Ibrutinib – „Diese Studie wird das Management der CLL verändern“

Sabine Wimmer-Kleikamp | 23. Juli 2014

Autoren und Interessenkonflikte

Mit dem Tyrosinkinase-Hemmer Ibrutinib leben schwer zu behandelnde Patienten mit chronisch lymphatischer Leukämie (CLL) signifikant länger progressionsfrei. Die ist das Ergebnis einer Phase-3-Studie, die aktuell im New England Journal of Medicine publiziert ist [1]. Das neue vielversprechende Krebsmedikament (Imbruvica®) erzielte hohe Remissionsraten bei sehr guter Verträglichkeit im Vergleich zur Standardtherapie mit Ofatumumab (Arzerra®). Das berichten die Wissenschaftler um Dr. John Byrd vom Wexner Medical Center der Ohio State University in Columbus/Ohio.

„Diese Studie wird das Management der CLL verändern“, kommentiert Prof. Dr. Justus Duyster, Ärztlicher Direktor der Klinik für Hämatologie, Onkologie und Stammmzellttransplantation am Universitätsklinikum Freiburg. „Ibrutinib ist ein enorm wichtiges Medikament, auch wirksam bei bestimmten Risikokonstellationen, wie z.B. der p53-Deletion, bei denen andere Medikamente nichts mehr ausrichten können“, erklärt der Experte für Leukämie gegenüber Medscape Deutschland. „Ibrutinib ist eine erweiterte Option für unsere Patienten, mit Ansprechraten von etwa 70 Prozent und guter Verträglichkeit“, so Duyster. Auch sei die orale Einnahme des B-Zell-Rezeptor-Antagonisten von Vorteil.

Zulassung von Ibrutinib im November erwartet

Ibrutinib ist ein Inhibitor der Bruton-Tyrosinkinase, die bei der Vermittlung des B-Zell-Rezeptor-Signals ins Zellinnere eine wichtige Rolle spielt. Der klinische Einsatzbereich ist daher die Behandlung maligner B-Zell-Erkrankungen. Ibrutinib wurde zuerst Ende 2013 in den USA von der FDA für die Behandlung des seltenen Mantelzelllymphoms zugelassen. In Europa ist das Zulassungsverfahren noch nicht abgeschlossen.

In Deutschland werde die Zulassung für vorbehandelte CLL-Patienten wahrscheinlich im November kommen, so die Einschätzung von Duyster. „Wir warten schon darauf. Für einige unserer Patienten gibt es sonst keine andere Therapieoption mehr“, betont der Hämatologe. „Wir haben daher schon Patienten mit Ibrutinib hier am Uniklinikum Freiburg behandelt – im Rahmen eines „expanded access“ Programms in Zusammenarbeit mit dem Hersteller“, berichtet Duyster.


„Ibrutinib ist eine erweiterte Option für unsere Patienten, mit Ansprechraten von etwa 70 Prozent und guter Verträglichkeit.“
Prof. Dr. Justus Duyster

Mit Ibrutinib länger überleben

Insgesamt nahmen 391 Patienten mit CLL oder der Unterform SLL (small lymphocytic lymphoma) zwischen Juni 2012 und April 2013 an der randomisierten Phase-3-Studie mit der Bezeichnung RESONATE teil. Die Studienteilnehmer wurden an 67 verschiedenen Studienorten in den Vereinigten Staates, Australien und 7 europäischen Ländern behandelt. Sie bekamen entweder eine Monotherapie mit täglicher Verabreichung von Ibrutinib (oral) oder die Standardtherapie mit dem Anti-CD20-Antikörper Ofatumumab (intravenös).

Alle Patienten hatten zuvor mehrere erfolglose Therapien erhalten. Primärer Endpunkt war die progressionsfreie Überlebenszeit. Zu den sekundären Endpunkten gehörten die Gesamtüberlebenszeit und das Ansprechen auf die Behandlung.

Ibrutinib verlängerte die progressionsfreie und die Gesamtüberlebenszeit signifikant im Vergleich zur Standardtherapie. Nach 12 Monaten lebten noch 90% der Patienten, die Ibrutinib erhielten, verglichen mit 81% der Ofatumumab-Gruppe. 9,4 Monate nach Studienbeginn hatte der Kinasehemmer Ibrutinib das Progressions- und Sterberisiko im Vergleich zu Ofatumumab um 78% reduziert. Zu diesem Zeitpunkt war allerdings der Median in der Ibrutinib-Gruppe bezüglich dieser Endpunkte noch nicht erreicht.

„In dieser Situation
ist es das am besten verfügbare und am besten wirksame Medikament,
so dass ich eine Randomisierung gegenüber Ofatumumab
sehr gut finde.“
Prof. Dr. Justus Duyster

88% der Ibrutininb-Patienten überlebten 6 Monate ohne Tumorprogression, verglichen mit 65% in der Ofatumumab-Gruppe. Der Therapievorteil des neuen Wirkstoffes war bei Patienten mit einer 17p-Deletion, welche als ungünstiger prognostischer Marker gilt, noch verstärkt: Nur 49% überlebten mit Standardtherapie, verglichen mit 83% unter Ibrutinib. Bei Patienten, die Ofatumumab erhielten, kam es durchschnittlich bereits nach 8,1 Monaten zur erneuten Tumorprogression.

Hohe Ansprechraten und gute Verträglichkeit

Die Rate kompletter Remissionen unter Ibrutinib war mit etwa 43% wesentlich höher als bei den Studienteilnehmern unter Ofatumumab, bei denen sie bei nur bei 4% lag. Weitere 20% der mit Ibrutinib behandelten Patienten hatten eine partielle Response mit Lymphozytose. Somit betrug die Gesamtansprechrate (partielle und/oder komplette Remission) 63%. Sogar bei Patienten mit einer 17p-Deletion, einer besonders schlechten Prognose also, schlug die Behandlung ähnlich gut an.

Das Toxizitätsprofil war wie bereits in der Vorläuferstudie der Phase 2 [2] recht günstig und wurde als „kontrollierbar“ bezeichnet. Die häufigsten Nebenwirkungen von Ibrutinib waren Diarrhö, Müdigkeit, Pyrexie und Nausea. Außerdem war die Rate der Anämien und Thrombozytopenien erhöht. Bei Ofatumumab waren die häufigsten Nebenwirkungen Müdigkeit, Husten und durch die Infusion verursachte Reaktionen. Insgesamt klagten 57% der Patienten in der Ibrutinib-Gruppe über Nebenwirkungen der Stufe 3 oder höher, in der Ofatumumab Gruppe waren es 47%.

In der vorliegenden Phase-3-Studie wurde die Ibrutinib-Monotherapie gegen eine Kontrollgruppe mit Ofatumumab getestet. Laut Duyster stellt dabei Ofatumumab eine gute Wahl als Standardtherapie dar. „In dieser Situation ist es das am besten verfügbare und am besten wirksame Medikament, so dass ich eine Randomisierung gegenüber Ofatumumab sehr gut finde“, beurteilt Duyster. Der monoklonale Antikörper sei in der gleichen Indikation zugelassen, nämlich für mit Rituximab behandelte refraktäre Patienten und habe in früheren Studien eine Ansprechrate von ca. 50 bis 60% gezeigt.

Neue gezielte Medikamente könnten in Zukunft Chemotherapie ersetzen

Jahrzehntelang war die Chemotherapie die Behandlung der Wahl für Leukämiepatienten. Jetzt gibt es gleich mehrere Fortschritte in der Entwicklung gezielter Therapien, darunter auch Ibrutinib und Ofatumumab. Die neuen Wirkstoffe greifen meist gezielt in die Signalübertragung der B-Zellen ein.

„In einigen
Jahren wird man
bei der CLL auf Chemotherapeutika vielleicht ganz verzichten können und nur noch die neuen molekularen Medikamente einsetzen.“
Prof. Dr. Justus Duyster

Der monoklonale Antikörper Ofatumumab bindet spezifisch an CD20, ein Glykoprotein auf der Zelloberfläche von B-Lymphozyten. Ofatumumab wirkt zytotoxisch und löst eine Lyse der Zellen aus. Nach dem Versagen der Chemotherapie gehört Ofatumumab heute zu den Standardmedikamenten.

Sowohl Ofatumumab als auch Ibrutinib werden bei Patienten mit CLL oder der Unterform SLL eingesetzt. CLL ist in der westlichen Welt die am häufigsten vorkommende Leukämieform und tritt vor allem bei älteren Menschen auf.

Eine andere neue gezielte Therapie gegen verschiedene Leukämieformen ist Idelalisib, ein Inhibitor der Phosphatidylinositol-3-Kinase Delta. Idelalisib in Kombination mit Rituximab zeigte gute Erfolge bei der CLL-Behandlung und verlängerte signifikant das progressionsfreie Überleben, das Überleben und die Ansprechrate rezidivierter Patienten im Vergleich zu Placebo. Die Phase-3-Studie ist vor kurzem im New England Journal of Medicine veröffentlicht worden [3]. Rituximab ist ein monoklonaler anti-CD20 Antikörper, der ähnlich wie Ofatumumab wirkt.

Ibrutinib – zusammen mit den anderen neuen Medikamenten – eröffne neue Möglichkeiten für die Behandlung von CLL Patienten. Bisher haben noch keine anderen Mittel eine ähnliche Aktivität bei vorbehandelten refraktären CLL Patienten gezeigt, so die Einschätzung von Dr. Robin Foà im Editorial des NEJM [4].

Als nächstes soll der Kinasehemmer nun auch in der Erstlinienbehandlung bei CLL geprüft werden. Derzeit handelt es sich noch um ein Medikament für vorbehandelte refraktäre Patienten, betont Duyster. Im Hinblick auf die Zukunft der CLL Therapie prophezeit der Spezialist für Leukämie: „In einigen Jahren wird man bei der CLL auf Chemotherapeutika vielleicht ganz verzichten können und nur noch die neuen molekularen Medikamente einsetzen. Das ist ein Ausblick, der nicht unrealistisch ist.“

Referenzen

Referenzen

  1. Byrd JC, et al: NEJM 2014; 371:213-223
    http://dx.doi.org/10.1056/NEJMoa1400376
  2. Byrd JC, et al: NEJM 2013; 369:32-42
    http://dx.doi.org/10.1056/NEJMoa1215637
  3. Furman RR, et al: NEJM 2014; 370:997-1007
    http://dx.doi.org/10.1056/NEJMoa1315226
  4. Foà R, et al: NEJM 2014; 371(3):273-274
    http://dx.doi.org/10.1056/NEJMe1405766

Autoren und Interessenkonflikte

Sabine Wimmer-Kleikamp
Es liegen keine Interessenkonflikte vor.

Duyster J: Es liegen keine Interessenkonflikte vor.

Die Studie [1] wurde unterstützt von Pharmacyclics und Janssen.

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