Barcelona – Haben die Betablocker bei der Behandlung der Hypertonie endgültig ausgedient? In vielen Leitlinien werden die einst so beliebten Antihypertensiva bereits nicht mehr als Erstlinientherapie empfohlen. Der Grund: Im Direktvergleich mit anderen Blutdrucksenkern hatten sich Betablocker in zahlreichen Studien als weniger erfolgreich bei der Prävention von Schlaganfällen und Tod erwiesen.

Doch ebenso wie die kanadische Leitlinie halten auch manche Kardiologen weiterhin an den Betablockern fest. Prof. Dr. Henry Krum von Monash University in Melbourne (Australien) verteidigte auf dem Kongress der European Society of Cardiology (ESC) in Barcelona den weiteren Routine-Einsatz gegenüber Prof. Dr. Bryan Williams vom University College in London. Im Interview mit Medscape Deutschland fasst Prof. Dr. Krum seine wichtigsten Argumente nochmals kurz zusammen.
Medscape Deutschland: Betablocker schnitten in vielen Studien schlecht bei der Prävention kardiovaskulärer Ereignisse ab, außerdem erhöhen sie das Diabetesrisiko. Warum sprechen Sie sich dennoch dafür aus, diese Wirkstoffklasse weiterhin als Routinemedikation beizubehalten?
Prof. Krum: Die Daten zur Wirksamkeit von Betablockern beruhen meist auf Studien mit einem älteren Vertreter dieser Klasse, dem Atenolol, das zudem häufig in einer falschen Dosierung verabreicht worden ist. Betablocker der dritten Generation, beispielsweise Nebivolol und Carvedilol, sind dagegen gut wirksam und haben positive metabolische Effekte. Leider gibt es zu ihnen bislang nur wenige Studien.
Medscape Deutschland: Wieso glauben Sie, dass mehr Studien mit Beta-Blockern der dritten Generation sowie mit angepasster Dosierung ein positiveres Bild zu dieser Substanzklasse zeichnen würden?
Prof. Krum: Das Ausmaß der Blutdrucksenkung bestimmt das Ausmaß der Risikoreduzierung – das konnten bereits mehrere wissenschaftliche Untersuchungen zeigen. Auch die American Heart Association hält fest, dass die Haupteffekte einer antihypertensiven Therapie durch die Blutdrucksenkung per se bedingt sind.[2] Die verwendete Substanzklasse steht dahinter zurück.
Medscape Deutschland: Aber dann müssen es ja auch nicht die Betablocker sein und man könnte auch ACE-Hemmer, Diuretika oder andere Wirkstoffe verschreiben.
Prof. Krum: Ich denke, wir sollten nicht pauschal den einen oder den anderen Wirkstoff verordnen, sondern die Entscheidung individuell treffen. Nach meiner Ansicht eignen sich Betablocker vor allem für jüngere Bluthochdruck-Patienten, die üblicherweise ein gesteigertes Herzzeitvolumen, eine hyperdynamische Zirkulation und einen geringen Pulsdruck besitzen. Meta-Analysen konnten das bereits bestätigen.[3] Während Betablocker bei jüngeren Hypertonikern positive Effekte im Vergleich zu anderen Blutdrucksenkern zeigen, konnte ein ähnlicher Vorteil bei älteren Patienten nicht beobachtet werden.
Medscape Deutschland: Welche Patienten könnten darüber hinaus von Betablockern profitieren?
Ausmaß der Risikoreduzierung“
Prof. Krum: Der Einsatz von neueren Betablockern kann sinnvoll sein z.B. bei Bluthochdruck-Patienten mit Komorbiditäten wie Tachyarrhythmien, systolischem und diastolischen Herzversagen, Aortenaneurysma oder nach einem Herzinfarkt oder Schlaganfall. Betablocker sollten deshalb weiter als Erstlinien-Therapie für die Behandlung eines Bluthochdrucks herangezogen werden – zumindest bei bestimmten Patienten.
Medscape Deutschland: Herr Professor Krum, wir danken für das Gespräch.