Auch bei Frauen über 25 wirkt der bivalente HPV-Impfstoff Cervarix® effektiv gegen Humane Papillomviren (HPV) der Genotypen HPV16 und HPV18. Jedoch: Der Vorteil der Impfung ist bei unter 25-Jährigen größer als bei älteren Frauen, so die Zwischenergebnisse der VIVIANE Studie, die vor kurzem im Lancet erschienen sind [1]. Das internationale Autorenteam um Dr. Rachel Skinner von Abteilung für Pädiatrie und Jugendgesundheit an der Universität Sydney hat auch eine Kreuzprotektion gegen die nahe verwandten Typen HPV31 und HPV45 nachgewiesen.

PD Dr. Dr. Angelika Riemer Quelle: Brigitte Engelhardt, DKFZ
Das Problem bei der Impfung von Frauen ab Mitte 20: „Die bestehende HPV-Impfung ist eine reine Schutzimpfung. Trägt eine Person die Viren schon in sich, was mit zunehmendem Lebensalter wahrscheinlicher ist, dann ist die Schutzimpfung unwirksam“, kommentiert PD Dr. Dr. Angelika Riemer, Leiterin der Nachwuchsgruppe Immuntherapie und -prävention am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ), die Ergebnisse gegenüber Medscape Deutschland . Deswegen solle die Vakzinierung bereits erfolgen, bevor es zu sexuellen Kontakten kommt, so Riemer.
Junge Mädchen sind derzeit die Hauptzielgruppe für die prophylaktische HPV-Impfung, die Ständige Impfkommission (STIKO) vom Robert Koch-Institut empfiehlt sie für Mädchen im Alter von 9 bis 14 Jahren. „Es wird sicher in Zukunft keine allgemeine STIKO-Empfehlung geben, auch ältere Frauen zu impfen, denn das macht sowohl epidemiologisch als auch von der Infektionsgeschichte her keinen Sinn“, vermutet Riemer.
HPV – kein kompliziertes Virus aber viele Genotypen
Die vor rund 30 Jahren gemachte Entdeckung, dass eine Virusinfektion Gebärmutterhalskrebs auslöst − Prof. Dr. Harald zur Hausen erhielt 2008 den Nobelpreis für Medizin dafür − legte den Grundstein für die prophylaktischen HPV-Impfungen und für moderne HPV Screening-Strategien.
Inzwischen sind mehr als 120 verschiedene HPV-Typen bekannt von denen einige mit der Entstehung von Karzinomen assoziiert sind. „HPV ist kein kompliziertes Virus, jedoch gibt es viele verschiedene Virustypen, darunter die 20 Hochrisikotypen, die Krebs auslösen können“, erklärt Riemer. Von diesen sei HPV16 bei weitem der wichtigste und für etwa 50% aller Zervixkarzinome und 95% der durch HPV verursachten Krebserkrankungen an anderen Körperstellen verantwortlich, so die Fachärztin für Immunologie und Haut- und Geschlechtskrankheiten.
HPV18 sei am Gebärmutterhals zu 20% an der Krebsentstehung beteiligt. Wenn also gegen die Papillomviren vom Typ 16 und 18 geimpft werde, bedeute dies einen Schutz vor 70% der Infektionen, so Riemer. Aber offenbar schützen die Impfstoffe auch vor anderen Typen als den im Impfstoff enthaltenen. So ist für den Cervarix®-Impfstoff, gerichtet gegen HPV 16 und 18, gezeigt worden, das er auch vor Infektionen durch die nahe verwandten Typen 31 und 45 schützt, dies aber nicht zu 100%. Ein ebenfalls verfügbarer, tetravalenter Impfstoff (Gardasil®) ist zusätzlich gegen die Typen 6 und 11 gerichtet, die Hauptverursacher von Genitalwarzen.
Eine Erweiterung des Profils der Vakzinen ist in vollem Gange: „Ein nonavalenter HPV-Impfstoff, der gegen 9 HPV-Typen schützt, ist gerade in der Entwicklung. Dieser wird wahrscheinlich in Zukunft die jetzigen Impfstoffe ersetzen“, vermutet Riemer.
HPV Impfschutz größer bei jüngeren als bei älteren Frauen
Die doppel-blinde randomisierte und kontrollierte VIVIANE Studie der Phase 3 untersuchte die Wirksamkeit, Sicherheit und Immunogenität des bivalenten HPV 16/18-Impfstoffs (Cervarix®) bei 5.752 gesunden Frauen im Alter über 25 Jahren zwischen Februar 2006 und Dezember 2010. Skinner und Kollegen verteilten die Studienteilnehmerinnen im Verhältnis 1:1 auf die HPV 16/18 Impfgruppe und die Kontrollgruppe, die Placebo erhielt.
Auch erfolgte eine Einteilung nach Alter: Je 45% gehörten der Altersgruppe der 26–35-Jährigen und der 36–45 Jährigen an. 10% waren 46 Jahre oder älter. Bis zu 15% der Frauen jeder Altersgruppe hatten eine Krankheitsgeschichte mit HPV-Infektion oder -Erkrankung. Primärer Endpunkt der Studie war der effektive Schutz vor einer mindestens 6 Monate persistierenden Infektion oder zervikalen intraepithelialen Neoplasie vom Grad 1 oder höher (CIN1-plus-Läsionen (CIN1+), die mit HPV16 oder 18 assoziiert sind.
Danach untersuchten die Forscher alle 6 Monate Zervixabstriche auf HPV-DNA, alle 12 Monate erfolgte eine zytologische Untersuchung. Die Primäranalyse erfolgte in der Kohorte der Frauen, die alle 3 Impf- bzw. Kontrolldosen erhalten hatten, noch nie an HPV erkrankt waren und ein negatives Zytologie-Ergebnis aufwiesen. Die Sekundäranalyse berücksichtigte u.a. einen Impfschutz gegen weitere, nicht im Impfstoff enthaltene onkogene HPV-Typen.
HPV-Impfung jenseits der 25: Auch wirksam, kreuzprotektiv und sicher
Die Ergebnisse im Einzelnen: Nach einer mittleren Nachbeobachtungszeit von 40,3 Monaten betrug die Schutzwirkung in der Gesamtkohorte 81.1%. Probandinnen die die HPV 16/18-Impfung erhalten hatten, wiesen hohe Antikörpertiter für HPV16 und HPV18 auf. In der Gruppe der jüngeren (26–35 jährigen) Frauen war der Impfschutz mit 83,5%, größer als bei den 36–45 Jährigen (77,2%). In der Altersgruppe der über 46-Jährigen gab es keine Fälle von CIN1+ oder persistierender HPV 16/18-Infektion.
Die Forscher dokumentierten außerdem eine signifikante Kreuzprotektion gegen die nah verwandten HPV-Genotypen 31 und 45, bei denen die Schutzwirkung 79.1% bzw. 76.9% betrug.
Die bivalente HPV 16/18 Impfung verursachte zwar vermehrt Lokalreaktionen an der Einstichstelle, aber keine ernsthaften Nebenwirkungen, so die Zwischenergebnisse der VIVIANE Studie. War versehentlich eine Schwangere geimpft worden, ließ der Vergleich der Neugeborenen von geimpften und nicht geimpften Frauen keine Erhöhung der Gesundheitsrisiken erkennen. Allerdings ist eine Schwangerschaft eigentlich eine Kontraindikation.
Das Infektionsrisiko sinkt bei älteren Frauen
„Es gibt viele Menschen die das HP-Virus in sich tragen. Von der Infektion bis zur möglichen Krebsentstehung dauert es zehn bis 15 Jahre“, betont Riemer. Davon seien weniger als 1% der Infizierten betroffen. In 99% aller Infektionen gelingt es dem Immunsystem, die Humanen Papillom-Viren wieder zu eliminieren. Ein positiver PAP-Abstrich oder sogar HPV-DNA-Test sei daher kein Grund zur Panik.
„Der Anteil der Frauen, denen die prophylaktische HPV Impfung zu Gute kommt, sinkt mit dem Alter“, schreiben Prof. Dr. Philip Castle, CEO der Global Coalition Against Cervical Cancer (USA) und Dr. Kathleen Schmeler vom Department of Gynecologic Oncology and Reproductive Medicine an der Universität von Texas in einem begleitenden Kommentar im Lancet [2].
Auch innerhalb der jüngeren Kohorten Nimmt die Effektivität der Impfung mit dem Alter ab, und vermutlich auch der Langzeitschutz vor einer persistierenden HPV Infektion (wie Medscape Deutschland berichtete). Außerdem würden ältere Frauen eher von HPV-Genotypen infiziert, deren malignes Potential weniger gefährlich sei, heißt es in dem Kommentar. Und gegen diese Genotypen schütze derzeit noch keine der verfügbaren HPV-Impfungen. Um eine HPV-Impfung auf ältere Frauen auszudehnen, müsse man auch die damit verbundenen Kosten in Betracht ziehen, so Castle und Schmeler in ihrem Kommentar.
Therapeutischer Impfstoff wird am DKFZ entwickelt
„Wir haben schon mit der Entwicklung eines therapeutischen Impfstoffs begonnen, der den bereits Infizierten helfen soll, bei denen die Infektion nicht durch die körpereigene Immunabwehr verschwindet“, so Riemer. Ziel sei es, das körpereigene Immunsystem so zu stimulieren, dass es die mit dem Virus infizierten Zellen erkennt und abtötet.
Es bestehe immerhin noch ein Zeitfenster von 10 Jahren bis zur eventuellen Krebsentstehung. „Mit Hilfe neuer technischer Methoden wollen wir zuerst nachweisen, welche Viruspartikel auf der Oberfläche von infizierten Zellen für das Immunsystem sichtbar sind, und diese Epitope dann auf eine Immunogenität testen“, verdeutlicht Riemer die geplante Strategie.
Transformationszone am Gebärmutterhals besonders groß
„HPV verursacht nicht nur Gebärmutterhalskrebs, sondern u.a. auch Analkrebs und bestimmte Formen von HNO-Krebs. An allen Körperöffnungen, an denen eine Infektion stattfindet, kann auch Krebs entstehen, und zwar nicht geschlechtsspezifisch“, erklärt Riemer. Das Risiko für Krebsentstehung durch HPV sei an der Transformationszone zwischen Plattenepithel und Zylinderepithel, am größten. Die Transformationszone sei am Gebärmutterhals besonders groß.
„Die prophylaktischen HPV-Schutzimpfungen sind sicher, und man sollte unbedingt alle Kinder durchimpfen, auch die Knaben“, empfiehlt Riemer. In Österreich werden seit letztem Herbst bereits alle Jungen und Mädchen in der letzten Grundschulklasse gegen HPV geimpft. In Anbetracht der sexuellen Übertragung mache es epidemiologisch nur Sinn, beide Geschlechter zu impfen.
„Je besser die Impfung für die Kinder angenommen wird, desto weniger ist eine HPV-Impfung bei älteren Frauen notwendig“, betont Riemer. Ältere Frauen solle man nach persönlichem Abwägen impfen, es sei jedoch zunächst ein DNA-Abstrich zu empfehlen.
„Ist die Patientin nachgewiesen HPV-frei, spricht nichts gegen eine Impfung, die ja ungefährlich ist“, so Riemer. Es sei jedoch wahrscheinlich, dass eine Impfung gar nicht nötig sei, da die Patientin eventuell vor einigen Jahren schon einmal eine HPV Infektion hatte, ihr Immunsystem aber selbst mit der Infektion fertig geworden sei.
REFERENZEN:
1. Skinner R , et al: Lancet 2014;384:2213–27
2. Castle P, et al: Lancet 2014;384:2178–2180
Diesen Artikel so zitieren: HPV-Impfung jenseits von 25? VIVIANE-Studie weist Wirksamkeit bei älteren Frauen nach - Medscape - 15. Jan 2015.
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