Der plötzliche Herztod von Sportlern schockiert immer wieder: Wenn scheinbar gesunde junge Menschen beim Wettkampf plötzlich zusammenbrechen, ist das tragisch. Ob man es verhindern könnte, darüber streiten Kardiologen schon länger. In den USA wird derzeit diskutiert, junge Menschen im Alter zwischen 12 und 25 Jahren grundsätzlich auf angeborene Herzerkrankungen zu untersuchen.
In einer aktuellen Stellungnahme raten die beiden US-amerikanischen Fachgesellschaften für Kardiologie davon ab, im Rahmen einer solchen Screening-Untersuchung ein Ruhe-EKG zu schreiben [1]. Diese Untersuchung berge ein zu hohes Risiko für falsch positive Befunde und würde ein allgemeines Screening zu teuer machen, heißt es von der American Heart Association (AHA) und dem American College of Cardiology (ACC). Stattdessen sollten Ärzte junge Leute anhand einer 14-Punkte-Checkliste auf unerkannte Herzerkrankungen prüfen.

Prof. Dr. Ellen Hoffmann
Kompetitiver Sport in Deutschland weit weniger verbreitet
„In der Stellungnahme von AHA und ACC geht es um die Anwendung eines 12-Kanal-Ruhe-EKGs als Suchtest für angeborene Herzerkrankungen bei Jugendlichen aus der US-Gesamtgesellschaft“, erklärt Prof. Dr. Ellen Hoffmann gegenüber Medscape Deutschland. Das müsse man jedoch vor dem Hintergrund der andersartigen Verhältnisse sehen, wie junge Menschen in den USA Sport treiben, betont sie. Ein allgemeines Screening stehe bei uns gar nicht erst zur Debatte.
„Die Situation in Deutschland unterscheidet sich von den amerikanischen Gegebenheiten. In den USA ist Sport an den Colleges sehr stark als Wettkampfsport ausgelegt und zudem weit verbreitet. In Deutschland findet Wettkampfsport vor allem in Vereinen statt und wird von viel weniger Menschen betrieben. Deshalb ist der Screening-Bedarf in den USA höher als in Deutschland“, ergänzt die Chefärztin der Klinik für Kardiologie und Internistische Intensivmedizin am Klinikum Bogenhausen.
Hierzulande ist zwar jeder Dritte bis Vierte Mitglied in einem Sportverein, Wettkampf- und Leistungssport betreiben aber sehr viel weniger Menschen. Und auch der Schul- und Universitätssport ist weit weniger kompetitiv angelegt als in den USA. Es sei aber auf jeden Fall sinnvoll, Sportler, die an Wettkämpfen teilnehmen, vorsorglich zu untersuchen, ergänzt Hoffmann.
Viele Vereine in Deutschland fordern von ihren Sportlern für die Teilnahme an Wettkämpfen regelmäßige sportärztliche Vorsorgeuntersuchungen. Sie folgen damit den Empfehlungen der Studiengruppe Sportkardiologie der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie sowie der Deutschen Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention (DGSP).
Die meisten der angeborenen Herzerkrankungen, die zum plötzlichen Herztod führen können, sind sehr selten und betreffen weniger als 1% der Bevölkerung. Die pathologischen Ursachen sind vielfältig. Dazu gehören etwa Ionenkanalerkrankungen (z.B. Long-QT-Syndrom), strukturelle Herzmuskelerkrankungen (z.B. hypertrophe Kardiomyopathie) oder, als angeborene Erkrankung, zusätzliche Leitungsbahnen (WPW-Syndrom). Außerdem prädisponieren erworbene Erkrankungen wie Herzmuskelentzündungen für Herzrhythmusstörungen und somit auch für den plötzlichen Herztod.
Ruhe-EKG obligat für die sportmedizinische Vorsorge
„Zur Basis-Vorsorgeuntersuchung für Wettkampfsportler gehört in Deutschland neben der ausführlichen Erhebung der Krankengeschichte des Sportlers und der Familienanamnese sowie der körperlichen Untersuchung obligat auch ein Ruhe-EKG“, berichtet Hoffmann. Zwar könnten damit nicht alle Erkrankungen erkannt werden und in etwa 5% der Fälle komme es zu falsch positiven Befunden, stimmt die deutsche Expertin ihren amerikanischen Kollegen zu. Dennoch: Immerhin werde bei jedem 150. Sportler im EKG eine ernstzunehmende Erkrankung entdeckt.
Die Kosten für ein generelles Screening-Programm schätzen die US-Kardiologen auf 2 Milliarden US-Dollar jährlich. Aber eine solche flächendeckende Untersuchung steht in Deutschland ohnehin nicht zur Debatte Die wenigen Sportler, die auf Wettkampfniveau trainieren, könnten notfalls die Kosten auch selbst tragen, meinte Hoffmann: „Ein Ruhe-EKG kostet circa 25 Euro. Wenn man bedenkt, wieviel Sportler für ihr Equipment ausgeben, so sollte die Finanzierbarkeit in Europa und insbesondere in Deutschland kein Problem darstellen.“
14-Punkte-Programm: Weitgehende Übereinstimmung zwischen USA und Europa
Abgesehen von der Frage „Ruhe-EKG oder nicht?“ stimmen die Empfehlungen für die Untersuchung von Sportlern in den USA und Deutschland weitgehend überein: Das 14-Punkte-Programm der AHA/ACC besteht aus 3 Teilen: Erfassung der Krankengeschichte des Sportlers und der Familie des Sportlers sowie einer körperlichen Untersuchung durch qualifiziertes Personal (auch z. B. durch Assistenzpersonal/Nicht-Ärzte).
Die körperliche Untersuchung umfasst die Auskultation des Herzens, die Beurteilung der Femoralispulse, die Erfassung von Zeichen eines Marfan-Syndroms sowie die Messung des Blutdrucks.
„Dieses Programm ist in Europa und Deutschland ebenfalls mit abgedeckt, wird jedoch durch einen Arzt durchgeführt und in Deutschland zumindest durch ein Ruhe-EKG ergänzt“, sagte Hoffmann. „Bei pathologischem EKG sind dann zur Abklärung weitere Untersuchungen notwendig, zum Beispiel eine Echokardiographie oder ein Belastungstest.“
REFERENZEN:
1. Maron BJ, et al: Circulation (online) 15. September 2014: http://dx.doi.org/10.1161/CIR.0000000000000025
Diesen Artikel so zitieren: Jung, gesund, athletisch – und plötzlich tot: Wie sinnvoll ist ein EKG-Screening bei Sportlern? - Medscape - 28. Okt 2014.
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