
Prof. Dr. Markus Neurath
Die postoperative Therapie auf das Rezidivrisiko abzustimmen, den Zustand der Darmschleimhaut frühzeitig per Koloskopie zu überprüfen und bei Bedarf die Therapie zu verstärken – dies beugt einem postoperativen Rezidiv bei Patienten mit Morbus Crohn besser vor als eine konventionelle medikamentöse Therapie. Dies zeigt eine in Lancet erschienene australische Interventionsstudie [1].
Die meisten Patienten mit Morbus Crohn benötigen irgendwann eine chirurgische Therapie, bei der die entzündeten Darmabschnitte entfernt werden. „Doch danach ist nicht etwa alles gut. Die neuen Studienergebnisse zeigen, dass man nicht lange zuwarten sollte, sondern nach einer gewissen Zeit auch nachschauen muss, ob die Therapie ausreicht, um sie bei Bedarf nach oben anzupassen“, kommentiert der Gastroenterologe Prof. Dr. Markus Neurath im Gespräch mit Medscape Deutschland. Die Frage, wie man nach der Resektion aller sichtbar befallenen Darmabschnitte weiter vorgehen sollte, sei noch nicht gut untersucht, betont der Direktor der Medizinischen Klinik I am Universitätsklinikum Erlangen.
„Es gibt mehrere Studien, die gezeigt haben, dass Therapie besser ist als Nichtstun“, sagt Neurath „Ohne weitere medikamentöse Therapie entstehen bei 70 bis 80% der Patienten nach der Operation im Zeitverlauf erneut endoskopische Veränderungen. Bei etwa einem Drittel kommt es zu einem klinischen Rezidiv“, so Neurath. „Durch eine postoperative Therapie kann das Rezidivrisiko reduziert werden.“
„Früher wurde wie bei der Tumorchirurgie radikal und mit Sicherheitsabständen operiert“, berichtet Neurath. „Dann zeigten kontrollierte Studien, dass diese Vorgehensweise nichts bringt. Deshalb beschränkt man sich heute darauf, nur herauszuschneiden, was makroskopisch deutlich als entzündet erkennbar ist und so viel Darm wie möglich zu erhalten.“
Postoperative Therapie mit Antibiotika
Dr. Peter de Cruz und Kollegen von der University of Melbourne untersuchten Morbus-Crohn-Patienten mit endoskopisch zugänglicher Anastomose, bei denen alle mit bloßem Auge erkennbar veränderten Darmabschnitte entfernt worden waren.
Nach dem operativen Eingriff erhielten deshalb alle 174 Patienten, die de Cruz und Kollegen für ihre Studie rekrutiert hatten, eine 3-monatige Antibiotikatherapie mit Metronidazol. Patienten mit hohem Rezidivrisiko erhielten außerdem ein Thiopurin oder – wenn sie Thiopurine nicht vertrugen – den Anti-TNF-Antikörper Adalimumab.
Weniger Rezidive nach Anpassung der Therapie an Koloskopiebefund
Wie hoch das Rezidivrisiko nach chirurgischer Therapie ist, hängt von verschiedenen Faktoren ab. „Risikofaktoren für ein Rezidiv sind zum einen das Rauchen, zum anderen ein aggressiver, penetrierender oder fistulierender Krankheitsverlauf. Außerdem haben Patienten, die zuvor schon einmal wegen Morbus Crohn operiert wurden, ein höheres Risiko für eine zweite Operation“, erklärte Neurath.
Bei den australischen Patienten wurde randomisiert nach 6 Monaten entweder eine Koloskopie durchgeführt oder nicht. In beiden Gruppen hatten etwa 83% der Patienten ein hohes Rezidivrisiko. Bei einem endoskopischen Rezidiv nach 6 Monaten wurde die Therapie nach oben angepasst, auf Thiopurin, 14-tägig Adalimumab mit Thiopurin oder wöchentlich Adalimumab. Der primäre Endpunkt war ein endoskopisches Rezidiv nach 18 Monaten.
In der Gruppe mit Koloskopie nach 6 Monaten wurde bei 39% der Patienten die Therapie aufgrund des endoskopischen Befundes nach oben angepasst. Nach 18 Monaten hatten in der koloskopierten Gruppe 49% ein endoskopisches Rezidiv. In der Gruppe ohne Koloskopie und entsprechender Therapieanpassung lag die Rezidivrate dagegen bei 67%. Eine vollständig unauffällige Darmschleimhaut wiesen nach 18 Monaten in der koloskopierten Gruppe 22% der Patienten auf, in der Gruppe ohne Koloskopie aber nur 8%.
Auch nach früher Remission weiter überwachen
„Auffallend war auch, dass es in der koloskopierten Gruppe, die nach 6 Monaten eine Therapieanpassung nach oben erhalten hatte, nach 18 Monaten praktisch ebenso viele endoskopische Rezidive gab wie bei den Patienten, die nach 6 Monaten in Remission gewesen waren und die bisherige Therapie fortgeführt hatten“, schreibt der Gastroenterologe Dr. Ashwin Ananthakrishnan vom Massachusetts General Hospital in einem Editorial [2]. Für die Autoren um de Cruz bedeutet dies: „Eine frühe Remission heißt nicht, dass keine Überwachung des Patienten mehr notwendig ist.“
„De Cruz und Kollegen legen überzeugend dar, dass eine aktive Therapiestrategie mit früher koloskopischer Untersuchung bei postoperativen Morbus-Crohn-Patienten zu besseren Ergebnissen führt“, so Ananthakrishnan. Dennoch sei die Rezidivrate von 49% nach 18 Monaten auch in der Koloskopie-Gruppe hoch gewesen.
Hier stelle sich die Frage, ob ein früherer Einsatz von Adalimumab in einer Population von Patienten, die möglicherweise teilweise schon eine Resistenz gegenüber Thiopurinen entwickelt hat, zu einer geringeren Rezidivrate geführt hätte. Kleine Studien und Fallserien deuteten darauf hin, dass der postoperative Einsatz von Biologika die Rezidivrate nach einem Jahr auf bis zu 10% senken könne, ergänzt Ananthakrishnan. Aktiv nach einem Entzündungsrezidiv zu fahnden, bevor klinische Symptome auftreten, sei aber in der postoperativen Situation auf jeden Fall entscheidend.
REFERENZEN:
1. De Cruz P, et al: Lancet (online) 23. Dezember 2014
2. Ananthakrishnan A: Lancet (online) 23. Dezember 2014
Diesen Artikel so zitieren: Welche Kontrollen nach Morbus-Crohn-OP? Früh endoskopisch nach Rezidiven zu fahnden, lohnt - Medscape - 15. Jan 2015.
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