Hilfsbedürftige Helfer: Was Ärzte für Patienten tun können, die krebskranke Angehörige pflegen

Ute Eppinger

Interessenkonflikte

16. Januar 2015

Mehr als jeder dritte Bundesbürger hat nach einer Umfrage der Privaten Krankenversicherung (PKV) einen Pflegefall im persönlichen Umfeld. Erkranken Eltern, Partner oder das eigene Kind an Krebs und werden zum Pflegefall, möchten viele Angehörige bei ihnen sein und die Pflege übernehmen.

2010 sind in Deutschland 477.300 Menschen neu an Krebs erkrankt, so die aktuellen Schätzungen des Zentrums für Krebsregisterdaten (ZfKD). Für 2014 erwarten die Wissenschaftler rund 500.900 neue Krebserkrankungen.

Mit dem Inkrafttreten des neuen Pflegestärkungsgesetzes am 1. Januar 2015 hat der Gesetzgeber wichtige Voraussetzungen geschaffen, die das Pflegen von Angehörigen auch für Berufstätige leichter machen [1]. Für eine optimale Pflege zu Hause können zudem auch Pflegegeld, Mittel für externe Pflegedienste, Aufwendungen für Hilfsmittel oder Mittel zur Anpassung der Wohnverhältnisse bei der Pflegekasse beantragt werden. Einen guten ersten Überblick für pflegende Angehörige bietet dazu das ONKO-Internetportal [2]. Doch wie geht es den pflegenden Angehörigen selbst?

Prof. Dr. Thomas Lichte

Ein Drittel der pflegenden Angehörigen wird selbst krank

Infolge der Pflegebelastung wird ca. ein Drittel der pflegenden Angehörigen krank. Starke emotionale und körperliche Belastungen können für pflegende Ehepartner das Mortalitätsrisiko um bis zu 64% erhöhen. Jedoch: „Die gesundheitliche Lage pflegender Angehöriger ist nicht gut untersucht, es gibt wenig nationale Studien dazu“, so Prof. Dr. Thomas Lichte auf der Tagung „Pflegende Angehörige – Gemeinsam gute Versorgung sichern“.

Die wenigen verfügbaren Daten stammen von Angehörigen, die Demenzkranke pflegen. Sie zeigen: 35% der pflegenden Angehörigen weisen klinisch bedeutsame depressive Symptome auf. Der Wert ist nahezu doppelt so hoch wie in der Allgemeinbevölkerung. Höhere Belastungswerte korrelieren mit höheren Depressionswerten. Weibliche Hauptpflegepersonen zeigen signifikant höhere Depressionswerte als Männer.

Chronischer Stress, möglicherweise durch die häusliche Pflege ausgelöst, kann negativen Einfluss auf das kardiovaskuläre, endokrine und immunologische System haben.Pflegende Angehörige haben deutlich mehr körperliche Beschwerden als der Durchschnitt der Bevölkerung. Überdurchschnittlich häufig ausgeprägte finden sich insbesondere körperliche Erschöpfung (74%), Gliederschmerzen (75%), Herz- (64%) und Magenbeschwerden (60%). Berichtet werden zudem Erkrankungen der Wirbelsäule (44,1%), Bluthochdruck (35,4%), Arthrose, Osteoporose oder Gicht (30,7%) und Schlafstörungen (26%).

Die gesundheitliche Lage pflegender Angehöriger ist nicht gut untersucht, es gibt wenig nationale Studien dazu. Prof. Dr. Thomas Lichte

Eine finanziell instabile Situation kann die möglichen negativen Auswirkungen der Pflegetätigkeit auf die psychische Gesundheit von Pflegenden noch verstärken. „Ein höherer sozioökonomischer Status sowie soziale Unterstützung können Schutzfaktoren in Bezug auf die physische Gesundheit darstellen, allerdings ist die Studienlage nicht eindeutig“, so Lichte.

Checkliste für die Belastbarkeit

Wegen der häufigen Fokussierung auf die Pflegebedürftigen werden pflegende Angehörigen unter Umständen – auch von ihren Hausärzten – nicht als behandlungsbedürftig wahrgenommen. Die S3-Leitlinie „Pflegende Angehörige“ der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) greift die Belastungen pflegender Angehöriger auf. Ziel sei, „die Rolle des Hausarztes und seine Unterstützungsmöglichkeiten gegenüber dem Pflegenden genauer zu spezifizieren“, erklärt Philipp Leson, Sprecher der DEGAM.

Zur ersten Abschätzung des Risikos pflegebedingter körperlicher und seelischer Beeinträchtigungen eignet sich für Hausärzte die „Checkliste für die Belastbarkeit von (potentiellen) pflegenden Angehörigen“:

  • • Ist die körperliche Belastbarkeit ausreichend (besonders LWS- und Kniebereich)

  • • Ist die seelische Stabilität gegeben (keine funktionellen Störungen) und besteht eine feste soziale Integration?

  • • Bestehen Beziehungsprobleme zum Pflegebedürftigen?

  • • Worin liegt die Motivation zur Pflege? (Am günstigsten altruistische Motivation; normative Verpflichtung gelegentlich problematisch; finanzielle Motivation zur Pflege sind eher ungünstig)

Kommentar

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