Fast eine halbe Million neue Krebsfälle pro Jahr lassen sich weltweit auf Übergewicht zurückführen. Das ist das Ergebnis einer populationsbasierten Studie von Dr. Melina Arnold, Section of Cancer Surveillance, International Agency for Research on Cancer (IARC), Lyon, Frankreich, und Kollegen, die jetzt in The Lancet Oncology erschienen ist. Rund 64% dieser Krebserkrankungen werden in Nordamerika und Europa diagnostiziert.
Die Wissenschaftler kommen außerdem zu dem Schluss, dass im Jahr 2012 ein Viertel dieser Krebsfälle auf den seit 1982 weltweit steigenden durchschnittlichen Body-Mass-Index (BMI) zurückzuführen sind. Damit waren insgesamt 118.000 Fälle „realistischerweise vermeidbar“, so die Autoren.
Mehr Frauen als Männer betroffen
Ihre Berechnungen basieren auf verschiedenen Quellen, darunter der Datenbank des GLOBOCAN-Projektes. Dieses Projekt des International Agency for Research on Cancer (IARC) ermittelt regelmäßig Inzidenz, Mortalität und Prävalenz der wichtigsten Krebsarten in 184 Ländern.
Die Forschergruppe hatte BMI-Daten aus 12 geographischen Regionen der Erde aus dem Jahr 2002 mit Daten zu Inzidenz und Mortalität von insgesamt 27 Krebsarten im Jahr 2012 verglichen. Die Autoren waren von der Annahme ausgegangen, dass es rund 10 Jahre dauert, bis sich ein aus Übergewicht resultierendes Karzinom entwickelt. Dabei gingen sie von einem kausalen Zusammenhang zwischen einem erhöhten BMI und dem Auftreten der Krebserkrankung aus.
Die häufigsten durch erhöhtes Körpergewicht ausgelösten Krebsarten sind der Studie zufolge Speiseröhren-, Darm-, Nieren-, Bauchspeicheldrüsen-, Brust-, Gebärmutter-, Eierstock- und Gallenblasenkrebs.
Es zeigte sich, dass mehr Frauen als Männer unter Krebs aufgrund von Übergewicht leiden, was sich vor allem auf Endometriumkarzinome und post-menopausalen Brustkrebs zurückführen lässt. Drei Viertel aller untersuchten Krebsfälle bei Frauen waren Endometriumkarzinome, Brustkrebs nach der Menopause sowie Darmkrebs, betroffen waren etwa 250.000 Frauen. Männer hingegen litten vor allem unter Darm- und Nierenkrebs, die zwei Drittel aller Fälle ausmachten – das entspricht insgesamt rund 90.000 Patienten.
Bei 5,4% aller neuen Krebsfälle unter Frauen – das entspricht 345.000 Patientinnen – war Übergewicht der Auslöser. Bei Männern war Übergewicht nur für 1,9% der Fälle die Ursache (136.000 Patienten). Diese Unterschiede könnten sich durch die andersartige Fettverteilung bei Männern und Frauen erklären lassen.
Mehr Krebsfälle in reicheren Ländern
Generell war in Ländern mit hohen und sehr hohen Einkommen die Zahl der Krebsfälle höher. In Nordamerika ließen sich im untersuchten Zeitraum 3,5% aller Neuerkrankungen bei Männern und 9,4% bei Frauen auf einen erhöhten BMI zurückführen. In Asien und Subsahara-Afrika waren es je nach Region zwischen 0,4% bis 0,9% der Fälle bei Männern und 1,7% bis 3,0% bei Frauen.
Nordamerika ist mit 23% zudem die Region mit den weltweit höchsten Raten an mit Übergewicht assoziierten Krebserkrankungen. Die Subsahara steht mit 1,5% an letzter Stelle der Liste. In Europa ist vor allem der Osten betroffen. Dort waren 33,8% aller neuen Krebsfälle mit einem erhöhten BMI verbunden.
Die Zahlen in Relation sehen
„Unsere Studienergebnisse zeigen einmal mehr, wie wichtig globale Anstrengungen sind, um dem zunehmenden Problem des Übergewichts zu begegnen“, schlussfolgern Arnold und Kollegen. „Sollte der Trend des zunehmenden Übergewichts bei Erwachsenen anhalten, wird sich in Zukunft auch die Zahl der Krebserkrankungen entsprechend erhöhen, insbesondere in Südamerika und Nordafrika, wo Übergewicht in den letzten 30 Jahren am stärksten zugenommen hat.“
Die Prävalenz von Fettleibigkeit schwankt zwischen 10% in einigen asiatischen und afrikanischen Ländern und 90% auf pazifischen Inseln wie Cook Islands und Nauru. Der Anstieg des durchschnittlichen BMI hat sich in den vergangenen Jahren allerdings in einigen europäischen Ländern und den USA verlangsamt.
In einem in derselben Ausgabe erschienenen Kommentar von Dr. Benjamin Cairns, University of Oxford, Großbritannien, weist dieser darauf hin, dass zwar 3,6% aller Krebsarten mit Übergewicht zusammenhängen, was 481.000 Krebsfällen gleichkomme. „Diese Zahl ist allerdings so groß, weil die Weltbevölkerung entsprechend groß ist“, relativiert er. Und mit Blick auf die Finanzen: „Die globalen finanziellen Ressourcen für die Krebsprävention sind nicht sehr groß. Daher muss die Bekämpfung von Übergewicht abgewogen werden gegen die Bekämpfung anderer wichtiger Ursachen für Krebs, insbesondere Infektionen und Tabakkonsum. Diese sind mit einer sehr viel höheren Zahl an Krebsfällen assoziiert.“
REFERENZEN:
Diesen Artikel so zitieren: Tumor als Adipositas-Folge: Rund eine halbe Million Krebsfälle weltweit durch Übergewicht - Medscape - 28. Nov 2014.
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