
Prof. Dr. Volker Heinemann
Hamburg – Mit FOLFIRINOX und der Kombination nab-Paclitaxel plus Gemcitabin stehen beim metastasierten Pankreaskarzinom inzwischen 2 Chemotherapie-Protokolle zur Verfügung, für die ein signifikanter Überlebensvorteil nachgewiesen wurde. Inzwischen gibt es auch erste Erfahrungen mit diesen Therapiekonzepten in der Routineversorgung, wie Prof. Dr. Volker Heinemann auf der Jahrestagung der Hämatoonkologen in Hamburg berichtete [1].
Dass im Falle von nab-Paclitaxel plus Gemcitabin auch Patienten mit einem schlechten Performance-Status profitieren, sei in der Therapie des metastasierten Pankreaskarzinoms ein Novum, so der Direktor des Comprehensive Cancer Centers an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Mit der Etablierung von On-Off-Regimes und Dosis-Reduktionen könne man sich in Zukunft sogar noch bessere Ergebnisse erhoffen.
FOLFIRINOX-Schema – aggressiv, aber äußerst effektiv
Die Entwicklung wirksamer Therapien hat sich beim metastasierten Pankreaskarzinom bislang als ein steiniger Weg erwiesen. Nach Einführung der Gemcitabin-Monotherapie in den 90er Jahren wurden verschiedene Kombinationstherapien – auch mit zielgerichteten Medikamenten – geprüft. Es ergab sich hinsichtlich des Gesamtüberlebens jedoch für fast keine Studie ein signifikanter Benefit. Nur die Kombination von Gemcitabin mit dem EGFR-Tyrosinkinaseinhibitor Erlotinib wurde zwischenzeitlich als weitere Therapieoption zugelassen – trotz eines nur geringen Überlebensvorteils gegenüber Gemcitabin alleine.
Einen wirklich signifikanten Überlebensvorteil brachten erst das FOLFIRINOX-Schema, bestehend aus 5-FU, Leucovorin, Irinotecan und Oxaliplatin, und die seit dem Frühjahr 2014 zugelassene Kombination nab-Paclitaxel plus Gemcitabin. „FOLFIRINOX ist momentan sicherlich das aggressivste, aber auch effektivste Chemotherapie-Protokoll, das wir beim metastasierten Pankreaskarzinom einsetzen können“, so Heinemann. Die Gesamtansprechrate in der Original-Studie lag bei 32%, das progressionsfreie Überleben (PFS) bei 6,4 Monate und das Gesamtüberleben bei 11,1 Monate. Die Hazard Ratio (HR) von 0,57 im Vergleich zur Gemcitabin-Monotherapie unterstreicht die große klinische Relevanz des FOLFIRINOX-Schemas.
Dosis-Reduktion nützt älteren und weniger fitten Patienten
Allerdings waren Patienten mit einem reduzierten Allgemeinzustand (ECOG > 1) sowie einem höheren Lebensalter (> 75 Jahre) von der Studie ebenso ausgeschlossen wie Patienten mit einer relevanten Hyperbilirubinämie. „Da fallen erst einmal viele Patienten durch das Raster“, so Heinemann.
Die anfängliche Befürchtung, das Schema käme deshalb im klinischen Alltag nur für einen kleinen Prozentsatz der Betroffenen in Frage, hat sich aber nicht bestätigt. „Wir therapieren mittlerweile rund 30 bis 50 Prozent unserer Patienten mit einem metastasierten Pankreaskarzinom nach dem FOLFIRINOX-Protokoll“, so Heinemann. Möglich sei dies geworden, weil man gelernt habe, auch mit schwierigen Behandlungssituationen umzugehen – insbesondere den unter FOLFIRINOX gehäuft auftretenden Grad3/4-Neutropenien und Diarrhoen.
Älteren, nicht so fitten Patienten verabreicht Heinemann zudem ein reduziertes Regime: „Wir lassen in diesem Fall den 5-FU-Bolus weg und fahren die Intensität der Chemotherapie auf 80 Prozent runter.“ Die Wirkung der Therapie sieht der Experte dadurch nicht beeinträchtigt – denn auch in der Original-Studie habe die durchschnittliche Intensität der verabreichten Zyklen nur in diesem Bereich gelegen.
Eine zweite Variante der FOLFIRINOX-Gabe kommt vornehmlich bei Patienten zum Einsatz, die wegen einer Hyperbilirubinämie mit einem Stent versorgt werden mussten. „Bei diesen beginnen wir mit dem Folfox-Schema und geben Irinotecan – sofern es die Gesamtsituation zulässt –erst im zweiten oder dritten Zyklus dazu“, so Heinemann.
Noch Verbesserungspotenzial bei nab-Paclitaxel plus Gemcitabin
Eine Alternative zu FOLFIRINOX stellt die Therapie mit nab-Paclitaxel plus Gemcitabin dar. Zwar sind die Ergebnisse der Zulassungsstudie MPACT mit einem Gesamtüberleben von 8,5 Monaten und einer HR von 0,72 nicht ganz so gut ausgefallen wie beim FOLFIRINOX-Schema. Man müsse aber berücksichtigen, dass es sich hier – im Gegensatz zur FOLFIRINOX-Studie – um eine große multinationale Studie gehandelt habe. „Da dürfen wir, wenn wir den europäischen Behandlungsstandard zugrunde legen, sicherlich noch überzeugendere Daten erwarten“, so Heinemann.
In der MPACT-Studie sei die Behandlungsdauer mit 3,9 Monaten zudem relativ kurz gewesen. „Verlängert man mithilfe eines On-Off-Regimes den Therapiezeitraum, wird sich das positiv auf die Ergebnisse auswirken“, ist Heinemann überzeugt. Auch die Neuropathie, eine Nebenwirkung, die unter nab-Paclitaxel plus Gemcitabin-Gabe gehäuft auftritt, lasse sich auf diese Weise wahrscheinlich besser in Griff bekommen.
Auch Patienten in schlechtem Allgemeinzustand profitieren
Am bemerkenswertesten für Heinemann ist jedoch die Beobachtung, dass die Therapie mit nab-Paclitaxel plus Gemcitabin bei Patienten mit einem reduzierten Performance-Status mindestens genauso wirksam ist wie bei Patienten in gutem Allgemeinzustand. Dies gelte insbesondere auch für Fälle mit einer ausgedehnten Tumorerkrankung. Selbst bei Patienten mit Lebermetastasen oder multiplen Metastasierungsorten sowie Patienten mit einem hohen CA 19-9-Spiegel sei die Kombination nab-Paclitaxel plus Gemcitabin effektiv.
„Das ist ein Novum“, erklärte Heinemann, „bisher sind wir immer davon ausgegangen, dass eine Kombinations-Chemotherapie am besten funktioniert, wenn die Patienten einen sehr guten Allgemeinzustand aufweisen.“ Diesen für die Behandlung im klinischen Alltag enorm wichtigen Aspekt gelte es nun in weiteren Studien zu erhärten.
REFERENZEN:
Diesen Artikel so zitieren: Neue Chemotherapien gegen Pankreaskrebs: Alltagstauglich und effektiv, selbst bei schlechtem Allgemeinzustand - Medscape - 11. Dez 2014.
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