Alopecia areata: Erste erfolgreiche Therapieversuche mit JAK-Inhibitoren

Susanne Rytina | 15. September 2014

Autoren und Interessenkonflikte

Wie entsteht Alopecia areata? Und vor allem: Lassen sich aus neuen Erkenntnissen zur Pathogenese neue Behandlungsmöglichkeiten des kreisrunden Haarausfalls ableiten? US-Wissenschaftler der Columbia University sind dabei nun ein Stück weiter gekommen. Sie haben in einer experimentellen Studie mit einem Mausmodell eine bestimmte Population von T-Zellen entdeckt, die Haarfollikel zerstören können [1].

„Mit nur drei Patienten kann
man kaum Aussagen treffen, zumal es gerade beim kreisrunden Haarausfall auch spontan zur Wiederbehaarung kommen kann.“
PD Dr. Kamran Ghoreschi

Außerdem haben sie an Mäusen und an 3 Patienten die sogenannten Januskinasen(JAK)-Inhibitoren Tofacitinib und Ruxolitinib getestet, die den Autoimmunangriff blockierten und das Haarwachstum wieder anregten. Die Ergebnisse wurden in Nature Medicine veröffentlicht.

„Neu ist, dass man jetzt gewisse Marker gefunden hat. Dies ist eine Gruppe von Lymphozyten, die sogenannten CD8+NKG2D+-T-Zellen, und auch verschiedene Zytokine, die wesentlich an der Entstehung von Alopecia areata in ihrem Mausmodell beteiligt sind“, erläutert PD Dr. Kamran Ghoreschi, Oberarzt der Universitäts-Hautklinik Tübingen, auf Anfrage von Medscape Deutschland.

„Das ist zwar eine tolle Arbeit zur Pathogenese der Alopecia areata. Aber es sind erste, präliminäre Daten zu neuen Therapien, die in größeren placebokontrollierten Studien auf Wirksamkeit und Sicherheit untersucht werden müssen,“ schränkt Ghoreschi ein. „Mit nur drei Patienten kann man kaum Aussagen treffen, zumal es gerade beim kreisrunden Haarausfall auch spontan zur Wiederbehaarung kommen kann“, betont er.

Großer psychischer Leidensdruck, aber kaum effektive Therapien

Rund 1% aller Patienten in Hautkliniken und 0,1 bis 0,2% der Bevölkerung sind von Alopecia areata betroffen. Vor allem Frauen leiden psychisch unter dem kreisrunden Haarausfall [2]. In der Regel handelt es sich um eine reversible Störung, die verschwindet, wenn das Immunsystem seine Balance wiedergefunden hat.

Alopecia areata ist auch mit vielen anderen Autoimmunerkrankungen assoziiert, zum Beispiel mit Diabetes, Schilddrüsenerkrankungen und Weißfleckenkrankheit. Momentan gebe es wenig effektive Behandlungen, so Ghoreschi. Topische Glukokortikosteroide, Diphencyprone oder Calcineurininhibitoren können helfen. Auch die systemische Immunsuppression mit Glukokortikosteroiden oder nichtsteroidalen Immunsuppressiva wird häufig eingesetzt. Behandlungserfolge mit PUVA-Phototherapien sind auch berichtet worden.

„Die Daten deuten darauf hin, dass CD8+NKG2D+-T-Zellen die Pathogenese von Alopecia areata befördern …“
Dr. Luzhou Xing und Kollegen

Treffen Erkenntnisse vom Mausmodell auch auf Menschen zu?

Die Forschergruppe um Dr. Luzhou Xing an der Columbia University in New York verwendete zuerst das C3H/HeJ-Mausmodell mit einem mutierten Stamm von Mäusen, der Alopecia areata spontan entwickelt, und einem gesunden nicht-mutierten Stamm. Nachdem die Forscher besagte Gruppe von T-Zellen isoliert und in die gesunden Mäuse transferiert , bzw. Hauttransplantate übertragen hatten, entwickelten diese ebenfalls den kreisrunden Haarausfall.

„Die Daten deuten darauf hin, dass CD8+NKG2D+-T-Zellen die Pathogenese von Alopecia areata befördern, indem sie zytotoxisch agieren und für den Autoimmunangriff der Haarfollikel verantwortlich sind“, so die Autoren. Ob dies allerdings auch für andere Mausmodelle zutrifft, müsse noch herausgefunden werden, betont Ghoreschi. Ebenso müsse noch geklärt werden, ob auch bei Menschen mit Alopecia areata CD8+NKG2D+-zytoxische- Zellen die Krankheit auslösen. Solche Zellen seien zumindest schon um Haarfollikel von Patienten gefunden worden [3].

Die Forscher der Columbia-Universität haben vor allem auch die an der Pathogenese beteiligten Zytokine untersucht, die die T-Zellen produzieren um zu expandieren und zytotoxisch zu wirken – besonders Interferon gamma (IFN-gamma), Interleukin 2 (IL-2) und IL-15-Rezeptor-b. Bei den Mäusen, bei denen durch Hauttransplantate eine Alopecia areata induziert worden war, wurden dann 3 Gruppen gebildet, bei denen die jeweiligen Zytokine durch einen Antikörper blockiert wurden.

Resultat: Während bei den Mäusen, bei denen jeweils eines der 3 Zytokine blockiert worden war, der Haarausfall und auch die Anhäufung von CD8+NKG2D+-zytoxische-Zellen verhindert werden konnte, entwickelte sich in unbehandelten Mäuse-Kontrollgruppen ohne Zytokin-Blockade die Alopezie. Allerdings wirkte die Blockade nur präventiv. Keiner der blockierenden Antikörper war in der Lage die Alopezia areata rückgängig zu machen, wenn die Mäuse die Krankheit einmal entwickelt hatten, so die Forscher der Columbia-University.

JAK-Inhibitoren – eine neue, hoffnungsvolle Substanzklasse zur Therapie

Eine ähnliche Wirkung erzielten die US-Forscher mit JAK-Inhibitoren. Diese setzten sie in einem weiteren Experiment ein, um die T-Zellen zu blockieren. Xing und seine Kollegen verwendeten hierfür das Medikament Ruxolitinib, das in den USA und in Europa für die Myelofibrose zugelassen ist, sowie Tofacitinib, das in den USA und in der Schweiz (aber nicht in Deutschland) als Mittel gegen rheumatoide Arthritis zugelassen ist.

Jedes der beiden Medikamente blockierte die inflammatorische Signatur der Haut, wie Biopsien der Haut und Transkriptionsanalysen zeigten. Auch 7 Wochen nach Übertragung der Alopezie auf die Mäuse bewirkten die topisch verabreichten Medikamente, dass die Haare wieder wuchsen und die Häufung von CD8+NKG2D+-T-Zellen zurückging. So blieb es auch noch 2 bis 3 Monate nach Abbruch der Behandlung.

Auch bei dem Mäusestamm, der an Alopezie spontan erkrankt war, bewirkten topisch verabreichtes Ruxolitinib und Tofacitinib nach 7 Wochen einen Wiederbewuchs .

„Die Januskinasen-Inhibitoren gehören zu einer neuen Klasse von Immunmodulatoren, die an einer ganzen Reihe von Zytokin-Rezeptoren ansetzen“, erklärt Immunologe Ghoreschi. „Da einige Zytokin-Rezeptoren keine eigene Kinase-Aktivität besitzen, benötigten sie hierfür die Januskinasen (JAK). Bindet ein Botenstoff wie IFN-? zum Beispiel an seinen Zytokin-Rezeptor, dann assoziiert dieser mit einer JAK”, erläutert Ghoreschi, der seit Längerem diesen Mechanismus erforscht [4;5].

Die JAK´s werden aktiviert und phosphoryliert und ermöglichen wiederum die Bindung an Transkriptionsfaktoren aus der Familie der STAT (Signal Transducers and Activators of Transcription). Nachdem die STAT wiederum von den JAKs phosporyliert und aktiviert werden, wandern sie in den Zellkern, binden an die DNA und sind somit in der Lage, die Genexpression zu regulieren. „Der JAK-STAT-Signalweg ist auch ein Teil der Pathogenese bei anderen Autoimmunerkrankungen wie arthritisches Rheuma oder bei der Psoriasis“, erläutert Ghoreschi.

Ruxolitinib befindet sich gerade für verschiedene Indikationen im Bereich der Autoimmunerkrankungen in der Phase-2-Studien und Tofacitinib in oraler und topischer Form für die Indikation Psoriasis in Phase-3-Studien. Während für die topische Behandlung mit JAK-Inhibitoren keine ernsthaften Nebenwirkungen erwartet werden, müssten die Nebenwirkungen bei systemischer Anwendung in der jeweiligen Indikation kritisch geprüft werden, betont Ghoreschi. Ersten Berichten zufolge traten bei manchen Patienten Neutropenien oder Anämien auf und  Cholesterin sowie Kreatinin stiegen an.

Tübinger Forscher testen Behandlung mit Fumarsäureester

„Wenn der Wirkstoff erfolgreich und sicher in der Anwendung bleibt, wird dies einen enorm positiven Effekt für alle haben, die mit dieser Krankheit leben.“
Dr. Raphael Clynes

Der Publikation in Nature Medicine zufolge hat der Haarwuchs bei den ersten 3 Patienten die vormals kahlen Stellen innerhalb von 3 bis 5 Monaten wieder bedeckt. Die Forscher der Columbia Universität haben ein Patent für die Therapie mit JAK-Inhibitoren eingereicht. Inzwischen nehmen 12 Patienten mit Alopecia areata in einer klinischen Pilotstudie über 12 bis 24 Wochen 2-mal täglich 20 mg Ruxolitinib ein.

„Wir haben begonnen, das Medikament zu testen. Wenn der Wirkstoff erfolgreich und sicher in der Anwendung bleibt, wird dies einen enorm positiven Effekt für alle haben, die mit dieser Krankheit leben“, so Dr. Raphael Clynes, Mitautor der Studie in einer Pressemitteilung der Columbia-Universität [6].

Bereits vor einigen Monaten beschrieben Ärzte von der Yale University School of Medicine in New Haven/Conneticut den Fall eines Psoriasis-Patienten mit Alopecia areata, bei dem sich nach 3 Monaten Behandlung mit 2-mal täglich 10 mg Tofacitinib das Haarwachstum auf dem Kopf komplett normalisierte [7].

Auch an der Universität Tübingen findet gerade eine Studie mit 40 Alopezia-areata-Patienten statt, die mit Fumarsäureester behandelt werden. „Das Medikament wird für die Psoriasis-Behandlung eingesetzt und wirkt auch auf die T-Zellen [8]. Insofern ist die Publikation in Nature hochinteressant“, sagt Studienärztin Dr. Katharina Meier von der Universitäts-Hautklinik Tübingen.

Referenzen

Referenzen

  1. Xing L, et al: Nat Med. 2014;20(9):1043-1049
    http://www.dx.doi.org/10.1038/nm.3645
  2. Gilhar A, et al: NEJM 2012;366(16):1515-25
    http://www.dx.doi.org/10.1056/NEJMra1103442
  3. Ito T, et al: JID2008;128(5):1196-206
    http://www.dx.doi.org/10.1038/sj.jid.5701183
  4. Ghoreschi K, Gadina M: Exp Dermatol. 2014; 23(1):7-11
    http://www.dx.doi.org/10.1111/exd.12265
  5. Ghoreschi K, et al: Nat Immunol. 2009;10(4):356-60
    http://www.dx.doi.org/10.1038/ni.1701
     
  6. Columbia University Medical Centre: Pressemitteilung „FDA-Approved Drug Restores Hair in Patients with Alopecia Areata”, 17. August 2014
    http://newsroom.cumc.columbia.edu/blog/2014/08/17/fda-approved-drug-restores-hair-patients-alopecia-areata
  7. Craiglow BG, King BA: J Invest Dermatol (online) 18. Juni 2014
    http://www.dx.doi.org/10.1038/jid.2014.260
  8. Walker F, et al: Br J Dermatol (online) 10. Mai 2014
    http://www.dx.doi.org/10.1111/bjd.13098

Autoren und Interessenkonflikte

Susanne Rytina
Es liegen keine Interessenkonflikte vor.

Ghoreschi K, Meier K: geben an, dass sie als Prüfärzte für Pfizer, Novartis, Biogen Idec und Eli Lilly and Company tätig sind.

Ghoreschi K: hat Honorare von Pfizer, Biogen Idec und Novartis für Vorträge zu T-Zell-Immunantworten und Januskinaseinhibitoren erhalten. 

Xing L, Clynes R: Es liegen keine Angaben zu Interessenkonflikten vor.

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