Tomosynthese – ein dreidimensionales Bildgebungsverfahren der Brust – wird zunehmend beim Brustkrebs-Screening eingesetzt. Eine US-amerikanische Studie, die im Journal of the American Medical Association publiziert worden ist, hat ergeben, dass damit die Zahl der entdeckten Tumoren signifikant steigt und die Rate der Wiedereinbestellungen sinkt [1].

„Hierzulande ist die 3-D-Mammografie noch nicht allzu weit verbreitet“, bedauert Prof. Dr. Fritz Schäfer, Leiter Mammadiagnostik und Intervention am Brustzentrum des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein Campus Kiel. „Doch die Ergebnisse aus dieser und weiteren Studien belegen eindeutig die Vorteile des 3-D-Verfahrens. Ich bin davon überzeugt, dass die Tomosynthese das Potenzial hat, wie jetzt in Norwegen auch in Deutschland zum Standard im Brustkrebs-Screening zu werden.“
Die Daten im Einzelnen
Insgesamt wurden Datensätze von 454.850 Brustuntersuchungen aus 13 Zentren in die Studie einbezogen. Im Vergleich: Untersuchungen mithilfe digitaler Mammografie (full-field digital mammography, FFDM) allein oder in Kombination mit Tomosynthese (digital breast tomography, DBT).
Die Ergebnisse bestätigen einen klaren Vorteil der Kombinationsdiagnostik in Bezug auf die Detektionsrate: In den Untersuchungen der digitalen Mammografie wurde bei 4,2 von 1.000 Scans ein Tumor entdeckt. Wurden Mammografie und Tomosynthese kombiniert, konnten unter 1.000 Scans 5,4 Tumoren diagnostiziert werden.
Die Autoren unterschieden auch zwischen unterschiedlichen Tumorarten. Invasive Tumoren etwa wurden durch Mammografie in 2,9 von 1.000 Scans aufgedeckt, bei der kombinierten Untersuchung waren es 4,1 Fälle. Bezüglich duktaler Karzinome (ductal carcinoma in situ, DCIS) lag die Rate in beiden Fällen bei 1,4.
die Tomosynthese
das Potenzial hat, …
auch in Deutschland zum Standard im Brustkrebs-Screening zu werden.“
Darüber hinaus sank bei zusätzlicher Tomosynthese die Zahl der Wiedereinbestellungen aufgrund unklarer Befunde, die für die Patientinnen einen nicht unerheblichen Stressfaktor darstellen. Von 1.000 Frauen wurden 107 nochmals einer Untersuchung unterzogen, wenn nur digitale Mammografie eingesetzt worden war. In der kombinierten Untersuchung waren es 91 Frauen.
Die Zahl der Biopsien stieg zwar mit 19,3 Gewebeprobenentnahmen pro 1.000 Scans gegenüber 18,1 Biopsien, wenn nur eine Mammografie vorgenommen worden war. Gleichzeitig waren aber auch mehr Biopsien positiv: Bei 29,2% der Patientinnen wurde ein Karzinom nachgewiesen – gegenüber 24,2%, wenn nur eine digitale Mammografie vorgenommen worden war. Von den Frauen, die erneut einbestellt wurden, hatten 6,4% tatsächlich Brustkrebs bei kombinierter Untersuchung, bei alleiniger Mammografie waren es 4,3%.
„Die Studienergebnisse sind erfreulich“
„Wir konnten einen Anstieg der Detektionsrate von invasiven Tumoren nachweisen“, kommentiert Dr. Sarah M. Friedewald, Leitautorin der Studie und diagnostische Radiologin und Medizinische Co-Direktorin am Advocate Lutheran General Hospital in Park Ridge, Illinois. „Damit spüren wir genau diejenigen auf, die wir auch suchen. Das ist alles in allem sehr ermutigend. Zumal wir außerdem die Zahl an Patientinnen reduzieren konnten, die erneut einbestellt werden müssen.“

Dr. Stephan Metz, Oberarzt am Brustzentrum des Klinikums rechts der Isar der TU München, äußert gegenüber Medscape Deutschland seine Zuversicht: „Durch die Studie wird deutlich, dass die Tomosynthese sowohl die Spezifität als auch die Sensitivität der Diagnose verbessert.“ An seinem Zentrum kommt seit Dezember 2013 ein Tomosynthese-System zum Einsatz.
Das Neue am DBT ist die Bildgebung im Schichtverfahren. „Die Röntgenröhre des DBT fährt in einem Bogenwinkel um die komprimierte Brust herum und macht derweil 15 bis 25 Bilder von unterschiedlichen Gewebeschichten, die zu einem dreidimensionalen Bild zusammengesetzt werden“, erläutert Metz. „Dadurch werden die einzelnen Gewebeschichten deutlich besser voneinander abgegrenzt und Überlagerungen können reduziert werden. Das dauert zwar etwas länger als die Mammografie, wird von den Frauen aber sehr gut toleriert.“
„Die Studienergebnisse sind erfreulich und bestätigen auch unsere Erfahrungen“, berichtet auch Schäfer. „Ein wesentlicher Kritikpunkt allerdings ist, dass die Wiedereinbestellten nicht randomisiert wurden, die Ergebnisse also eventuelle patientenbezogene Störgrößen widerspiegeln können.“ Nicht zuletzt aufgrund der gewaltigen Datenmenge, die zentrenübergreifend weitgehend übereinstimmten, seien die Ergebnisse dennoch beachtenswert.
Eine solche Studie in Deutschland nicht möglich
Studien aus Deutschland gibt es nicht: „Das deutsche Strahlenschutzgesetz macht hiesige Studien zum Thema unmöglich, denn dort ist festgelegt, dass die Strahlendosis so niedrig wie möglich sein muss. Bei einer parallelen Mammografie-Tomosynthese-Untersuchung ist die Dosis jedoch doppelt so hoch. Wir müssen uns also auf ausländische Studien verlassen“, konstatiert Schäfer.
Allerdings sind die Voraussetzungen bezüglich der Screening-Programme international sehr unterschiedlich, und damit sind die US-amerikanischen Studienergebnisse nicht unbedingt auf hiesige Programme übertragbar. „Die Recall-Raten liegen in den USA, wo es kein flächendeckendes Screening-Programm gibt, bei 8%, in der EU zwischen 5 und 3%. In den Niederlanden sind es sogar nur 1%“, umreißt Schäfer. „Mit der von Friedewald und Kollegen aufgedeckten Reduktion der Recall-Raten könnte man hier keinen Blumentopf gewinnen.“
Trotzdem zweifelt kaum jemand am Nutzen des neuen Verfahrens, zumal mehrere europäische Studien schon vor der jetzt erschienenen amerikanischen Untersuchung zu ähnlichen Ergebnissen gekommen waren.
Skaane und Kollegen zum Beispiel haben erst kürzlich eine Studie veröffentlicht, die zeigt, dass die Tomosynthese in Brüsten mit dichtem Drüsengewebe mehr Herdbefunde besser analysiert als die FFDM [2]. „Die Arbeitsgruppe bearbeitete zwar einen wesentlich kleineren Datensatz, aber dafür ist es eine randomisierte, wissenschaftlich sauberere Studie“, meint Schäfer.
nur, dass invasive lobuläre Tumoren in Brüsten mit dichtem Drüsengewebe durch das neue Verfahren häufiger entdeckt werden.“
Die Studienautoren konnten zeigen, dass die Kombination von FFDM und DBT 27% mehr invasive und In-situ-Karzinome aufdeckte als FFDM allein. Die Zahl der falsch positiven Ergebnisse sank um 15% von 61,1 auf 53,1 pro 1.000 Untersuchungen.
Grenzen der Tomosynthese
Doch auch die DBT stößt an Grenzen. So gibt es selbst 2 cm große Tastbefunde, die nur durch Ultraschall zu sehen sind, weder durch Mammografie noch durch Tomosynthese oder beides kombiniert. „Und von den invasiven Tumoren werden die duktalen mal besser und mal schlechter durch die Tomosynthese erkannt“, so Schäfer. „Eindeutig ist nur, dass invasive lobuläre Tumoren in Brüsten mit dichtem Drüsengewebe durch das neue Verfahren häufiger entdeckt werden. Allerdings sind eindeutig als bösartig einzustufende Läsionen bei Mammakarzinomen eher selten.“ Eine Ultraschall-Untersuchung wird also im Rahmen der Brustkrebs-Früherkennung weiterhin notwendig bleiben.
Dafür jedoch kann man durch DBT Architekturstörungen, also Gewebeasymmetrien oder -inhomogenitäten besser beurteilen als mit digitalen Mammografien allein. „In unseren Augen ist die bessere Darstellung von Mikrokalzifikationen wichtig“, betont Schäfer, da sie oft eine Vorstufe von Karzinomen darstellen. „Solche Mikrokalzifikationen erscheinen in aus einem 3-D-Tomosynthesedatensatz rekonstruierten 2-D-Bildern deutlich kontrastreicher“, berichtet der Kieler Arzt, der in Kürze im Thieme-Verlag ein Lehrbuch zur Tomosynthese herausbringen wird.
Mittels dieses neuen Verfahrens werden 3-D-Aufnahmen zu 2-D-Aufnahmen reduziert, durch die – ohne die Frauen einer erneuten Strahlendosis auszusetzen – beispielsweise Kalzifikationen besser sichtbar gemacht oder auch Bilder aus früheren Stadien leichter zum Vergleich herangezogen werden können. Dass die Qualität der Bilder von rekonstruierten 2-D-Aufnahmen plus DBT vergleichbar mit FFDM plus DBT ist, konnten Skaane und Kollegen erst kürzlich zeigen [3].
Schäfer sieht darüber hinaus noch einen weiteren Vorteil der Tomosynthese: „Sie ermöglicht die Quantifizierung des Drüsengewebes „und das spielt eine zunehmend wichtige Rolle bei der Risikoabschätzung, denn Studien haben gezeigt, dass eine hohe Drüsendichte mit einem 4- bis 6-fach höheren Risiko von Brustkrebs einhergeht.“
Die Tomosynthese wird kommen
wird von den Krankenkassen
in Deutschland
eher restriktiv gehandhabt.“
Die Autoren selbst betonen in ihrer Arbeit, dass die Studie keine Aussage darüber trifft, ob DBT auch das Outcome der Patientinnen verbessert und fordern weitere Studien hierzu.
In Norwegen jedenfalls, wo 90% aller Frauen sich einem Brustkrebs-Screening unterziehen, wird seit diesem Jahr die Tomosynthese eingesetzt – als alleiniges Untersuchungsverfahren. Bis es hierzulande soweit sein wird, werden noch Jahre vergehen. „Derzeit ist die Tomosynthese noch gar nicht Gegenstand der EBM“, beklagt Schäfer. Er hat bei der KV Schleswig-Holstein und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung bereits einen Antrag gestellt, eine Ziffer zu schaffen – bislang ohne Erfolg.
„Die Kostenfrage wird von den Krankenkassen in Deutschland eher restriktiv gehandhabt“, denkt auch Merz. „Trotzdem übernehmen die privaten Kassen in der Regel bereits die Kosten für eine Tomosynthese. Die gesetzlichen Kassen werden hoffentlich nachziehen. Genau hierfür sind Studien wie die von Friedewald und Skaane und Kollegen wichtig“, so Metz.