Es gibt „bahnbrechende Neuigkeiten für Mukoviszidose-Patienten”, wie es Prof. Dr. Stuart Elborn, Pneumologe und Dekan im Fachbereich Medizin an der Queen’s University im nordirischen Belfast formuliert. Zusammen mit Kollegen aus den Vereinigten Staaten, Deutschland und Australien hat er ein völlig neuartiges Therapieprinzip, von dem bislang nur wenige profitierten, nun einer Vielzahl von Mukoviszidose-Patienten erschlossen. Es geht um die Kombinationsbehandlung mit den Wirkstoffen Ivacaftor (VX-770) und Lumacaftor (VX-809). In 2 aktuellen Phase-3-Studien hat diese bei Patienten mit der häufigsten Form von Mukoviszidose signifikant die Lungenfunktion verbessert und die Zahl der Klinikeinweisungen reduziert [1].
Damit ist der zweite bedeutsame Schritt hin zu einer ausgeklügelten Behandlungsstrategie getan, die nicht nur symptomatische Hilfe bei Mukoviszidose verspricht, sondern gezielt die zellulären Ausfallserscheinungen beheben will, die der Gendefekt verursacht. Der erste Schritt in diese Richtung war die Entwicklung von Ivacaftor, das seit 2012 in Deutschland zugelassen ist.
Als Monotherapie nützt Ivacaftor im Moment jedoch nur denjenigen, welche die eher seltene G551D-Genmutation aufweisen. „Der Wirkstoff ist für Patienten mit der G551D-Mutation im CFTR Gen freigegeben, das sind ca. vier Prozent der Patienten“, erläutert Elborn im Gespräch mit Medscape Deutschland. Nur in einigen Regionen sind es mehr, aufgrund der Häufung dieser Genmutation in der irischen Bevölkerung (10 bis 15%) spricht man daher vom „keltischen Gen“. An den Zulassungsstudien von Ivacaftor war das Forscherteam um Elborn ebenfalls beteiligt, sie wurden seinerzeit im New England Journal of Medicine publiziert [2].
Der Hersteller von Ivacaftor, Vertex Pharmaceuticals (Boston, USA), hat nun eine Kombinationstherapie testen lassen, die auf eine deutlich größere Zahl der weltweit 70.000 Mukoviszidose-Patienten zielt. Die Ergebnisse sind jetzt in einer Pressemitteilung veröffentlicht worden [3]. „Das neue Kombipräparat hilft ungefähr der Hälfte aller betroffenen Personen, nämlich denjenigen, die homozygot für die F508del Mutation sind“, erklärt Elborn.
von Patienten mit einer deutlichen Verbesserung der Lungenfunktion
um mehr als
fünf Prozent.“
Für Prof. Dr. Marcus Mall zeigen die Ergebnisse, dass eine Pharmakotherapie auch bei Mukoviszidose-Patienten mit der häufigen F508del Mutation grundsätzlich funktionieren kann. Der Direktor des Zentrums für Translationale Lungenforschung und Leiter der Sektion Pädiatrische Pneumologie & Allergologie und des Mukoviszidose-Zentrums an der Universität Heidelberg kommentiert im Gespräch mit Medscape Deutschland: „Die Verbesserung der Lungenfunktion durch die Kombinationstherapie war zwar relativ moderat, aber in allen Gruppen statistisch signifikant.“
TRAFFIC und TRANSPORT geben grünes Licht für Lumacaftor
An den beiden aktuellen Phase-3-Studien (TRAFFIC und TRANSPORT) zu Sicherheit und Wirksamkeit der Kombination von Ivacaftor und Lumacaftor nahmen 1.100 Patienten ab einem Alter von 12 Jahren teil. Sie wurden an 200 verschiedenen Studienorten in den USA, Europa und Australien behandelt. Alle Studienteilnehmer waren homozygot für die F508del Mutation.
Die Kombination von Ivacaftor mit Lumacaftor verbesserte die Lungenfunktion signifikant um 2,6 bis 4% über die Studiendauer von 24 Wochen hinweg, so die Ergebnisse der doppelblinden, placebokontrollierten und randomisierten Studien. In der Placebogruppe kam es zu einer leichten Verschlechterung der Lungenfunktion.
Die beiden Studien hatten mehrere Versuchsarme: 2 Patientengruppen bekamen unterschiedliche Dosierungen der Kombitherapie (alle 12 Stunden 250 mg Ivacaftor plus entweder täglich 600 mg Lumacaftor oder 400 mg alle 12 Stunden). Die dritte Gruppe erhielt das Placebopräparat. Primärer Endpunkt war die Änderung der pulmonalen Einsekundenkapazität (FEV1) am Ende der 24-wöchigen Behandlung. Unter der Kombi-Therapie verbesserte sich die Lungenfunktion (absolut zwischen 2,6 und 4% und relativ zwischen 4,3 und 6,7%) statistisch signifikant zu allen Kontrollzeitpunkten (Woche 2, 4, 8, 16 und 24). Während der Behandlung erhielten alle Patienten weiterhin die üblichen symptomatischen Standardtherapien.
Die neue Kombination steigere Lungenkapazität zwar nur mäßig, sagt Mall, er weist aber gleichzeitig auf deren Potenzial hin: „Es gibt jedoch Untergruppen von Patienten mit einer deutlichen Verbesserung der Lungenfunktion um mehr als fünf Prozent.“ Es gelte, künftig die Patienten, die auf die Therapie offensichtlich besser ansprechen, genauer zu identifizieren.
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Die Studienteilnehmer profitierten auch anderweitig von der Kombination. So nahmen die respiratorischen Exazerbationen je nach Dosis statistisch signifikant um 28% bis zu 43% ab. Außerdem wurde im Vergleich zur Kontrollgruppe eine Gewichtzunahme dokumentiert. Die Verträglichkeit der Kombitherapie war gut.
Unter den Nebenwirkungen der Therapie wurden auch respiratorische Befunde gelistet, obwohl diese zwangsläufig zu dem Krankheitsbild dazugehören. Während infektiös bedingte respiratorische Exazerbationen unter Placebo häufiger vorkamen (49% vs. 39 bzw. 36%), ebenso wie Husten (40% vs. 33 bzw. 28%), wurde Dyspnoe öfter in den beiden Armen der Kombinationstherapie registriert (15 bzw. 13% vs.7,8%). Was die Erhöhung der Leberenzyme (mehr als das Dreifache des Normwertes) angeht, so war diese sowohl unter Therapie als auch unter Placebo ähnlich und lag bei etwa 5%. Von den Studienteilnehmer aus den Verumgruppen brachen dosisabhängig 3,8 bzw. 4,2% die Therapie aufgrund der Nebenwirkungen ab, verglichen mit 1,6% aus der Kontrollgruppe.
Gezielt die Ausfälle therapieren, die die Gendefekte hervorrufen
Bei Patienten, die homozygot für die F508del Mutation sind, verschlechtert sich die Lungenfunktion jährlich um fast 2%. „Diese Menschen brauchen daher dringend neue Medikamente, die an der Ursache der Krankheit angreifen", sagt Prof. Dr. Bonnie Ramsey, die führend an der TRANSPORT-Studie beteiligt war und als Direktorin dem Center for Clinical and Translational Research der Universität Washington in Seattle vorsteht.
Die Ursache der autosomal-rezessiv vererbten Pathologie der Mukoviszidose oder Zystischen Fibrose (CF) liegt in Mutationen im CFTR-Gen (Cystic-Fibrosis-Transmembrane-Regulator), das für einen Chloridkanal in der Zellmembran kodiert. Fällt er aus, ist der Transport von Salz und Wasser in und aus der Zelle beeinträchtigt. Die dann erhöhte Viskosität körpereigener Sekrete exokriner Drüsen resultiert in Funktionsstörungen von Lunge und Pankreas.
Mehr als 1.900 Genmutationen im CFTR Gen sind bislang bekannt. Bei Personen mit der homozygoten G551D-Mutation, Träger des „keltischen Gens“ also, besteht ein relativ isolierter Defekt des Chloridkanals. „Ivacaftor hilft beim Öffnen des defekten Chloridionenkanals“, verdeutlicht Elborn die Wirkungsweise des Medikaments. Patienten mit der G551D-Mutation wurden daher mit der zuerst entwickelten Monotherapie von Ivacaftor behandelt. Für viele andere Mutationen, insbesondere für die häufigste Mutation F508del, reicht es jedoch nicht aus, nur den Chloridkanal wieder funktionstüchtiger zum machen.
Bei Patienten mit homozygoter F508del Mutation liegt das zusätzliche Problem darin, dass ein defektes CFTR-Protein die Zellmembran gar nicht erst erreicht, erklärt Elborn. Es wird in der Zelle abgebaut. Hier greift Lumacaftor ein. „Lumacaftor bindet an das F508del Protein, und verhindert so dessen Zerstörung. Das defekte Protein gelangt zur Zelloberfläche und wird dort in die Zellmembran eingebaut“, verdeutlicht Elborn den Wirkmechanismus. Hier kann Ivacaftor die fehlerhafte CFTR Funktion wieder verbessern – wie bei den Patienten mit dem seltenen isolierten Defekt aufgrund des „keltischen Gens“.
abzuwarten, ob
die relativ moderate Verbesserung der Lungenfunktion ausreicht für eine Zulassung.“
Die neue Strategie muss noch verbessert werden
Jedoch: Noch ist die Monotherapie beim seltenen Gendefekt erfolgreicher als die neue Kombitherapie für den häufigeren Gendefekt. Denn in diesem Fall muss „nur“ das Kanalprotein funktionstüchtiger werden, bei den häufigeren Genmutationen ist zusätzlich dessen Vernichtung in der Zelle zu verhindern. Die Lungenfunktion verbesserte sich bei den Pateinten mit dem „keltischen Gen“ mit Ivacaftor allein um immerhin 10,6 beziehungsweise 12,5% gegenüber Placebo [s. 2].
„Die medikamentöse Therapie des Basisdefekts funktioniert, sollte aber noch weiter optimiert werden“, stellt Mall dazu fest. Das wird auch versucht, Vertex untersucht im Moment weitere Substanzen, die sich für eine Kombination mit Ivacaftor eignen. Erste Phase-2-Studienergebnisse wurden bereits in Lancet Respiratory Medicine veröffentlicht [4]. Offenbar hat das neue Prinzip der Mukoviszidose-Therapie einen Schub verliehen, die die rein symptomatische Behandlung der Sekretverflüssigung und Atemtherapie um einen an der Pathogenese orientierten Ansatz bereichert.
„Diese erste Phase-3-Studie leistet einen wichtigen Beitrag für die Umsetzung des Konzepts der personalisierten Medizin seltener Erkrankungen“, sagt Mall. Auch der Rückgang der respiratorischen Exazerbationen unter der Kombinationstherapie sei besonders bemerkenswert und für die Patienten bedeutsam, erklärt der Mukoviszidose-Spezialist. Eine solch plötzliche Verschlechterung der Symptomatik erfordert meist eine Hospitalisierung, und kann sowohl zusätzliche Behandlungen mit Antibiotika als auch permanente Lungenschäden zur Folge haben.
Allerdings hat die Sache noch ein Manko: Die aktuellen Phase-3-Studien sind bisher noch nicht vollständig publiziert und daher nicht überprüfbar, da sie lediglich in Form einer Pressemitteilung des Unternehmens vorliegen. Vertex will die Zulassung von Lumacaftor für Patienten ab 12 Jahre, die homozygot für F508del sind, in den USA und in Europa noch in diesem Jahr beantragen. „Es bleibt abzuwarten, ob die relativ moderate Verbesserung der Lungenfunktion ausreicht für eine Zulassung“, gibt Mall zu bedenken.