Von Spendern nach Herz-Kreislaufstillstand – drei Herzen erfolgreich transplantiert

Axel Viola

Interessenkonflikte

6. November 2014

Interessante Nachrichten aus Australien: Dort sind weltweit erstmals an 3 Patienten Herzen von Spendern verpflanzt worden, die an Herz-Kreislaufversagen gestorben waren. Möglich wurden diese Transplantationen dank einer speziellen Transfusionsbox, in der die Spenderherzen über einen längeren Zeitraum gelagert und transportiert werden können, erklärt das Hersteller-Unternehmen TransMedics in einer Pressemitteilung [1].

Die Transplantationen waren am St. Vincent's Hospital in Sydney, Australien vorgenommen worden. Wie die Ärzte des Krankenhauses berichten, haben sich die Patienten inzwischen sehr gut erholt. In der als Organ Care System (OCS™) bezeichneten Box wird das Spenderherz mit körperwarmem, oxygeniertem Blut durch eine Pumpe perfundiert. Mit diesem Verfahren soll die Funktion des Herzens auch außerhalb des Körpers annähernd in einem physiologischen Zustand erhalten bleiben und überwacht werden können. In Australien erhofft man sich, mit dem OCS™ mehr Spenderherzen zu erhalten, weil auch Organe von potenziellen Spendern genutzt werden können, deren Blutkreislauf bereits zum Erliegen gekommen ist.

Prof. Dr. Dr. Hermann Reichenspurner

Diese Möglichkeit, die potenzielle Spenderklientel zur erweitern, wird es auf absehbare Zeit in Deutschland allerdings nicht geben, wie Prof. Dr. Dr. Hermann Reichenspurner, Herzchirurg am Universitären Herzzentrum Hamburg und Präsident der International Society for Heart and Lung Transplantation (ISHLT), im Gespräch mit Medscape Deutschland verdeutlicht. Denn in Deutschland dürfen nur Organe von hirntoten Patienten transplantiert werden, deren Kreislauf noch intakt ist.

„Der ursprüngliche Sinn und Zwecks des OCS™ liegt eher in der Überbrückung von langen Transportzeiten“, erklärt Reichenspurner. Dies sei vor allem für Länder wie die USA oder Australien von großem Interesse, weil dort wegen der großen Distanzen mit Transportzeiten für Spenderorgane von 4 bis 5 Stunden gerechnet werden müsse. Mit der immer noch üblichen Kaltlagerung zum Transport von Spenderorganen auf Eis sind nach Aussage von Reichenspurner allerdings nur Zeiten von 2 bis 3 Stunden zu überbrücken. Danach kommt es am Spenderherz zu gravierenden Schäden, die eine Transplantation verbieten. Solche langen Wege fallen in Deutschland jedoch nicht an.

Einsatz in Deutschland – weniger Zeitdruck während der Operation

 
Der ursprüngliche Sinn und Zwecks des OCS™ liegt eher in der Überbrückung von langen Transportzeiten. Prof. Dr. Hermann Reichenspurner
 

Dennoch sei das OCS™ in Deutschland im Zuge einer Registerstudie an 8 Transplantationszentren bereits etwa 100-mal zum Einsatz gekommen [2]. „Das System wird auch bei uns in Hamburg in ganz bestimmten Fällen eingesetzt – und zwar dann, wenn die sauerstoffarme Zeit des Spenderherzens nicht gut einzuschätzen ist“, berichtet der Herzchirurg. Dies sei beispielsweise bei Transplantationspatienten der Fall, die ein Kunstherzsystem implantiert hatten.

In diesen Fällen sei die Operation komplex, weil erst das Kunstherz entfernt werden müsse, bevor das Spenderorgan eingenäht werden könne. „Die Zeit, wie lange es braucht, um das Kunstherz zu entfernen, ist schwer zu kalkulieren“, sagt Reichenspurner. Durch den Einsatz von Transfusionssystemen wie OCS™ würde der Zeitdruck während der Operation genommen, weil das Spenderherz länger extrakorporal gelagert werden könne, ohne Schaden zu nehmen. „Das ist eine der Hauptindikationen, warum das System in Deutschland eingesetzt wird.“

Gesetzliche Änderungen in Deutschland nicht absehbar

Die ersten Erfahrungen in Australien mit dem OCS™ sind ermutigend, um Herzen von Patienten mit Herz-Kreislaufstillstand für eine Transplantation nutzbar zu halten. Trotzdem geht Reichenspurner nicht davon aus, dass an der gültigen gesetzlichen Regelung in Deutschland grundlegende Änderungen durchzusetzen sind.

 
Das System wird auch bei uns in Hamburg in ganz bestimmten Fällen eingesetzt. Prof. Dr. Hermann Reichenspurner
 

Versuche, wie etwa die in Österreich geltende Widerspruchsregelung zu adaptieren, seien von der Politik rundweg abgelehnt worden. Auch sei über die Entnahme von Organen von Kreislauftoten in Deutschland kaum zu diskutieren – vor dem Hintergrund der deutschen Vergangenheit. „Wann ist ein Patient mit Herzkreislaufversagen wirklich tot? Und wann sind dann die Voraussetzungen für eine Organspende wirklich gegeben? Diese Definitionen sind im Vergleich zur Definition des Hirntodes viel schwammiger“, gibt sich Reichenspurner keinen Illusionen hin, eine weiter reichende Regelung als die jetzt gültige in einem absehbaren Zeitraum durchsetzen zu können.

Dabei ist der Bedarf an Spenderorganen vor allem an Herzen unverändert hoch bzw. sogar zunehmend. „Nach einer Maximalzahl von 526 Herztransplantationen im Jahr 1998 haben wir in 2013 nur noch ein Niveau von 301 Herztransplantationen erreicht“, beklagt der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie (DGTHG), Prof. Dr. Jochen Cremer. Dabei sei die Transplantation für viele Patienten in ihrer Erkrankungssituation „ein alternativloses Therapieverfahren“.

„Die Erfolge, die mit einer Herztransplantation erreicht werden können, lassen sich mit keinem Kunstherz erreichen“, unterstreicht Cremer die Bedeutung von Organspenden.

 

REFERENZEN:

  1. 1. Pressemitteilung der TransMedics Inc. vom 24.10.2014

  2. 2. Mitteilung des GKV-Spitzenverbands, online, Stand 21.6.2012: „Organ Care System“

 

Kommentar

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