Patienten mit kastrationsresistentem Prostatakarzinom, bei denen in zirkulierenden Tumorzellen die Splice-Variante 7 des Androgenrezeptors nachgewiesen wurde, sprechen auf eine Behandlung mit Enzalutamid oder Abirateron sehr viel schlechter an als Patienten ohne diese Variante [1].
Diese aktuell im New England Journal of Medicine publizierten Ergebnisse einer prospektiven Studie der Arbeitsgruppe um Dr. Emmanuel S. Antonarakis von der Onkologischen Abteilung der Johns-Hopkins-Universität in Baltimore lassen hoffen, dass der Nachweis der AR-V7-Variante als Marker für die Vorhersage einer Therapieresistenz verwendet werden kann. „Mit der AR-V7-Splice-Variante steht uns potenziell ein solcher hochinteressanter Marker zur Verfügung“, kommentiert Prof. Dr. Jürgen E. Gschwend, Direktor der Urologischen Klinik und Poliklinik am Klinikum rechts der Isar in München, die Daten.
Das so genannte kastrationsresistente Prostatakarzinom ist nach neuen Erkenntnissen immer noch von Androgenen abhängig. Dies führte zur Entwicklung von Substanzen wie Enzalutamid, das die Aktivität des Androgenrezeptors durch direkte Bindung hemmt, und Abirateron, das als Hemmer von Cytochrom P450 17A1 die Biosynthese von Androgenen stört. Beide Substanzen sind von der EMA für die Behandlung von Patienten mit metastasiertem kastrationsresistentem Prostatakarzinom zugelassen.
Resistenz durch Splice-Varianten
Wenngleich beide Arzneimittel einen Therapiefortschritt bedeuten, sprechen etwa 20 bis 40% der Patienten – gemessen anhand der Senkung des Spiegels von Prostata-spezifischem Antigen (PSA) – auf sie nicht an. Sie zeigen also eine primäre Resistenz. Zudem entwickeln praktisch alle Patienten unter der Behandlung mit den Substanzen eine sekundäre Resistenz.
Als Ursache hierfür wird die Entstehung einer Splice-Variante des Androgen-Rezeptors diskutiert, der die C-terminale Liganden-bindende Domäne fehlt, die aber nach wie vor die aktivierende N-terminale Domäne besitzt. Solche Splice-Varianten können also Liganden wie Enzalutamid oder Androgene nicht mehr binden, sie sind jedoch konstitutiv aktiv als Transkriptionsfaktoren und können Zielgene aktivieren und damit das Tumorwachstum fördern.
Keine Wirkung von Enzalutamid und Abirateron bei AR-V7-positiven Patienten
Die Arbeitsgruppe um Antonarakis untersuchte deshalb prospektiv an Patienten mit kastrationsresistentem Prostatakarzinom, wie sich das Vorliegen der Androgen-Rezeptor Splice-Variante 7 (AR-V7) in zirkulierenden Tumorzellen auf die Wirkung von Enzalutamid oder Abirateron auswirkte.
Bei je 31 mit Enzalutamid und Abirateron behandelten Patienten mit metastasiertem kastrationsresistentem Prostatakarzinom konnten in 12 (39%) bzw. 6 Fällen (19%) AR-V7-mRNS mit Polymerasekettenreaktion in zirkulierenden Tumorzellen nachgewiesen werden. Der primäre Endpunkt, nämlich eine Senkung des PSA-Werts um mindestens 50% durch die Enzalutamid- oder Abirateron-Therapie wurde bei keinem Patienten mit positivem AR-V7-Nachweis erreicht, während unter den AR-V7-negativen Patienten 53% auf Enzalutamid und 68% auf Abirateron ansprachen.
Bei den AR-V7-positiven Patienten waren zudem das progressionsfreie Überleben (PFS) gemessen am PSA-Wert, das klinische oder radiologische PFS und das Gesamtüberleben signifikant kürzer als bei den AR-V7-negativen Patienten.
Möglicher Marker mit 100% Vorhersagekraft
Dr. Peter Nelson vom Fred Hutchinson Cancer Research Center in Seattle weist im begleitenden Editorial auf die Bedeutung weiterer Befunde der Studie hin [2]. So wurde bei jedem Patienten mit Nachweis der AR-V7-Variante gleichzeitig ein hoher Spiegel an normaler Androgen-Rezeptor-mRNS gefunden. Dies bedeutet seiner Meinung nach, dass für die Entstehung der Splice-Variante das Vorliegen von unverändertem Androgen-Rezeptor wichtig ist oder/und dass es zu Wechselwirkungen zwischen den verschiedenen Formen kommt.
Nach Ansicht von Nelson ist ein Biomarker, mit dem die Nichtwirksamkeit einer Therapie zu 100% vorhergesagt werden kann, ein großer Fortschritt. Aufgrund der kleinen Patientengruppen in der Studie von Antonarakis sei jedoch eine Bestätigung der Ergebnisse in umfangreicheren Studien erforderlich.
Auch Gschwend hält die AR-V7-Splicevariante für einen hochinteressanten Marker. „Allerdings bleibt abzuwarten, wie diese Information im klinischen Alltag genutzt werden kann, da die Isolierung und Analytik von zirkulierenden Tumorzellen mit technischem Aufwand und hohen Kosten verbunden ist und die Ergebnisse daher in einem einfacheren diagnostischen Setting reproduziert und validiert werden müssen, bevor ein klinischer Nutzen entsteht.“