Bei akuten Infektionen der Atemwege verordnen Ärzte häufig Antibiotika. Ein Schnelltest auf das C-reaktive Protein (CRP) könnte bei der Entscheidung helfen, ob ein Antibiotikum wirklich notwendig ist – und so die Verordnungsrate senken. Darauf jedenfalls deuten die Ergebnisse eines Cochrane-Reviews hin [1].
„Speziell bei der Indikation akute Bronchitis werden nach wie vor zu viele Antibiotika verschrieben“, bestätigt Prof. Dr. Gerd Fätkenheuer, Leiter der Infektiologie am Universitätsklinikum Köln. Auch er hält CRP-Tests für ein probates Mittel, um eine zuverlässige Therapieentscheidung treffen zu können. Denn bei bakteriellen Entzündungen steigt der CRP-Wert schon innerhalb weniger Stunden, bei Viruserkrankungen fällt der Anstieg dagegen deutlich geringer aus.
„Niedrige CRP-Level können eine ernste bakterielle Infektion effektiv ausschließen“, ist denn auch der Leiter der aktuellen Studie Dr. Rune Aabenhus von der Abteilung für Public Health an der Universität Kopenhagen, Dänemark, überzeugt.
Review zeigt Nutzen des CRP-Tests
Aabenhus und Kollegen haben die Daten aus 6 Studien (3 randomisierte kontrollierte Studien, RCT, und 3 Cluster-randomisierte Studien) mit 3.284 überwiegend erwachsenen Patienten mit akuten Atemwegsinfektionen analysiert. Bei den Patienten waren teilweise CRP-Tests vorgenommen worden. Insgesamt wurden 631 der 1.685 Patienten, bei denen CRP gemessen wurde, Antibiotika verordnet worden. Im Vergleich dazu erhielten 785 Patienten von 1.599 Patienten, bei denen nicht getestet worden war, ein Antibiotikum. Damit war die Antibiotika-Verordnungsrate in der CRP-Gruppe um 22% geringer.
Allerdings variierten abhängig vom Studiendesign die Ergebnisse erheblich zwischen den Studien. Bei den RCTs (n = 1.309) war die Reduktion nicht so deutlich (RR: 0,90; 95%-KI: 0,80-1,02), bei den Cluster-randomisierten Studien dagegen war der Effekt deutlicher (RR: 0,68; 95%-KI: 0,61-0,75). Der gepoolte Effekt (RR: 0,78; 95%-KI: 0,66-0,92) sei deshalb nicht allzu aussagekräftig, warnt Aabenhus.
Antibiotika-Verordnung „vorsichtshalber“ fördert Resistenzen
In einer der Studien – dies allerdings bei geringer Fallzahl – beobachteten Aabenhus und Kollegen, dass Patienten, die auf CRP getestet worden waren, im Lauf ihrer Erkrankung häufiger in eine Klinik eingewiesen wurden. „Das würde ich nicht überbewerten, bei so kleinen Zahlen kann es sich um Zufallsbefunde handeln“, erklärt Fätkenheuer im Gespräch mit Medscape Deutschland. Die Hospitalisierungen könnten auch widerspiegeln, dass diese Patienten kränker waren und deshalb die behandelnden Ärzte sie bei entsprechenden Werten eher in eine Klinik einwiesen.
„Die meisten Patienten, die mit akuten Atemwegsinfektionen ihren Arzt aufsuchen, leiden an viralen Infektionen, also an einer gewöhnlichen Erkältung. Weil Ärzte aber keine direkte Methode haben, um herauszufinden, ob eine Infektion bakteriell oder viral bedingt ist, verordnen sie diesen Patienten zur Sicherheit Antibiotika“, moniert Studienautor Aabenhus. Der zu häufige (unnötige) Einsatz von Antibiotika fördere aber die Entwicklung von Resistenzen bei den Bakterien. Resistente Keime sind weltweit auf dem Vormarsch, wie die WHO in ihrem ersten globalen Bericht warnt.
Weniger Verordnungen bislang nur bei den Pädiatern
Nach neuen Daten aus den USA erhalten 70 bis 80% der Patienten mit einer Erkrankung der oberen Atemwege ein Antibiotikum, berichtet Fätkenheuer. Ähnliche Daten aus Deutschland gibt es nicht. Doch nach Zahlen des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (ZI) erhielten im Jahr 2012 31,5% der gesetzlich versicherten Patienten mindestens einmal ein Antibiotikum. Nach einer Studie der DAK-Gesundheit waren fast 30% der Antibiotika-Verordnungen im Jahr 2013 fragwürdig (Medscape Deutschland berichtete).
Zwar schneide Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern in Europa bei den Antibiotikaverordnungen noch vergleichsweise gut ab, „doch ein Großteil der Verschreibungen bei akuter Bronchitis ist unnötig“, betont auch Fätkenheuer.
Bei den Pädiatern immerhin scheint sich ein Umdenken abzuzeichnen. Wie eine ZI-Studie jetzt bestätigen konnte, verordnen Kinderärzte inzwischen weniger Antibiotika. Unter der Leitung von Dr. Jörg Bätzing-Feigenbaum haben die Wissenschaftler bundesweit Arzneiverordnungsdaten der Jahre 2008 bis 2012 für Kinder und Erwachsene ausgewertet: Bei den bis zu 14-Jährigen wurde dabei bundesweit ein jährlicher Rückgang von verordneten Packungen (um 4,5%) bzw. der definierten Tagesdosen (um 7,3%) festgestellt. Auch bei den Älteren ab 70 Jahren gingen die Verordnungen leicht zurück.
Jedoch: „Für die große Gruppe der 15- bis 69-Jährigen kann weder auf Bundesebene noch für einzelne KV-Bereiche ein signifikanter Rückgang von Antibiotikaverordnungen festgestellt werden“, schreiben Bätzing-Feigenbaum und Kollegen.
CRP – keine Generallösung, aber hilfreich für die Therapieentscheidung
Fätkenheuers Erfahrung nach wird das Verordnungsverhalten vor allem von 2 Aspekten beeinflusst: Manchmal sei der Arzt unsicher, ob es sich um eine virale Infektion handelt oder ob sich schon eine bakterielle Infektion entwickle. Hinzu komme, dass manche Patienten ein Antibiotikum fordern. „Eine Generallösung ist ein CRP-Test zwar nicht, aber er kann in beiden Situationen hilfreich sein, die richtige Therapieentscheidung zu treffen.“ Er gibt jedoch zu bedenken:„In dem Review wurden keine Grenzwerte beschrieben, ab denen ein Antibiotikum sinnvoll ist. Das bleibt eine Grauzone und müsste definiert werden.“
Da ein CRP-Test nicht aufwendig ist und die Ergebnisse in wenigen Minuten vorliegen, ließe er sich auch gut in den Praxisalltag integrieren. Zur Blutentnahme genügt ein kleiner Stich in den Finger. Die Untersuchung kann deshalb auch bei Kindern oder älteren Leuten problemlos vorgenommen und, falls notwendig, mehrfach wiederholt werden.
Roland Stahl, Sprecher der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) stellt klar, dass der CRP-Test nicht „gedeckelt“ ist: „Natürlich sollte der Arzt auf das Gebot der Wirtschaftlichkeit achten, es muss aber nicht jedes Mal eine Begründung gegenüber der Kasse erfolgen.“ Stahl rät dazu im Einzelfall und im individuellen Kontext zu entscheiden, ob der Test eingesetzt werden sollte.
REFERENZEN
Diesen Artikel so zitieren: Akute Atemwegsinfektion: Schnelltest auf CRP könnte Antibiotika-Verordnungen reduzieren - Medscape - 10. Nov 2014.
Kommentar