Zu viel Salz erhöht den Blutdruck und kann vor allem aufgrund dieses kardiovaskulären Risikos die Mortalität erhöhen. Das haben 3 neue Studien – eine Meta-Analyse und 2 prospektive Untersuchungen –, die im New England Journal of Medicine publiziert worden sind, wiederum deutlich gemacht. Doch dass auch zu wenig Salz Risiken für das Herz-Kreislauf-System birgt, wie die beiden prospektiven Studien ebenfalls gezeigt haben, ist selbst für viele Experten überraschend.
Weltweit sterben jährlich 1,65 Millionen Menschen an den kardiovaskulären Folgen eines zu hohen Natriumkonsums von mehr als 2 g pro Tag – das entspricht etwas mehr als 5 g Kochsalz – rechnen Dr. Dariush Mozaffarian von der Harvard School of Public Health in Boston, USA, und seine Kollegen in ihrer Meta-Analyse zum globalen Natriumverzehr und kardiovaskulärer Mortalität aus [1]. Es handle sich dabei um ein Zehntel aller Todesfälle aufgrund von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, warnen die Experten.
Eine Analyse der Prospective Urban Rural Epidemiology(PURE)-Studie mit mehr als 100.000 Patienten zeigt ebenfalls ein erhöhtes Hypertonie- und Mortalitätsrisiko bei Menschen, die zu viel, aber auch bei denen, die weniger als 3 g Natrium pro Tag zu sich nehmen [2]. Daher stellt sich die Frage: Wo liegt die magische Grenze?

„Das sind sehr wichtige Studien, die bestätigen, dass Salzkonsum, Bluthochdruck und kardiovaskuläre Mortalität zusammenhängen und auch Kalium eine wichtige Rolle spielt“, sagt Prof. Dr. Martin Middeke vom Hypertoniezentrum München im Gespräch mit Medscape Deutschland. „Salz essen auch wir Deutschen zu viel, Kalium dagegen zu wenig.“
CVD-Risiken in Zentralasien und Osteuropa besonders hoch
In der globalen Meta-Analyse zum Natriumverzehr und kardiovaskulären Mortalität in 66 Ländern war die kardiovaskuläre Mortalität durch Salzkonsum in Georgien und allgemein in Zentraleuropa besonders hoch. „In diesen Ländern wird aber auch viel geraucht und viele Menschen sind übergewichtig“, erklärt Prof. Dr. Wolfram Delius, niedergelassener Kardiologe in München, gegenüber Medscape Deutschland.

Aufgrund der zahlreichen Faktoren, die beim Bluthochdruck eine Rolle spielen, seien die Ergebnisse dieser äußerst aufwändigen Meta-Analyse, in der viele Erkenntnisse auf Modellrechnungen basieren, mit Vorsicht zu genießen. „Bluthochdruck ist eine multifaktorielle Erkrankung – daher kann ich die Schlussfolgerungen nicht so ganz nachvollziehen“, sagt Delius.
Hoher Konsum schadet, doch wo ist die Grenze?
Dass ein täglicher Natrium-Konsum von mehr als 6 g, jedoch genauso ein Konsum von weniger als 3 g Natrium – das entspricht 7,62 g Kochsalz – das kardiovaskuläre Risiko erhöhen, ergab eine von 2 gleichzeitig publizierten Analysen der PURE-Studie, an der 101.945 Patienten in 17 Ländern teilnahmen. „Ein geschätzter täglicher Natriumkonsum zwischen 3 und 6 g pro Tag ging einher mit niedrigeren kardiovaskulären Todes- und Event-Risiken als ein niedrigerer oder höherer Konsum“, berichtet das internationale Autoren-Kollektiv um Dr. Martin O‘Donnell von der McMaster Universität in Hamilton, Ontario, Kanada. Wer täglich mehr als 1,5 g Kalium zu sich nahm, konnte das kardiovaskuläre Risiko wiederum senken.
„Alles im Leben ist eine Frage der Dosis“, erklärt Middeke hierzu gegenüber Medscape Deutschland. Salzlos könne niemand leben, jedoch konsumieren die Deutschen zu viel Salz, nämlich mindestens 10 bis12 g pro Tag, was 2 oder mehr Teelöffeln entspricht. Wahrscheinlich sei der Konsum in Wahrheit noch viel höher, weil etwa 80% des Salzes, das wir essen, in Brot oder Fertiggerichten versteckt ist und bei Erhebungen zur Ernährung häufig gar nicht erfasst wird.
In Deutschland leiden mittlerweile rund 40% der Bevölkerung an Bluthochdruck; bei den über 70-Jährigen seien es sogar mehr als 80%. „Und viele wissen es nicht“, erklärt Delius. „Nicht bei jedem Hypertoniker wird der Blutdruck durch den Salzkonsum beeinflusst“, fügt er an. Das sei nur bei rund 40 bis 50% der Fall. „Daher ist salzarme Kost auch nur ein Baustein im Mosaik der kardiovaskulären Prävention bei Hypertonikern“, neben Gewichts- und Stressreduktion sowie Rauchstopp und Bewegungsförderung etwa.“
Bei mehr als 5 g Natrium-Ausscheidung steigt der Blutdruck stärker an
die bestätigen, dass Salzkonsum, Bluthochdruck und kardiovaskuläre Mortalität zusammenhängen und auch Kalium eine wichtige Rolle spielt.“
Um einen Zusammenhang zwischen Natrium- sowie Kaliumkonsum und kardiovaskulären Risiken herzustellen, haben die PURE-Untersucher die Natriumeinnahme in 24 Stunden anhand der Bestimmung der Natriumausscheidung im Morgenurin hochgerechnet. Gleichermaßen haben sie den Kaliumkonsum kalkuliert. Bei rund 90% aller Studienteilnehmer bewegte sich die Natriumausscheidung im hohen (>5,99 g/Tag) oder mittleren Bereich (3–5,99 g/Tag). Nur 10% schieden weniger als 3 g und lediglich 4% die von den US-Leitlinien zum Natriumverzehr empfohlenen 2,3–1,5 g/Tag aus. Nach einem Follow-up von durchschnittlich 3,7 Jahren trat der kombinierte Endpunkt (Mortalität und schwere kardiovaskuläre Ereignisse) bei 3.317 Patienten (3,3%) auf.
Dabei war eine hohe Natriumausscheidung von 7 g oder mehr mit einem erhöhten Risiko verbunden. Am stärksten betroffen waren Patienten mit Hypertonie; bei ihnen war erhöhte Natriumausscheidung von mehr als 6 g mit erhöhtem Ereignis-Risiko verbunden. Überrascherweise wiesen ebenfalls Patienten, die in 24 Stunden weniger als 3 g Natrium ausschieden, ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko auf.
In einer zweiten PURE-Analyse hat das Investigatoren-Kollektiv mittels der gleichen Ausscheidungshochrechnung gezeigt, dass Verbindung zwischen Natrium- und Kaliumkonsum und Blutdruck nicht linear verläuft. „Wir haben eine positive, jedoch keine gleichmäßige Korrelation zwischen der geschätzten Natriumausscheidung und dem Blutdruck festgestellt“, schreiben die Autoren um Dr. Andrew Mente von der McMaster Universität in Hamilton [3]. Ihre Regressionsanalyse ergab pro Gramm ausgeschiedenes Natrium im Schnitt einen Anstieg des systolischen Blutdrucks um 2,11 mm Hg und des systolischen Blutdrucks um 0,78 mm Hg.
Doch bei Teilnehmern, die mehr als 5 g Natrium pro 24 Stunden ausschieden, stieg der Blutdruck stärker (+2,58 mm Hg systolisch) als bei denjenigen, die 3 bis 5 g (+1,74 mm Hg) oder weniger als 3 g/Tag (+0,74 mm Hg) ausschieden. Bei Hypertonikern (+2,49 mm Hg/g Natrium) und älteren Teilnehmern (+2,97 mm Hg/g Natrium) verzeichnete die Studiengruppe ebenfalls einen stärkeren Anstieg.
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Kalium als Mediator
Natrium- und Kaliumexkretion interagierten in der PURE-Analyse dahingehend, dass diejenigen, die viel Natrium, aber wenig Kalium ausschieden, eher einen erhöhten Blutdruck aufwiesen als diejenigen, die pro Tag zwar viel Natrium, aber auch viel Kalium ausschieden. Also könnte eine Kalium-reiche Ernährung mit viel Obst und Gemüse die kardiovaskuläre Gesundheit vielleicht eher verbessern als eine aggressive Salzredaktion, vermuten die Autoren.
Die aktuellen niedrigen Werte zum Natriumverzehr in den US-Leitlinien – 1,5 bis 2,4 g/Tag – „basieren vor allem auf Daten von Kurzzeitstudien, die zeigten, dass eine Reduzierung eines Natriumverzehrs im mittleren Bereich zu einer niedrigen Menge den Blutdruck in Maßen senken kann“, schreiben O’Donnell und Kollegen. Doch es gebe in diesen Leitlinien keinen unteren Grenzpunkt, kritisiert die PURE-Studiengruppe. Es sei etwa bekannt, dass ein Natriumkonsum von weniger als 3 g pro Tag das Renin-Angiotensin-System aktiviere. In der PURE-Analyse von Mente und seinen Kollegen nahmen sehr wenige Teilnehmer weniger als 2,3 g Natrium pro Tag zu sich. „Das suggeriert, dass ein extrem niedriger Natriumverzehr über einen längeren Zeitraum selten ist“, schreiben die Autoren.
„Seit 15 Jahren wird gezeigt, dass eine Salzreduktion die Mortalität senken kann“, sagt Middeke. „Doch es stellt sich immer die gleiche Frage nach dem Umschlagpunkt.“ Für Hypertoniker lohne sich eine Reduzierung des Salzverzehrs. „Ob es sich für die gesunde Bevölkerung lohnt, ist umstritten. Ich bin der Meinung, dass es sich lohnt.“ Sorge um den Grenzwert macht sich Middeke wenig. „Wichtig ist erst einmal, den zu hohen Konsum zu reduzieren – zu wenig Salz isst eigentlich niemand.“
Wie schädlich eine zu niedrige Natrium-Zufuhr für das Herz-Kreislauf-System tatsächlich ist und wo der untere Grenzwert liegt, könne eine prospektive Studie zeigen, erklärt Dr. Suzanne Oparil von der University of Alabama in Birmingham, USA, in einem Editorial, das die Ergebnisse der 3 Studien kommentiert [4]. „Diese provokativen Erkenntnisse fordern eine randomisierte, kontrollierte Outcome-Studie, die reduzierten Natriumkonsum mit einer normalen Ernährung vergleicht “, schreibt Oparil. „Eine solche Studie wird es nie geben – das zu untersuchen ist völlig illusorisch“, sagt Middeke. Auch Delius ist skeptisch: „Hierfür würden keine Probanden – und keine Geldgeber – gefunden“, meint er.