Akuter Schlaganfall: Befunde aus der Bildgebung, die jeder Arzt kennen sollte

Mark P. Brady, PA-C | 18. August 2014

Autoren und Interessenkonflikte

Der Schlaganfall (Apoplex; bisweilen auch als zerebrovaskuläres Ereignis bezeichnet) ist ein klinischer Begriff für den akuten Durchblutungsverlust in gefäßversorgten Arealen des Gehirns mit der Folge von Ischämie  und neurologischen Funktionsverlust in den betroffenen Regionen. Jeden Tag werden Patienten mit fokalen neurologischen Defiziten aufgrund eines hämorrhagischen oder ischämischen Schlaganfalls in der Notfallambulanz vorgestellt. Eine rasche Diagnose und Behandlung sind Grundvoraussetzung für eine schnelle Reperfusion der betroffenen Areale und die Wiederherstellung ihrer neurologischen Funktionen. Kennen Sie die beste Diagnostik und das beste therapeutische Management bei diesen Patienten mit Symptomen eines Schlaganfalls?

Dia 1

Zu den typischen Zeichen und Symptomen eines Schlaganfalls zählen ein eingeschränktes Bewusstsein, eine Aphasie, eine Dysarthrie, das plötzliche Auftreten einer Hemiparese, der akute Verlust der Sensorik einer Körperhälfte, eine Mono-oder Quadriparese, ein Nystagmus, Veränderungen des Gesichtsfelds, eine Ataxie und Schwindel. Häufig werden die genannten Symptome auch in Kombination angetroffen. Das dargestellte zerebrale Angiogramm demonstriert den Verschluss der distalen Arteria basilaris bei einem 31-jährigen Mann ca. 4,5 Stunden nach erstmaligem Auftreten der Symptome.

Dia 2

Dieser 52 Jahre alte Mann stellte sich mit anamnestisch zunehmender Verschlechterung einer rechtsseitigen Körperschwäche und Aphasie vor. Wie interpretieren Sie das hier dargestellte, nicht-kontrastierte Computertomogramm des Schädels (cCT)?

Dia 3

Antwort: das CT zeigt eine diffuse Hypodensität und verstrichene Sulci in den Versorgungsarealen der linken vorderen und mittleren Gehirnarterien, was mit einem akuten Hirninfarkt in Einklang steht. Es finden sich weiterhin verstreute, kurvenartige hyperdense Signale, die petechiale Hämorrhagien in diesem großen Infarktareal vermuten lassen.

Dia 4

Eine 70-jährige Frau stellt sich in der Notaufnahme vor. Sie gibt an, seit ein paar Stunden eine Schwäche der linken Körperhälfte bemerkt zu haben. Welcher Befund lässt sich anhand des nicht-kontrastierten Schädel-CT´s (siehe Abbildung) erheben?

Dia 5

Antwort: Das CT zeigt diffuse Hypodensitäten im rechten Nucleus lentiformis mit einem Masseneffekt  am Vorderhorn (Cornu frontale) des rechten lateralen Ventrikels.

Dia 6

Schlaganfälle werden grob in ischämisch und hämorrhagisch unterteilt. Ischämische Schlaganfälle machen ungefähr 70% aller Schlaganfälle aus und entstehen durch thromboembolischen Verschluss von Hirnarterien. Der kompromittierte Blutfluss setzt eine ischämische Kaskade in Gang, die bei Ausbleiben einer Therapie zu einem irreversiblen Infarkt führt. Das dargestellte Schädel-CT brachte einen ischämischen Infarkt der rechten Hemisphäre mit Mittellinienverschiebung zum Vorschein.

Bild mit freundlicher Genehmigung von Wikimedia Commons
Dia 7

Nicht-kontrastierte Schädel-CT´s stellen die Bildgebung der ersten Wahl dar, wenn es um die Abklärung eines Apoplex mit Unterscheidung zwischen ischämischem und hämorrhagischem Schlaganfall und den Ausschluss anderer, intrakranieller Pathologien geht. Sie haben eine hohe Sensitivität im Bezug auf den Nachweis intrazerebraler und subarachnoidaler Blutungen wie auch subduraler Hämatome. Eine Blutung erscheint als ein leicht erkennbares, hyperdenses Areal innerhalb des Gehirns. Welcher Befund ist im folgenden nicht-kontrastierten Schädel-CT dargestellt?

Bild mit freundlicher Genehmigung von Wikimedia Commons
Dia 8

Antwort: Das CT zeigt frühe Zeichen eines Schlaganfalls im Versorgungsbereich der Arteria cerebri media. Die Gyri erscheinen verstrichen, ebenso wie die Grenze zwischen grauer und weißer Substanz (siehe Pfeil).

Bild mit freundlicher Genehmigung von Wikimedia Commons
Dia 9

Hämorrhagisch bedingte Schlaganfälle machen bezogen auf alle Schlaganfälle einen Anteil von 30% aus und finden ihre Ursache häufiger in intrazerebralen als in subarachnoidalen Pathologien. Das klinische Erscheinungsbild betroffener Patienten ist dem eines ischämischen Schlaganfalls ähnlich mit der Ausnahme, dass es Patienten bei einer Hirnblutung durch einen Anstieg des Hirndrucks klinisch schlechter geht. Das dargestellte CT zeigt eine intraparenchymatöse Blutung (oranger Pfeil) mit umgebendem Ödem (blauer Pfeil).

Bild mit freundlicher Genehmigung von Wikimedia Commons
Dia 10

Im Rahmen ischämischer Schlaganfälle kann die frühe Durchführung eines Schädel-CT´s noch normale Befunde liefern, da sich das zu erwartende Ödem und Infarktareal noch nicht demarkiert haben können. Dennoch können andere, subtile Befunde wie der Differenzierungsverlust zwischen grauer und weißer Substanz (roter Pfeil), eine Verschattung des Nucleus lentiformis (weißes Sternchen), asymmetrische Sulci (gelber Pfeil) oder eine Aufhebung der kortiko-medullären Differenzierung („insular ribbon sign“) beobachtet werden. Dieses cCT wurde am ersten Tag nach Schlaganfall infolge einer Okklusion der linken Arteria cerebri media angefertigt.

Dia 11

Mit zunehmendem Fortschreiten der ischämischen Kaskade lassen sich auch mehr Zeichen eines ischämischen Hirninfarkts entdecken. Das Verstreichen des dritten Ventrikels (blauer Pfeil), eine Mittellinienverschiebung (gelbe Linie), hypodense Areale in einem Gefäßversorgungsgebiet und das Verstreichen von Sulci (roter Pfeil) entwickeln sich über die Zeit. Eine Mittellinienverschiebung kann nur sehr modert sein und sollte am besten diagnostiziert werden, indem man eine Linie von der vorderen zur hinteren Anlage der Falx cerebri zieht und dann nach einer Abweichung schaut. Das dargestellte cCT wurde am dritten Tag nach einem akuten, ischämischen Insult durchgeführt.

Dia 12

Die Magnetresonanztomographie (MRT) erlaubt eine frühere Identifizierung von Verletzungen des Gehirns als ein CT. Viele verschiedene Protokolle werden zusätzlich zu T1- und T2-gewichteten Sequenzen zur Verbesserung der Sensitivität herangezogen, wie z.B. diffusionsgewichtete (DGA) und perfusionsgewichtete (PGA) Aufnahmen. DGA können Verletzungen innerhalb von 15-30 Minuten detektieren. Des Weiteren können sie kleinere Ischämieareale darstellen und den Hirnstamm und das Kleinhirn besser sichtbar machen. Bei der abgebildeten Darstellung handelt es sich um ein diffusionsgewichtetes MRT, das eine Hypointensität im Gebiet der rechten Arteria cerebri media mit begleitenden Hyperintensitäten im angrenzenden anterioren und posterioren Bereich zeigt. Die Befunde sprechen für einen älteren Hirninfarkt mit neuen, sich angrenzenden Ischämiearealen.

Dia 13

Das MRT wird auch zur Beurteilung von Blutungen und deren Lokalisation, sowie zur Bestimmung des Alters eines Hämatoms herangezogen. Bei einer akuten Blutung (weniger als 24h) stellt sich Blut in Abhängigkeit vom verwendeten Bildgebungsprotokoll anders dar. In der T1-Gewichtung (links) erscheint Blut isointens. In der T2-Gewichtung (rechts) sieht Blut dagegen hyperintens aus. Das MRT zeigt zudem hervorragende Ergebnisse bei der Detektion reaktiver Ödeme.

Dia 14

PGA erlauben die Erkennung von gefährdetem Gehirnparenchym, indem sie direkt die Gewebeperfusion messen. Die DGA (links) zeigt ein diskretes Ischämieareal, während die begleitende PGA (rechts) bereits ein ausgedehnteres Areal demarkiert, das ein deutlich erhöhtes Risiko bezüglich einer Ausbreitung der Ischämie und Infarzierung aufweist.

Dia 15

Die Magnetresonanzangiographie (MRA) ist eine Modifizierung der Magnetresonanztomographie, die Gadolinium für Kontrastaufnahmen verwendet, um Blutgefäße besser darstellen zu können. Die Gefäßanatomie kann mithilfe dieser Untersuchung dreidimensional rekonstruiert werden, um den gesamten Gefäßbaum auf frühe kleine Gefäßverletzungen hin abklären zu können.

Dia 16

Bei chronischen oder subakuten Blutungen kann das MRT zuverlässig zwischen neuer und alter Blutung unterscheiden. Ein chronisches Hämatom (mehr als 14 Tage) zeigt sich sowohl in der T1- (links) wie auch in der T2-Wichtung (rechts) hypointens. Das subakute Hämatom (mehr als 3 Tage) stellt sich in der T1-Wichtung als hyperintens, in der T2-Wichtung leicht hypointens dar. Ursache für die Änderung in der Bildgebung ist eine Evolution der Hämoglobinstruktur, die Entwicklung oxidativer Produkte und das Vorhandensein ungepaarter Elektronen.

Dia 17

Wird ein rupturiertes Hirnaneurysma als Ursache für eine Gehirnblutung vermutet, sollte die Durchführung einer Angiographie in Erwägung gezogen werden. Hierzu wird ein Katheter in die Strombahn des Gehirns vorgeführt und eine digitale Subtraktionsangiographie mithilfe einer direkten Kontrastmittelinjektion vorgenommen. Diese Technik erlaubt eine sehr genaue Darstellung der anatomischen Lokalisation einer Läsion und bringt ebenfalls die Möglichkeit zur direkten Durchführung einer konsekutiv notwendigen Intervention mit sich.

Dia 18

Bei jedem Patienten, der sich mit Anzeichen eines akuten Schlaganfalls in der Notaufnahme vorstellt, ist das Ziel festzustellen, ob der Patient von einer thrombolytischen Intervention profitiert oder nicht. Es muss zunächst eine Stabilisierung des Patienten erfolgen. Dann sollte der Patient einem Schädel-CT mit Interpretation durch einen Radiologen unterzogen werden, passende Ergebnisse im Rahmen der Anamnese und körperlichen Untersuchung aufweisen und Laborwerte abgenommen bekommen, die innerhalb der ersten Stunde nach Ankunft in der Klinik vorliegen sollten. Diese Empfehlungen stammen aus den Leitlinien des „National Institute of Neurologic Disorders and Stroke“ und des „American Heart Association´s Advanced Cardiac Life Support“ [1].

Dia 19

Das „National Institute of Health“ hat eine Schlaganfall-Skala entwickelt, die die Quantifizierung neurologischer Schäden erlaubt. Die Skala liefert Einblicke in die Lokalisation der Gefäßläsion, korreliert mit dem Outcome ischämischer Schlaganfälle und identifiziert Kandidaten, die für eine thrombolytische Therapie in Frage kommen. Hierzu werden Punkte vergeben, die auf der Basis von 6 Hauptkriterien verteilt werden: Bewusstseinszustand, Sehfunktion, motorische Funktion, Empfindungslevel, Kleinhirnfunktion und Sprache. Die Skala wird beim ersten Patientenkontakt eingesetzt und kann zur weiteren Kontrolle der Krankheitsentwicklung wiederholt werden [2].

Dia 20

Im Januar 2013 veröffentlichte die „American Heart Association/American Stroke Association“ neue Leitlinien zum frühzeitigen Management akuter Schlaganfälle. Ein Zusatz zu den vorherigen Leitlinien beinhaltet die Empfehlung zum Off-Label-Use von Gewebe-Plasminogen-Aktivator (t-PA) ab 3 bis 4,5 Stunden nach den ersten Symptomen. Sie basiert auf den Ergebnissen der dritten „European Cooperative Acute Stroke“-Studie. Eine weitere neue Empfehlung ist die Einhaltung der Einleitung einer Thrombolyse innerhalb von 60 Minuten nach Ankunft des Patienten in der Klinik bei denjenigen Patienten, die für eine Thrombolyse in Frage kommen. [1,3,4].

Dia 21

Obwohl der t-PA die Haupttherapie in der Behandlung des akuten Schlaganfalls darstellt, befinden sich momentan zahlreiche weitere Substanzen zur mechanischen Thrombektomie in der Entwicklung.  Viele dieser Studien konzentrieren sich auf den Einsatz Katheter-basierter Verfahren, mit Hilfe derer die Zerstörung oder Extraktion von Thromben gelingen soll. Zu den in der Testphase befindlichen Instrumenten zählen Saugapparate, Laser- und Ultraschallgeräte und Schraubenzieher-ähnliche Extraktoren. Die Angioplastie und die Einbringung von Stents sind als Technik bei kardiovaskulären Okklusionen bereits standardmäßig etabliert. Sie werden auch hinsichtlich ihres Einsatzes bei der Behandlung von Schlaganfällen getestet.

Bilder mit freundlicher Genehmigung von Concentric Medical (Mountain View, Kalifornien)
Dia 22

Patienten, die einen primär hämorrhagischen Schlaganfall oder sekundäre Blutungen nach zunächst ischämischem Apoplex aufweisen oder die eine lebensbedrohliche Hirndruckerhöhung entwickeln, sollten umgehend neurochirugisch vorgestellt werden. Eine operative Dekompression kann zur Evakuation eines Hämatoms notwendig werden, falls der Verdacht auf eine Hirneinklemmung besteht.  Das abgebildete T2-gewichtete MRT-Bild zeigt ein sekundäres Hämatom nach ischämischem Apoplex bei einem Patienten, der deshalb ein erhöhtes Risiko für eine Hirndrucksteigerung hat und für eine t-PA-Therapie ausscheidet.

Dia 23

Telemedizinische Schlaganfall-Zentren sind Gegenstand aktiver Forschung und werden von Regierungen auf  Landes- wie auf Bundesebene gefördert. Patienten aus ländlichen Regionen können hierdurch mit einem Neurologen in einem Versorgungszentrum für Schlaganfälle im Rahmen einer Videokonferenz verbunden werden. Schlaganfall-Experten können aus der Entfernung das Risiko für einen Schlaganfall bei Patienten ermitteln und festlegen, ob eine sofortige Einweisung in eine Klinik notwendig ist. Das Ziel dieser Bemühung ist, Hochrisikopatienten innerhalb von 4,5 Stunden ab dem ersten Auftreten von Symptomen für eine Fibrinolyse-Therapie in ein Krankenhaus zu bringen.

Bild mit freundlicher Genehmigung vom „National Institute of Health“
Dia 24

Die Behandlung des Schlaganfalls beginnt mit der Versorgung vor der stationären Aufnahme und endet mit der Entlassung des Patienten. Patienten mit ischämischen Schlaganfällen können von einer von zahlreichen Therapien in Abhängigkeit von der Lokalisation der Läsion, vom Zeitpunkt des ersten Auftretens und von Komorbiditäten profitieren. Bei Patienten, die sich innerhalb der ersten 4,5 Stunden ohne vorherige Operation oder Blutungskomplikationen vorstellen, ist die intravenöse t-PA-Gabe eine Therapiemethode der Wahl. Patienten, die t-PA gegenüber Placebo erhalten haben, zeigen niedrigere Raten an Behinderungen, gemessen auf der Basis der „Rankin Scale of Global Disability“, auf der 1 keiner relevanten Behinderung entspricht und 6 für den Tod des Patienten steht (siehe Abbildung). Bei Patienten, die innerhalb der ersten 6 Stunden nach Auftreten der ersten Symptome vorstellig werden, häufen sich die Hinweise, dass sie von einer intraarteriellen t-PA-Gabe profitieren könnten [5].

Dia 25

Autoren und Interessenkonflikte

Dieser Fall wurde ursprünglich auf medscape.com präsentiert.


Mitarbeiterinformationen

Redakteur:

Mark P. Brady, PA-C
Adjunct Faculty and Preceptor
Physician Assistant Program
University of New England
Physician Assistant
Department of Emergency Medicine
Cambridge Hospital, Cambridge Health Alliance
Cambridge, Massachusetts
Brady MP: Es liegen keine Interessenskonflikte vor.

Übersetzung:

Dr. Christoph Eimer
Urologe

Wir bitten darum, Diskussionen höflich und sachlich zu halten. Beiträge werden vor der Veröffentlichung nicht überprüft, jedoch werden Kommentare, die unsere Community-Regeln verletzen, gelöscht.