Besser geht's doch – In der IMPROVE-IT-Studie senkt Ezetimib die kardiovaskuläre Ereignisrate

Sonja Böhm

Interessenkonflikte

18. November 2014

Chicago – Es funktioniert also doch! Was viele bezweifelt hatten – und bisher in keiner großen klinischen Studie gelungen war – hat Ezetimib (Ezetrol®, MSD) nun geschafft: Der Cholesterinresorptionshemmer ist das erste Nicht-Statin, das über eine zusätzliche Senkung des LDL-Cholesterins die kardiovaskuläre Ereignisrate bei Hochrisiko-Patienten signifikant reduziert hat. Vorgestellt wurden die – bislang nicht publizierten – Ergebnisse der IMPROVE-IT(IMProved Reduction of Outcomes. Vytorin Efficacy International Trial)-Studie bei den Late Breaking Trials gestern während des Kongresses der American Heart Association (AHA) in Chicago [1].

Bedeutung der aggressiven Lipidsenkung in der Sekundärprävention bestätigt

Die Resultate … weisen sogar darauf hin, dass wir die LDL-Latte bei unseren Hochrisiko-Patienten noch niedriger anlegen müssen, um einen maximalen Schutz vor erneuten Infarkten und Schlaganfällen zu erzielen. AHA-Statement zur Studie

Jedoch geht die Bedeutung der Studie weit über den Beweis des klinischen Nutzens von Ezetimib hinaus, betonten US-Kardiologen bei der Pressekonferenz, auf der die Daten präsentiert wurden. Denn IMPROVE-IT bestätigt eindeutig das „The lower, the better“-Prinzip für die LDL-Senkung – und dies selbst über die bisher in den Leitlinien festgelegten niedrigen Grenzwerte hinaus.

„Die Resultate bestätigen die zentrale Rolle der aggressiven LDL Senkung für die Sekundärprävention kardiovaskulärer Erkrankungen. Sie weisen sogar darauf hin, dass wir die LDL-Latte bei unseren Hochrisiko-Patienten noch niedriger anlegen müssen, um einen maximalen Schutz vor erneuten Infarkten und Schlaganfällen zu erzielen“, heißt es in einem aktuellen AHA-Statement zur Studie.  

Lange genug hat es gedauert: Über 9 Jahre lief die Studie. Sie umfasste mehr als 18.000 Patienten mit einem akuten Koronarereignis (ACS), also einem ST-Hebungsinfarkt (STEMI), Nicht-ST-Hebungsinfarkt (NSTEMI) oder instabiler Angina pectoris. Die Teilnehmer waren im Schnitt 64 Jahre alt und gehörten aufgrund zusätzlicher Risikofaktoren zu einer absoluten Hochrisiko-Population. Innerhalb der ersten 10 Tage nach dem ACS wurden sie randomisiert und erhielten entweder nur Simvastatin (40 mg/Tag, das bei Bedarf auftitriert werden konnte) oder zusätzlich zu dem Statin noch Ezetimib in einer Dosis von 10 mg.

Die Studie zeigt, dass 70 mg/dl noch nicht das definitive Ziel sind, unter dem dann nichts mehr geht. Prof. Dr. Karol Watson

Bemerkenswert: Bereits ausgangs betrug das mittlere LDL-Cholesterin der Studienteilnehmer nur 95 mg/dl – es nahm auf im Schnitt 69,5 mg/dl unter Statin-Monotherapie und sogar auf 53,7 mg/dl in der Kombination mit Ezetimib ab. Dieser Unterschied bedingte schließlich – bei einer durchschnittlichen Beobachtungszeit von 6 Jahren – einen signifikanten Unterschied im primären Endpunkt der Studie von relativ knapp 7% (HR 0,936; 95%-KI 0,887–0,988; p = 0,016). Der primäre Endpunkt der Studie war eine Kombination von kardiovaskulärem Tod, Herzinfarkt, Hospitalisierung wegen instabiler Angina pectoris, koronarer Revaskularisierung und Schlaganfall.

Eine NNT von 50 – über sieben Jahre – um einen Infarkt oder Schlaganfall zu verhindern

Prof. Dr. Christopher Cannon

Wie Prof. Dr. Christopher Cannon, Brigham and Women’s Hospital, Boston, Massachusetts, bei einer Pressekonferenz in Chicago berichtete, verhinderte die stärkere LDL-Cholesterinsenkung mit Ezetimib vor allem Herzinfarkte und Schlaganfälle: Beide Endpunkte wurden jeweils um 14% reduziert, ischämische Schlaganfälle um 21%. Er machte anhand der Daten folgende Rechnung auf: „Wenn man 100 Patienten wie in der Studie über sieben Jahre zusätzlich mit Ezetimib behandelt, verhindert man so bei zirka zweien einen Myokardinfarkt oder Schlaganfall. Das entspricht einer Number Needed to Treat (NNT) von 50.”     

Das heißt nicht, dass jeder jetzt Ezetimib braucht. Prof. Dr. Neil Stone

„Wir haben diese Patienten von einem klinisch geeigneten Ziel-LDL-Cholesterin zu sogar noch niedrigeren Werten gebracht”, betonte Cannon, „und haben nun solide Evidenz, dass noch niedriger auch noch besser ist.“ Gleichzeitig so berichtete er, sei die Rate an unerwünschten Effekten in der mit Ezetimib zusätzlich behandelten Gruppe nicht erhöht gewesen. Das galt für Leberenzymerhöhungen ebenso wie für Muskelbeschwerden oder Krebserkrankungen.

Drei wichtige Ergebnisse habe die Studie erbracht, sagte der Kardiologe, der zur Studienleitung gehört:
  • • „Wir haben zum ersten Mal gezeigt, dass sich die kardiovaskuläre Ereignisrate senken lässt, wenn man ein Nicht-Statin zusätzlich gibt.“

  • • „Aus ‚niedriger ist besser‘ (the lower, the better) ist nun ‚noch niedriger ist noch besser‘ (even lower is even better) geworden.“

  • • Und: „Wir haben die Sicherheit der Behandlung mit Ezetimib bestätigt.“

Prof. Dr. Neil Stone

Sind die aktuellen US-Leitlinien damit nun passé?

Brisant ist die Studie vor dem Hintergrund, dass das American College of Cardiology (ACC) und die AHA in den USA im vergangenen Jahr neue Cholesterin-Leitlinien publiziert haben, in denen erstmals auf die Formulierung konkreter Zielwerte verzichtet worden war. Müssen nach IMPROVE-IT nicht diese Zielwerte wieder aufgenommen und für Hochrisiko-Patienten besonders niedrig festgesetzt werden? So lautete denn auch eine Frage bei der Pressekonferenz. Der Hauptautor der Leitlinien, Prof. Dr. Neil Stone, Northwestern University School of Medicine, Chicago, Illinois, war als Kommentator der IMPROVE-IT-Studie geladen und räumte ein, dass die Studie sicher in die Leitlinien einfließen werde. „Die Studie bestätigt die zentrale Rolle der LDL-Senkung“, sagte auch er.

Prof. Dr. Karol Watson

Ein wichtiger Aspekt sei, dass beide Vergleichsgruppen in IMPROVE-IT ein mittleres LDL-Cholesterin unter 70 mg/dl erreicht hätten – also unterhalb des in USA nicht mehr existenten Zielwertes für diese Hochrisiko-Patienten. Stone: „Es war bislang nicht gesichert, dass eine noch weitere Senkung noch besser ist – jetzt wissen wir dies.“ Prof. Dr. Karol Watson, David Geffen School of Medicine at UCLA, Los Angeles, Kalifornien, und ebenfalls Mitautorin der aktuellen US-Leitlinien, betonte: „Die Studie zeigt, dass 70 mg/dl noch nicht das definitive Ziel sind, unter dem dann nichts mehr geht.“ Sie warnte aber – ebenso wie Stone – davor, die Studienergebnisse einfach auf andere Populationen mit niedrigerem Risiko zu übertragen. Stone: „Das heißt nicht, dass jeder jetzt Ezetimib braucht.“ Bei einer Patientenpopulation mit niedrigerem Risiko seien Nutzen und Gefahren einer Therapie ganz anders abzuwägen, unterstrich Watson.

Die Studie ebnet den Weg für potente Lipidsenker wie die PCKS9-Hemmer

Dieses Studienergebnis ebnet den Weg für die stärker wirksamen Cholesterinsenker wie die PCKS9-Inhibitoren. Prof. Dr. Steven Nissen

Studienautor Cannon sieht dies nicht ganz so eng: „Wir wissen nun zumindest definitiv, dass Ezetimib das kardiovaskuläre Risiko senken kann“, betonte er. Der US-Kardiologe Prof. Dr. Steven Nissen, Cleveland Klinik, Ohio, der nicht an der Studie beteiligt war, zeigte sich sehr überrascht von dem Ergebnis. „Ich hätte das nicht erwartet“, sagte er gegenüber Medscape Deutschland. „Noch dazu, da es sich bei Ezetimib um einen relativ schwachen Cholesterinsenker handelt.“ Trotzdem habe in der Studie die leichte zusätzliche LDL-Cholesterinsenkung in Bereichen, die bereits unter dem bisherigen Zielwert lagen, noch einen zusätzlichen Benefit gebracht. „Dieses Studienergebnis ebnet den Weg für die stärker wirksamen Cholesterinsenker wie die PCKS9-Inhibitoren“, zeigte sich Nissen überzeugt.

REFERENZEN:

  1. 1. American Heart Association (AHA) Scientific Sessions 15. bis 19. November 2014, Chicago, USA - LBCT.02 Anti-Lipid Therapy and Prevention of CAD

Kommentar

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