Die Lage ist weiterhin todernst: WHO stellt Statusreport zu nicht-übertragbaren Krankheiten vor

Simone Reisdorf

Interessenkonflikte

19. Januar 2015

Unter dem Begriff der „nicht-übertragbaren Krankheiten“ (noncommunicable diseases, NCD) fasst die Weltgesundheitsorganisation WHO 4 chronische Krankheiten oder Krankheitsgruppen zusammen, die nicht infektiös sind, sich aber trotzdem „epidemisch“ ausbreiten, nämlich Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes mellitus, chronische Lungenerkrankungen und Krebs. Jedes Jahr sterben weltweit etwa 38 Millionen Menschen an diesen Krankheiten, das sind knapp 2 Drittel aller Todesfälle.

16 Millionen der NCD-Opfer sind jünger als 70 Jahre und 9 Millionen sogar jünger als 60 Jahre, etliche erreichen gerade einmal die 30. Der Verlust an Leben und Arbeitskraft durch NCD ist so groß, dass er neben der WHO auch die höchsten Gremien der Vereinten Nationen beschäftigt. Hauptziel der gemeinsamen Aktivitäten von WHO und UNO, denen sich neben vielen anderen Mitgliedsstaaten auch Deutschland angeschlossen hat, ist die Reduktion der vorzeitigen NCD-Todesfälle um 25% bis 2025.

Bei der Vorstellung des „Global status report on noncommunicable diseases 2014“ am 19. Januar in Genf forderte WHO-Generaldirektorin Dr. Margaret Chan alle Mitgliedsstaaten auf, ihre Anstrengungen im Kampf gegen vorzeitige Todesfälle durch NCD zu verstärken [1]. Sie erinnerte daran, dass viele dieser frühen Sterbefälle durch kostengünstige („best buy“) Maßnahmen verhindert werden könnten: „Schon mit 1 bis 3 US-Dollar pro Person und Jahr könnten die Länder Krankheitslast und Tod durch NCD dramatisch reduzieren.“

Ehrgeizige Ziele im Kampf gegen vier gemeinsame Risikofaktoren

Im Fokus der internationalen Gesundheitswächter stehen die 4 gemeinsamen Risikofaktoren aller nicht-übertragbaren Krankheiten: ungesunde Ernährung, Bewegungsmangel, Alkoholmissbrauch und Tabakabhängigkeit. Im Rahmen des „Global Action Plan for the Prevention and Control of Noncommunicable Diseases“ wollen die Regierungen der 194 WHO-Mitgliedsstaaten in den Jahren 2013 bis 2020 intensiv mit den Gesundheitsbehörden zusammenarbeiten und gesundheitsfördernde Gesetze erlassen.

Die Ziele im Einzelnen sind:

  • • 25%ige Reduktion der vorzeitigen Mortalität durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs, Diabetes und chronische Lungenerkrankungen,

  • • Stopp des Anstiegs von Diabetes und Adipositas,

  • • Verringerung der Hypertonie um 25%,

  • • Senkung der körperlichen Inaktivität um 10%,

  • • 30%ige Senkung des Salzkonsums,

  • • 30%ige Senkung des Tabakrauchens,

  • • 10%ige Reduktion des schädlichen Alkoholkonsums,

  • • Versorgung von 50% der Herzinfarkt- und Schlaganfall-gefährdeten Personen mit Medikamenten und Beratung zur Prävention sowie

  • • „80%ige Verfügbarkeit“ bezahlbarer, grundlegender Technologien und Medikamente zur Therapie der NCD.

Es kann funktionieren!

Schon mit 1 bis 3 US-Dollar pro Person und Jahr könnten die Länder Krankheitslast und Tod durch NCD dramatisch reduzieren. Dr. Margaret Chan

Dies ist – nach 2008 bis 2013 – bereits der zweite Versuch der WHO, die Bevölkerung durch Verordnungen „von oben“ zu einem gesunden Lebensstil zu motivieren. Dass Werbeverbote, Zucker- und Fettsteuern tatsächlich etwas bringen können, zeigen einige positive Beispiele, die Chan auf der Pressekonferenz in Genf zitierte.

So hat in der Türkei ein drastisches Maßnahmenbündel aus hohen Tabaksteuern, Rauchverbot in und vor öffentlichen Gebäuden, totalem Tabakwerbeverbot sowie Gesundheitswarnungen in Wort und Bild, die fast die gesamte Fläche der Packung einnehmen, zu einem Rückgang der Raucherraten um relative 13,4% im Vergleich zum Jahr 2008 geführt.

In Argentinien wurde in den letzten Jahren eine 25%ige Reduktion des Salzgehalts im Brot erreicht. Die Vereinbarungen, die in ähnlicher Weise in ganz Nord- und halb Lateinamerika geschlossen wurden, begrenzen auch den Salzgehalt in verpackten Lebensmitteln.

Und schließlich brachte eine Salz-, Zucker- und Koffeinsteuer in Ungarn die Verbraucher dazu, den Konsum ungesunder Nahrungsmittel um 25 bis 35% zu reduzieren. 40% der Hersteller verbesserten daraufhin ihre Rezepte, um der Steuer zu entgehen und zugleich wieder mehr Umsatz zu machen.

Kommentar

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