabei ist das Gesundheitswesen nicht besonders korrupt, aber es ist ebenso korrupt, wie auch sonst die Privatwirtschaft.“ Bussman hat 2012 für den GKV-Spitzenverband eine entsprechende Studie vorgelegt: „Zuweisung gegen Entgelt“. Sie beruht auf Befragungen von Ärzten, Apothekern, Hörgeräteakustikern und Orthopädieschuhmachern.

 
50 Prozent der Leistungs- erbringer arbeiten korruptiv. Das ist das, was mir aus der Branche berichtet wird. Dina Michels
 

Darin heißt es: „Die Ergebnisse der Fallstudie zeigen, dass Zuweisungen gegen Entgelt vielfach lebendige Praxis sind. Insgesamt nannten 1.141 Befragte 317 Situationen, in denen ihnen wirtschaftliche Vorteile für Zuweisungen angeboten, und 174 Situationen, in denen von ihnen solche Vorteile erwartet wurden – somit insgesamt 491 Fälle.“ Es handele sich damit bei Zuweisungen gegen Entgelt nicht um Einzelfälle.

Wie verbreitet aber die Korruption im Gesundheitswesen tatsächlich ist, weiß niemand. Klare Zahlen liegen nicht vor. Allerdings zählt die Kaufmännische Krankenkasse Hannover (KKH) alljährlich so genannte Anfangsverdachte von Fehlverhalten im Gesundheitswesen. Davon entfielen 2012 genau 8,22% auf die so genannte unzulässige Zusammenarbeit, also Bestechung und Bestechlichkeit. 2013 waren es bereits 15,04% und im Jahr 2014 zählte die KKH 19,35%, das teilte die Kasse auf Anfrage mit.

 
Wir wollen die Ärzteschaft nicht pauschal an den Pranger stellen. Aber es gibt immer wieder prominente Fälle, die das Vertrauen im Arzt-Patienten-Verhältnis stören. Hannes Hedke
 

Nimmt man diese Zahlen als Grundlage, muss man also sagen: Die Delikte nehmen zu. Dina Michels, Leiterin der Stelle für Bekämpfung von Fehlverhalten im Gesundheitswesen bei der KKH, sagt sogar: „50 Prozent der Leistungserbringer arbeiten korruptiv. Das ist das, was mir aus der Branche berichtet wird.“ Auch wegen dieser möglicherweise großen Zahl möchte Michels, dass auch die Krankenversicherungen im neuen Gesetz als Antragsberechtigte explizit aufgeführt werden.

„Wir wollen die Ärzteschaft nicht pauschal an den Pranger stellen“, betont Hedke, „aber es gibt immer wieder prominente Fälle, die das Vertrauen im Arzt-Patienten-Verhältnis stören. Deshalb muss eine Regelung her.“

 

Kommentar

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