Früherkennung des Prostatakarzinoms: Wird die Fusionsbiopsie zum neuen Standard?

Ute Eppinger | 10. Juli 2014

Autoren und Interessenkonflikte

Ein Prostatakarzinom (PCA) ist die häufigste Krebserkrankung und dritthäufigste Krebstodesursache unter deutschen Männern [1]. Andererseits gehört das PCA auch zu den am häufigsten überdiagnostizierten Erkrankungen. Die Verschmelzung von MRT-Bildern mit Echtzeit-Ultraschall könnte künftig die Diagnose von Prostata-Karzinomen (PCA) schonender und sicherer machen.

„Damit kann
eine Biopsie jetzt gezielt in spezifischen verdächtigen Arealen erfolgen.“
Dr. Ajay Nehra

„Damit kann eine Biopsie jetzt gezielt in spezifischen verdächtigen Arealen erfolgen“, erläutert Dr. Ajay Nehra, Chef der Urologie am Rush University Medical Center, Chicago, die Vorteile eines neuen Gerätes, das beide Bildgebungsverfahren fusioniert, und das er zusammen mit Dr. Charles McKiel Jr., ebenfalls Urologe am Rush, entwickelt hat [2].

„Um eine ganz neu entwickelte Methodik handelt es sich dabei allerdings nicht“, stellt Prof. Dr. Jürgen Gschwend, Direktor der Urologischen Klinik und Poliklinik, Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München klar. Auch in Deutschland sei die Fusionsbiopsie seit 1 bis 2 Jahren zunehmend verbreitet. An der TU München setzen Urologen die neue Methode bereits ein.

Präzision der Biopsie auf 97 Prozent erhöht

Er ergänzt: „Diese Technologie erlaubt uns Tumoren zu entdecken, die bei einer konventionellen Prostatabiopsie übersehen werden. Wir glauben, dass die neue Technologie, das Potenzial hat zu einem neuen Standard in der Früherkennung bei Prostatakrebs zu werden.“ Die neue Technologie helfe, multiple blindgeführte Biopsien zu vermeiden und leite den Arzt direkt zum Tumorgewebe.

„Wir glauben, dass die neue Technologie das Potenzial hat, zu einem neuen Standard in der Früherkennung bei Prostatakrebs zu werden.“
Dr. Ajay Nehra

Ein Gewinn für Patienten und Ärzte, zumal sich durch die Fusionstechnologie die Präzision der Prostatabiopsie auf 97% erhöhe, wie McKiel Jr. erklärt. Die Karzinom-Detektionsrate bei herkömmlichen Biopsien liegt zwischen 40 und 50%. Systematische Stanzbiopsien haben eine falsch-negative Rate von 34%. Ist der PSA-Wert aber weiterhin erhöht, müssen laut McKiel die Männer häufig mehrere Anschlussbiopsien über sich ergehen lassen.

Zur Bildgebung werden 2 MRT-Verfahren mit Ultraschall kombiniert: Einmal die multiparametrische MRT mit zahlreichen unterschiedlichen Sequenzen, zum anderen die PET-MRT, bei der mit einem radioaktiven Marker, z.B. mit PSMA-68-Gallium, die suspekten Befunde besser sichtbar gemacht werden. Das Procedere dauert 20 Minuten.

„Man braucht dazu die entsprechende Software, die es ermöglicht, dass die MRT-Daten mit dem Ultraschallbild fusioniert werden können“, erklärt Gschwend im Gespräch mit Medscape Deutschland.

Unnötige Biopsien können vermieden werden

Studien bestätigen die guten Ergebnisse der Fusionsbiopsie [3,4]. So bilanziert Studienleiter Prof. Dr. Geoffrey A. Sonn, Urologe am Stanford University Medical Center, in einer im April diesen Jahres in European Urology erschienen Arbeit: „Die multiparametrische MRT/Ultraschall Fusions-Biopsie verbessert die Erkennung des PCA bei Männern mit zuvor negativen Biopsieergebnissen und erhöhten PSA-Werten.“

„Unnötige
Biopsien können
bei unauffälliger Bildgebung eventuell gänzlich vermieden werden.“
Prof. Dr. Jürgen Gschwend

Sonn und sein Team hatten 105 Männer mit erhöhten PSA-Werten untersucht. Bei allen hatte eine vorherige systematische Biopsie keinen Befund erbracht. Per Fusionsbiopsie fand sich aber bei 36 der 105 Männer doch ein Prostatakarzinom. 72% der entdeckten Karzinome waren klinisch relevant.

Die Arbeit von Sonn und Kollegen hat auch bestätigt, dass auffällige Areale und positive Befunde gut korrelieren [3]. Ist ein verdächtiges Gewebeareal erkennbar, kann die Biopsie wesentlich zielgerichteter erfolgen. „Unnötige Biopsien können bei unauffälliger Bildgebung eventuell gänzlich vermieden werden“, sagt Gschwend

Findet sich Prostatakrebs nur in einem kleinen Teil der Prostata, kann die neue Technologie auch zur Basis für eine Schwerpunkttherapie werden, die sich auf die kanzerogene Region konzentriert. Die Urologen in Rush planen dazu eine randomisierte klinische Studie.

Referenzen

Referenzen

  1. Gesellschaft der epidemiologischen Krebsregister e. V. (GEKID) und Zentrum für Krebsregisterdaten (ZfKD) im Robert Koch-Institut: „Krebs in Deutschland“ (Prostata)
    http://www.krebsdaten.de/Krebs/DE/Content/Publikationen/Krebs_in_Deutschland/kid_2013/kid_2013_c61_prostata.pdf?__blob=publicationFile
  2. Rush University Medical Center: Pressemitteilung: „New Fusion Technology increases Prostate Cancer Detection Accuracy to 97 Percent”, 14. April 2014
    http://www.rush.edu
  3. Sonn GA, et al: J Urol 2013;189(1):86-91
    http://dx.doi.org/10.1016/j.juro.2012.08.095
  4. Sonn GA, et al: Eur Urol 2014;65(4):809-15
    http://dx.doi.org/10.1016/j.eururo.2013.03.025

Autoren und Interessenkonflikte

Ute Eppinger
Es liegen keine Interessenkonflikte vor.

Nehra A, McKiel Jr. C, Gschwend J: Es liegen keine Erklärungen zu Interessenkonflikten vor.

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