
Eigentlich gibt es ja bereits mehr als genug zu tun: Patienten versorgen, Termine und Abrechnungen jonglieren und alles penibel dokumentieren. Doch langsam schleicht sich noch ein weiterer Aufgabenbereich in den Alltag von Ärzten ein. Nicht nur in der Klinik, sondern auch im Internet soll er bestenfalls omnipräsent sein.
Prof. Dr. Peter Feindt, selbst Ärztlicher Direktor des Clemenshospitals Münster und Chefarzt der Thoraxchirurgie, meint, dass sich der Mehraufwand aber lohne. Im Gespräch mit Medscape Deutschland erläutert er, auf welche Online-Channels Ärzte setzen sollen, und auf welche Vorteile Kliniker wie auch Niedergelassene dadurch hoffen dürfen.
Medscape Deutschland: Was hat der Arzt im Internet zu suchen? Ist das nicht eher für Unternehmen und Medien von Interesse?
Prof. Feindt: Sowohl Klinik- als auch Praxisärzte befinden sich oft in einer starken Konkurrenzsituation. Hier kann die Onlinepräsenz helfen, sich von der Konkurrenz abzuheben. Patienten, die für sich oder ihre Angehörigen einen Arzt suchen, gucken zu allererst ins Internet. Je sachdienlicher die Informationen und je positiver die Bewertungen, umso mehr Patienten werden dann eine bestimmte Einrichtung oder Praxis aufsuchen.
Medscape Deutschland: Nun ist es ja leider nicht so, dass Patienten ausschließlich positive Bewertungen hinterlassen. Birgt die Onlinepräsenz damit nicht auch ein großes Risiko?
Prof. Feindt: Ganz im Gegenteil: Ärzte, die firm mit dem Internet sind und eine offizielle Web- und Social-Media-Präsenz haben, können professionell auf Negativ-Kommentare reagieren. Denn Kritik gibt es so oder so. Gibt es keinen offiziellen Klinik-Account, dann beschweren sich die Patienten eben auf anderen Kanälen. Wenn neue Patienten dann wegen der Kritik ausbleiben, weiß die Klinikleitung häufig nicht, warum.
für sich oder ihre Angehörigen einen Arzt suchen, gucken zu allererst ins Internet.“
Medscape Deutschland: Bei der Vielzahl an Websites und Social-Media-Kanälen könnte es aber durchaus schwierig werden, jede Kritik auch mitzubekommen, oder?
Prof. Feindt: Natürlich kann nicht jeder einzelne Arzt das komplette Internet überwachen. Es sollte aber eine offizielle Präsenz auf den wichtigsten Social-Media-Kanälen wie Facebook und Twitter sowie auf den prominenten Bewertungsportalen geben. So können Patienten ihre Kritik direkt an die Klinik adressieren.
Medscape Deutschland: So weit, so gut. Wie sollten Klinikleitung – oder Niedergelassene – dann mit der Kritik umgehen?
Prof. Feindt: Handelt es sich um Falschaussagen oder Verleumdungen, können diese richtig gestellt werden. Doch selbst wenn die Kritik begründet ist, kann das Online-Feedback von Vorteil sein: Erstens, weil dadurch Schwachstellen in der Versorgung entlarvt werden, und zweitens, weil es von Patienten meist sehr positiv aufgefasst wird, wenn Ärzte konstruktiv mit Kritik umgehen.
Medscape Deutschland: Die Annahme von Kritik ist aber hoffentlich nicht die einzige Aufgabe. Was sonst können Ärzte und medizinische Einrichtungen noch für ihre Online-Reputation tun?
so oder so. Gibt
es keinen offiziellen Klinik-Account, dann beschweren sich die Patienten eben auf anderen Kanälen.“
Prof. Feindt: Viele unterschätzen, welchen negativen Einfluss Fehlinformationen haben können. Stimmen beispielsweise Öffnungszeiten oder Adresse auf einer wichtigen Website nicht, dann kann es schnell zu Planungsproblemen kommen – etwa, wenn Patienten den Weg nicht rechtzeitig zur Klinik finden oder regelmäßig eine Stunde zu früh in der Ambulanz erscheinen. Es lohnt sich also, solche Fehler richtig zu stellen.
Medscape Deutschland: Bewertungen überwachen, Kritik annehmen und beantworten, und dann noch Falschinformationen richtig stellen – Sie erwarten ja ganz schön viel von Ihren Kollegen.
Prof. Feindt: Natürlich können gerade Klinikärzte nicht all das alleine leisten. Für solche Aufgaben braucht es eigentlich in jedem Krankenhaus Medien-Experten. Einen Anfang können aber bereits automatisierte Programme darstellen, die das Internet gezielt auf Schlagwörter hin durchsuchen, um so mögliche Bewertungen zu finden.
Medscape Deutschland: Klingt ja einfach: Programm installiert, Social-Media-Experten eingestellt – und schon sind alle zufrieden?
Prof. Feindt: Das wäre natürlich schön. Die Realität sieht dann doch etwas anders aus – da muss zunächst viel Überzeugungsarbeit geleistet werden. Denn positive Kritik, bzw. ein Nachlassen von negativer Kritik, lässt sich ja nicht einfach in finanziellen Nutzen übersetzen. Das Klinik-Management ist bei solchen Investitionen deshalb zunächst meist skeptisch.
informationen
haben können.“
Medscape Deutschland: Und die Ärzte? Wenn die Presseabteilung oder der Social-Media-Manager übernehmen, dürften sie ja grundsätzlich dem digitalen Wandel gelassen gegenüberstehen.
Prof. Feindt: In mancherlei Hinsicht sind sie leider sogar zu gelassen. Gerade die jüngere Generation braucht dringend Schulungen in Sachen Datenschutz.
Medscape Deutschland: Inwiefern? Was sind die häufigsten Fehler, die Sie beobachtet haben?
Prof. Feindt: Viele Ärzte glauben, dass Informationen nicht nach außen dringen, wenn sie in geschlossenen Gruppen geteilt werden. Das ist natürlich Quatsch. Alles, was einmal auf einem sozialen Netzwerk oder Forum geteilt worden ist, kann prinzipiell auch frei zugänglich gemacht werden. Zudem unterschätzen viele den Aussagewert von bereits wenigen geteilten Informationen.
Medscape Deutschland: Haben Sie dafür ein Beispiel?
Prof. Feindt: Bei uns raten wir Ärzten dazu, gar keine sozialen Netzwerke während der Arbeit zu nutzen. Selbst wenn keine Namen genannt werden, kann aufgrund des OP-Planes, der Station oder ähnlichen Informationen auf den Patienten zurückgeschlossen werden. Medizinische Daten haben naturgemäß sehr viele Querverbindungen.
Medscape Deutschland: Zu guter Letzt: Wie kommt es, dass sich ein Chirurg fern der Digital-Native-Generation so intensiv mit dem Thema auseinandersetzt?
jüngere Generation braucht dringend Schulungen in Sachen Datenschutz.“
Prof. Feindt: Es ist einfach unglaublich spannend zu beobachten, wie sich derzeit die Informationsflüsse verändern. Auf das Thema bin ich aber erst durch meinen Sohn gekommen. Dem fiel eines Sonntagabends ein, dass er ja am nächsten Tag eine Deutscharbeit schreiben muss. Gelernt hatte er bis dahin noch nicht, und noch nicht einmal das Thema kannte er. Das änderte sich aber nach einer einzelnen Whats-App-Nachricht. Keine 10 Minuten später hatten ihm 5 Klassenkameraden zurückgeschrieben, die bestens über die kommende Arbeit informiert waren. Von da an war mir klar, dass auch Patienten zunehmend mehr auf digitalen Austausch mit ihrer Community setzen werden, wenn es um verlässliche Informationen geht.
Medscape Deutschland: Herr Professor Feindt, wir danken herzlich für das Gespräch!