Ärzte können Internet-Willkür nun stoppen: Falsche Bewertung ist zu löschen

Christian Beneker

Interessenkonflikte

3. Dezember 2014

Die Rache der Schüler ging 2007 durch die Medien. Über das Bewertungsportal „Spick Mich“ konnten Schüler ihre Lehrer in Schulnotenmanier bewerten. Eine Lehrerin klagte gegen den Anbieter wegen der Verletzung ihrer Persönlichkeitsrechte – und verlor. So lange keine Schmähungen und Beleidigungen über sie hereinbrächen, könne man die Lehrer-Benotung nach dem Schulnotensystem nicht als ehrenrührig einstufen, so das Gericht. Ärzte haben es da neuerdings leichter.

 
Vor Gericht hatte Jameda sich auf das ‚Spick-Mich‘-Urteil bezogen aber das Gericht war der Argumentation nicht gefolgt. Dr. Carsten Brennecke
 

Jameda muss falsche Bewertung löschen

Nach dem jüngsten Urteil des Oberlandengerichtes (OLG) München, vor dem ein HNO-Arzt das Bewertungsportal Jameda verklagt hatte, müssen Ärzte nicht alles hinnehmen und ertragen, was in Online-Bewertungsportalen über sie und ihre Arbeit verbreitet wird. „Vor Gericht hatte Jameda sich auf das ‚Spick-Mich‘-Urteil bezogen aber das Gericht war der Argumentation nicht gefolgt“, erklärt der Medienanwalt Dr. Carsten Brennecke von der Anwaltskanzlei Höcker in Köln

„Jameda musste nicht nur die grob falsche und verzerrende Darstellung des Behandlungsablaufs löschen, sondern auch die darauf beruhende schlechte Bewertung seiner Praxis mit den Schulnoten 5 und 6“, heißt es jetzt in einer Meldung der Kanzlei [1]. Die Anwälte halten ferner fest:  „Die Benotung steht und fällt mit der Beschreibung der Behandlung. Und da diese falsch war, musste auch die Benotung entfernt werden.“

Ein Patient hatte geschrieben, der HNO-Kollege hätte sich während eines Hörtests mit der Sprechstundenhilfe unterhalten. Sein Urteil: Die Behandlung sei „kurz“ gewesen, der Arzt „kein guter Arzt“ und die Behandlung sowie Betreuung sei mit 5 oder 6 zu bewerten, also mangelhaft bis ungenügend.

 
Jameda musste nicht nur die grob falsche und verzerrende Darstellung des Behandlungsablaufs löschen, sondern auch die darauf beruhende schlechte Bewertung seiner Praxis. Anwaltskanzlei Höcker
 

Der Arzt konnte nun unter anderem durch Zeugenaussagen belegen, dass er sorgfältig untersucht hatte. „Selbst der Patient hat auf Nachfrage von Jameda eingeräumt, dass seine Bewertung falsch war“, erklärt Brennecke. „Aber Jameda blieb dabei, dass die Beurteilung unter die freie Meinungsäußerung falle.“ Dabei habe das Bewertungsportal übersehen, dass sich die Benotung durch den Patienten auf ein Geschehen bezog, das seinerseits falsch widergegeben wurde und deshalb keine Basis für die schlechte Benotung sein durfte. Ärzte können also in Zukunft auf vollständige Wiedergabe aller Tatsachen in einem Bewertungsportal pochen.

Patienten bleiben im Dunkeln

„Wir haben viele Ärzte unter unseren Mandanten, die sich mit falschen Bewertungen im Internet herumschlagen“, sagt Brennecke zu Medscape Deutschland. So habe eine Hausärztin gegen ein Bewertungsportal geklagt, in dem ein Patient sich über eine angeblich schlechte Untersuchung beschwert hatte. Auch eine Zahnärztin nahm sich einen Anwalt – ein Patient hatte ihre Praxis in einem Bewertungsportal als „nicht kinderfreundlich“ bezeichnet, „obwohl er nachweislich gar nicht mit Kindern in der Praxis war“, so Brennecke.

 
Wir haben viele Ärzte unter unseren Mandanten, die sich mit falschen Bewertungen im Internet herumschlagen. Dr. Carsten Brennecke
 

So viel Klarheit ist selten. Denn die Portale halten die Namen ihrer Kunden unter Verschluss. Wer sich da beschwert, können Ärzte allenfalls erahnen. „Zwar hat schon mal ein Arzt auf die Herausgabe des Namens geklagt, aber erfolglos“, sagt Brennecke. Tatsächlich hat der Bundesgerichtshof im Juli 2014 entschieden, dass eine Übermittlung der Nutzerdaten nicht erlaubt ist [2]. Es wäre gegebenenfalls auch schwer nachzuweisen, wer eigentlich die strittige Bewertung gepostet hat. Wohl oder übel müssen sich die Ärzte also an die Portalbetreiber wie Jameda halten.

Bewertungen haben Folgen

Dass die Zufriedenheitsbefragungen und Bewertungen im Internet wirklich etwas über die Qualität der Praxis aussagen, bezweifelt Corinna Schaefer, Leiterin der Abteilung Patienteninformation/Wissensmanagement beim Ärztlichen Zentrum für Qualität in der Medizin (ÄZQ) von Bundesärztekammer (BÄK) und Kassenärztlicher Bundesvereinigung (KBV). „Die Patienten kommen oft mit einer klaren Erwartungshaltung, zum Beispiel im Hinblick auf eine bestimmte Untersuchung, und bewerten dann schlecht, wenn sie diese Untersuchung nicht bekommen haben“, so Schaefer. „Ihre Bewertung lässt deshalb keine Rückschlüsse auf die medizinische Qualität zu.“

 
Zwar hat schon mal ein Arzt auf die Herausgabe des Namens (eines Bewerters) geklagt, aber erfolglos. Dr. Carsten Brennecke
 

Dessen ungeachtet können die Bewertungen im World Wide Web Folgen haben für die Ärzte. „Das betrifft weniger Allgemeinärzte oder Ärzte in der Grundversorgung als solche mit vielen Privatpatienten“, erklärt Brennecke. Diese Mediziner sind eher auf das Marktgeschehen und ihren Ruf angewiesen. „Zudem gibt es Firmen, die betreiben für ihre Kunden Reputationsmanagement“, sagt Schaefer, „sie posten also gezielt hervorragende Bewertungen. Auch manche Ärzte haben derart positive Bewertungen, da fragt man sich schon, woher die kommen.“

„Indessen sind selbst die Portalbetreiber vorsichtig mit problematischen Arzt-Bewertungen“, erklärt Schaefer. „Denn viele Ärzte haben auf den Portalen so genannte Premiumeinträge gebucht. Das heißt, wenn etwa ihre Fachrichtung gesucht wird, werden sie als erste angezeigt.“ Weil die Portale ihre Kunden nicht verlieren wollen, werde auch manch zweifelhafter Eintrag gelöscht, so Schaefer.

Insgesamt will Schaefer die für Ärzte manchmal verunsichernden Portale nicht in Bausch und Bogen verdammen: „Patienten haben immer schon über Ärzte geredet.“ Und die Bewertungen im Netz sind in der Regel überaus positiv, sie liegen auf einer Skala von 1 (gut) bis 3 (schlecht) zwischen 1,1 und 1,5, so Schaefer . Auch die Stiftung Gesundheit  hat festgestellt, dass rund 80% aller Arzt-Bewertungen im Internet positiv sind.

 

REFERENZEN:

  1. 1. Rechtsanwaltskanzlei Höcker, Düsseldorf: Pressemitteilung „Abkehr des OLG München von der ‚Spick-Mich‘-Entscheidung des BGH“ 17. November 2014

  2. 2. Bundesgerichtshof: Pressemitteilung über die Entscheidung 102/2014, „Kein Anspruch auf Auskunft über Anmeldedaten gegen den Betreiber eines Internetportals“, 1. Juli 2014

 

Kommentar

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