Das Pharmakovigilanz-Komitee (PRAC) der Europäischen Arzneimittel-Agentur EMA empfiehlt schärfere Restriktionen für den Einsatz von Valproat bei Frauen und Mädchen. Bei seinem Oktober-Treffen stellte das Komitee zudem die abgeschlossenen Risikobewertungen von testosteronhaltigen Arzneimitteln und des Krebsmedikamentes Iclusig® (Ponatinib) vor.
Die Risikobewertung von Valproat hatte bereits im Oktober 2013 begonnen. Nach dem Abschluss des Verfahrens empfiehlt das PRAC nun, Schwangere oder Frauen und Mädchen im gebärfähigen Alter mit den Diagnosen Epilepsie oder bipolare Störung nicht mit Valproat zu behandeln. Das Mittel sollte nur eingesetzt werden, wenn andere Medikamente nicht wirken oder nicht vertragen werden – dann aber unbedingt zusammen mit einer effektiven Empfängnisverhütung.
Für die Migräneprophylaxe sollte Valproat bei Schwangeren ebenfalls nicht verschrieben werden. Vor Beginn einer Migräneprophylaxe bei Frauen sollte eine Schwangerschaft ausgeschlossen, danach eine effektive Empfängnisverhütung gewährleistet sein. Ärzte, die einer Frau Valproat verordnen, müssten die Patientin umfassend über die Risiken aufklären, so das PRAC.
Die Empfehlungen des Komitees basieren auf einem Review der verfügbaren Daten zur Valproat-Exposition in der Schwangerschaft. Jüngste Studien lassen darauf schließen, dass Valproat das Risiko für Entwicklungsstörungen beim Ungeborenen erhöht. Dazu zählen eine Verzögerung der Sprachentwicklung, verspätetes Laufenlernen, Gedächtnisprobleme oder eine Beeinträchtigung der intellektuellen Fähigkeiten. Außerdem wurden vermehrt Fehlbildungen wie Neuralrohrdefekte und Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalten bei den im Mutterleib exponierten Kindern beobachtet. Schließlich könnten Erkrankungen aus dem autistischen Formenkreis bei ihnen häufiger auftreten, möglicherweise auch ein Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Syndrom (ADHS).
Das PRAC empfiehlt, die Produktinformationen zu Valproat mit den neuen Informationen und Empfehlungen zu aktualisieren.
Testosteronhaltige Arzneimittel: Keine ausreichende Evidenz für Herzrisiko
In einer weiteren Stellungnahme befasst sich das Komitee mit der Risikobewertung testosteronhaltiger Arzneimittel. Grund hierfür waren Bedenken, dass sie schwere Nebenwirkungen auf das Herz und die Blutgefäße haben könnten. Das PRAC hat keine konsistente Evidenz dafür gefunden, dass der Einsatz von Testosteron bei Männern mit Hypogonadismus das Risiko für Herzprobleme erhöht. Zudem bestehe die Möglichkeit, dass der Testosteronmangel selbst das Herzrisiko beeinflusse.
Sofern eine Indikation für die Testosterontherapie besteht, überwiege der Nutzen deshalb weiterhin die Risiken, so das Komitee. Da es keinen einzelnen, fest definierten Grenzwert für einen Testosteronmangel gibt, orientiert sich die Definition eines Hormonmangels an einer Kombination aus 3 Werten (Gesamt-Testosteron, Sexual-Hormon-bindendes Globulin und freies Testosteron).
Die Indikation ist nicht einheitlich festgeschrieben. Sie setzt sich in der Regel aus dem biochemisch definierten Hormonmangel und einer Kombination von Symptomen wie z. B. Verminderung der Muskelkraft, Zunahme von Bauchfett, geringerer Knochendichte, Libidoverlust, erektiler Dysfunktion, Hauttrockenheit, Gynäkomastie, Leistungseinbußen und Depression zusammen [2].
Da es aber dennoch in einigen Studien Hinweise auf eine Risikoerhöhung durch Testosteronsubstitution gebe, sollte die Produktinformation mit Warnungen dahingehend aktualisiert werden, die Mittel nicht bei Männern mit schweren Herz-, Leber- oder Nierenprobleme einzusetzen. Einige Studien zur Sicherheit testosteronhaltiger Arzneimittel laufen derzeit noch und werden, so das PRAC, in künftige Risiko-Nutzen-Bewertungen einfließen.
Leukämiemedikament Ponatinib: Vorerst keine niedrigere Dosierung
In einem weiteren Risikobewertungsverfahren ging es um das Leukämiemedikament Iclusig® (Wirkstoff: Ponatinib) und dessen Risiko, Blutgerinnsel und Gefäßverschlüsse zu verursachen. Ponatinib ist für die Behandlung von Patienten mit chronischer myeloischer Leukämie (CML) und von Patienten mit akuter lymphoblastischer Leukämie (ALL) bei Unverträglichkeit gegenüber anderen Tyrosinkinase-Inhibitoren zugelassen.
Die Bewertung kommt zu dem Schluss, dass das Risiko wahrscheinlich dosisabhängig ist. Doch bislang reichten die Daten nicht aus, Empfehlungen für niedrige Dosisbereiche auszusprechen, da nicht bekannt ist, ob diese ebenso wirksam sind. Die Startdosis von Ponatinib sollte deshalb weiterhin bei 45 mg/Tag liegen.
Doch die Produktinformation sollte mit den neuesten Daten aktualisiert werden, für den Fall, dass Ärzte die Dosis bei Patienten mit CML in der chronischen Phase, die gut auf die Behandlung ansprechen und möglicherweise ein besonders hohes Risiko für Blutgerinnsel haben, verringern möchten.
Eine neue Studie zu Sicherheit und Nutzen von Ponatinib ist geplant. Sie soll klären, ob eine niedrigere Dosierung das Risiko für Blutgerinnsel und Gefäßblockaden senkt und dabei ebenso gut wirkt.
So geht es weiter
Die Empfehlungen des Pharmakovigilanz-Komitees zu Valproat und Testosteron werden jetzt an die Group for Mutual Recognition and Decentralised Procedures – Human (CMDh) geschickt. Valproat- und testosteronhaltige Arzneimittel werden auf nationaler Ebene genehmigt. Das CMDh ist dafür zuständig, dass auch für solche Arzneimittel einheitliche Sicherheitsstandards gelten. Danach werden die CMDh-Empfehlungen entweder direkt in den EU-Mitgliedsstaaten umgesetzt oder an die Europäische Kommission geschickt, die dafür verantwortlich ist, in den nächsten 2 bis 3 Monaten eine EU-weit bindende Entscheidung zu treffen.
Ponatinib ist ein Medikament, das auf europäischer Ebene genehmigt wird. Die Empfehlungen des PRAC zu dieser Substanz gehen deshalb als nächstes an das Committee for Medicinal Products for Human Use (CHMP) der Europäischen Arzneimittelagentur EMA und danach an die Europäische Kommission, die die endgültige Entscheidung treffen wird.