München – Pünktlich zu ihrem Jahreskongress hat die European Respiratory Society (ERS) die gemeinsam mit den europäischen Kardiologen erarbeitete aktualisierte Version der Leitlinie „Akute Lungenembolie“ vorgelegt [1]. Wichtigste Neuerungen: der aktualisierte Algorithmus zur Risikostratifikation, die Einordnung der direkten oralen Antikoagulanzien und ein Abschnitt zum chronischen thromboembolischen Lungenhochdruck (CTEPH). Prof. Dr. Stavros Konstantinides, Erstautor der Leitlinie, stellte die neue Fassung beim Kongress vor [2].
Bei hohem Risiko ist schnelles Handeln gefragt
Das Prozedere wird entscheidend von der initialen Risikoabschätzung geprägt: Befindet sich der Patient im kardiogenen Schock oder ist er hypoton? Dann ist er ein Hochrisikokandidat und unverzügliches Handeln geboten, sprich: eine CT-Angiographie oder, falls nicht verfügbar, eine Echokardiographie, um zwischen Lungenembolie und anderen Ursachen der hämodynamischen Instabilität zu unterscheiden. Erhärtet sich der Lungenembolie(LE)-Verdacht, sollten unverzüglich Maßnahmen zur Reperfusion erfolgen.
„Bei Patienten mit geringem Akut-Risiko kann man sich mehr Zeit für die exakte Diagnosestellung lassen“, so Konstantinides. Anhand des klinischen Erscheinungsbildes wird die Wahrscheinlichkeit einer LE beurteilt. Dabei hilft der Pulmonal Emboly Severity Index (PESI) oder dessen vereinfachte Version (sPESI). Erscheint eine LE wahrscheinlich, sollte per CT-Angiographie nach Gefäßverschlüssen gesucht werden. Bei geringer Wahrscheinlichkeit ist diese nur bei positivem D-Dimer-Test sinnvoll.
In dem vereinfachten Algorithmus zur Abschätzung des frühen Sterberisikos gehen neben den Parametern Schock, Hypotonie und PESI auch die Ergebnisse von Bildgebung und Labortests ein. „Auch die Pneumologen sollten hier kardiale Biomarker wie Troponin und proBNP nutzen, um myokardfiale Schäden infolge Rechtsherzbelastung nachzuweisen“, betonte Konstantinides.
Niedrigrisikopatienten können auch ambulant behandelt werden
Der Algorithmus unterscheidet 4 Gruppen von Patienten mit hohem, intermediär-hohem, intermediär-niedrigem und niedrigem Risiko. Auch bei intermediär-hohem Risiko sollte eine akute Reperfusion erwogen werden, außerdem ist die Antikoagulation Pflicht. Letzteres gilt auch für Patienten mit intermediär-niedrigem Risiko, während Patienten mit geringem Risiko ohne weitere Therapie früh entlassen oder sogar primär zuhause behandelt werden können.
sollten hier kardiale Biomarker wie Troponin und
proBNP nutzen,
um myokardfiale Schäden infolge Rechtsherzbelastung nachzuweisen.“
Soll die Antikoagulation langfristig mit Vitamin-K-Antagonisten (VKA) erfolgen, wird zunächst – noch während die Diagnostik läuft – die Gabe von niedermolekularem Heparin (LMWH) empfohlen, das abgesetzt werden kann, wenn mit dem VKA die Ziel-INR von 2,0 bis 3,0 erreicht ist. Hier kommen auch die direkten oralen Antikoagulanzien (DOAK) ins Spiel.
Dabei muss unterschieden werden: Die Faktor-Xa-Inhibitoren Rivaroxaban und Apixaban können LMWH und VKA unmittelbar ersetzen. Beide werden anfangs höher dosiert (Rivaroxaban: 2-mal 15 mg/Tag für 3 Wochen, Apixaban: 2-mal 10 mg/Tag für 7 Tage) mit einer niedrigeren Erhaltungsdosis (Rivaroxaban einmal täglich 20 mg, Apixaban 2-mal täglich 5 mg). Der direkte Thrombininhibitor Dabigatran kommt erst nach der akuten parenteralen Antikoagulation zum Zuge, dann in der üblichen Standarddosierung von 2-mal 150 mg/Tag bzw. 2-mal 110 mg/Tag bei über 80-Jährigen oder Patienten, die unter Verapamil stehen.
CTEPH so lebensbedrohlich wie maligne Tumoren
Neu formuliert wurde der Abschnitt zur chronisch thromboembolischen pulmonalen Hypertonie CTEPH, die sich infolge chronischer Gefäßverschlüsse in den Pulmonalarterien entwickelt und mit einer sehr hohen Letalität einhergeht, die der einer schweren Krebserkrankung entspricht. In 8 von 10 Fällen liegt der CTEPH eine Lungenembolie zugrunde. Wenn ein Patient sich 3 Monate nach LE und adäquater Antikoagulation mit einer unerklärlichen Dyspnoe präsentiert, sollte die CTEPH in Betracht gezogen und weitergehende Untersuchungen veranlasst werden (Echokardiographie, Messung des Ventilations/Diffusions-Quotienten, eventuell Rechtsherzkatheter und/oder Pulmonal-Angiographie).
Bestätigt sich der Verdacht auf eine CTEPH, sollte wann immer möglich eine pulmonale Thrombendarteriektomie in einem spezialisierten Zentrum erfolgen. In Deutschland gibt es 3: an der Kerckhoff-Klinik in Bad Nauheim, am Universitätsklinikum Homburg und an der Medizinischen Hochschule Hannover. Für inoperable Patienten und solche, bei denen der Lungenhochdruck trotz Eingriff persistiert, steht seit kurzem mit Riociguat eine medikamentöse Therapie zur Verfügung. Als Ultima Ratio bleibt dann noch die Transplantation.