Plattenepithelkarzinome der Kopf-Halsregion („head and neck squamous cell carcinoma“, HNSCC) haben nach wie vor eine schlechte Prognose. Doch sterben Patienten, die die Tumordiagnose länger als 3 Jahre überleben, häufiger als vermutet nicht an diesem Tumor. Viel eher sind Zweittumoren oder kardiovaskuläre und pulmonale Begleitkrankheiten die Todesursache. Dies ergab eine retrospektive Studie von Dr. Shrujal S. Baxi vom Memorial Sloan-Kettering Cancer Center in New York und Kollegen, die kürzlich in Cancer veröffentlicht worden ist [1].
Plattenepithelkarzinome im Bereich von Kopf und Hals sind meist bei der Erstdiagnose schon weit fortgeschritten. Patienten mit einem großen Primärtumor oder Lymphknotenmetastasen entwickeln trotz primär kurativer Therapieansätze in rund 80% der Fälle innerhalb der ersten 2 Jahre Metastasen oder lokale Rezidive – mit entsprechend ungünstiger Prognose. Verständlicherweise stand bei der Nachsorge deshalb bisher stets der Krebs im Fokus.
„Die Studie zeigt einmal mehr, dass in der onkologischen Nachsorge nicht nur der Früherkennung von Rezidiven und Zweittumoren, sondern auch der adäquaten Behandlung von Begleit- und Folgeerkrankungen besondere Beachtung geschenkt werden muss“, mahnt Prof. Dr. Burkard Lippert angesichts der neuen Ergebnisse. Lippert ist Direktor der Klinik für HNO-Heilkunde, Kopf- und Halschirurgie an den SLK-Kliniken Heilbronn und leitet dort das Kopf-Hals-Tumorzentrum. Auch aufgrund solcher Ergebnisse sei bei HNSCC-Patienten eine 10 Jahre umspannende Nachsorge mittlerweile zwingend.
Erhöhte Mortalität auch bei Langzeitüberlebenden
Kopf-Hals-Tumoren liegen in der Häufigkeit weltweit an 6. Stelle aller Malignomerkrankungen. Die Gesamt-Inzidenz des HNSCC war in den letzten 2 Jahrzehnten – bedingt durch einen geringeren Nikotinkonsum – zwar leicht rückläufig, dafür aber wurde eine Zunahme von Human Papilloma Virus (HPV)-assoziierten Tumoren verzeichnet, mit der Folge, dass der Anteil der Oropharynxkarzinome an den HNSCC seit einigen Jahren kontinuierlich steigt.
Fortschritte in der Therapie und die Tatsache, dass HPV-assoziierte Tumore eine bessere Prognose aufweisen, haben die krankheitsspezifische 5-Jahresüberlebensrate inzwischen auf 66% ansteigen lassen [2]. Allerdings haben HNSCC-Patienten auch über diesen 5-Jahreszeitraum hinaus noch eine deutlich erhöhte Mortalität [3]. Um die Ursachen dafür zu klären, untersuchte das Team um Baxi jetzt retrospektiv eine Kohorte von ca. 36.000 Patienten mit einem in den Jahren 1992 bis 2006 diagnostizierten nicht-metastasierten HNSCC, die mindestens 3 Jahre nach der Diagnose noch am Leben waren.
Zweittumore und Rezidive bleiben Haupttodesursache
der adäquaten Behandlung von Begleit- und Folgeerkrankungen besondere Beachtung geschenkt werden muss.“
Die Patienten der Kohorte stammten aus der SEER (Surveillance, Epidemiology, and End Results)-Datenbank des US-amerikanischen National Cancer Instituts. Sie waren zu 73% männlich und bei der Diagnose im Schnitt 60 Jahre alt. Die Nachsorge erstreckte sich im Median über 7.7 Jahre (Range: 3.0-17.9). In diesem Zeitraum starben 36%.
Haupttodesursache – besonders bei Patienten mit einem Hypo- oder Nasopharynxkarzinom – waren späte Rezidive und/oder lokale Zweittumoren (29% aller Todesfälle). Zweittumoren außerhalb der Kopf-Halsregion fanden sich bei rund einem Viertel der Patienten (23%) – und zwar vornehmlich in Lunge (53%) und Ösophagus (10%).
Noxen wie Tabak und Alkohol, die die Schleimhaut des oberen Aerodigestivtrakts im Sinne einer Feldkanzerisierung schädigen sind nach Einschätzung der Autoren der Hauptgrund für diese Zweittumoren. Deshalb sterben auch Patienten mit Larynxkarzinom, zu dessen wichtigsten Risikofaktoren das Rauchen gehört, deutlich häufiger an einem Zweittumor als Patienten mit einem HPV-assoziierten Tumor, heißt es in der Arbeit.
der Erkrankung
sehr negativ.“
Kardiovaskuläre Erkrankungen verursachten rund ein Fünftel (21%) der Todesfälle. Auch hier komme ein Mix bekannter Risikofaktoren wie Nikotinabusus, ungesunder Lebensstil und Alter als Ursache in Betracht, so die Autoren. Weitere häufigere Todesursachen bei HNSCC-Patienten waren chronisch-obstruktive Lungenerkrankung (COPD) (6%) sowie Pneumonien (2%).
Nachsorgeintervalle sollten überdacht werden
Hinsichtlich der häufigsten Todesursachen habe die Studie zwar keine Überraschungen ergeben, schreibt Prof. Dr. Jolie Ringash von der Abteilung für radiologische Onkologie der Universität in Toronto, Kanada, in einem begleitenden Editorial. Dennoch ließen sich sehr interessante Lehren ziehen [4]. Das Ergebnis der Studie unterstreiche die enorme Bedeutung präventiver und risikomindernder Maßnahmen in der Nachsorge – gerade angesichts des hohen Anteils an Rauchern im Kollektiv und deren kardiovaskulärer Gefährdung.
„Gerade ein fortgesetzter Alkohol- und Nikotinkonsum in Kombination mit einer Mangel- oder Fehlernährung beeinflussen den weiteren Verlauf der Erkrankung sehr negativ“, betont auch Lippert. Daher sei die enge Zusammenarbeit mit Hausärzten so wichtig.
Wie Ringash schreibt, zeige die aktuelle Studie aber auch, dass selbst nach 5 bis 10 Jahren noch bei gut einem Drittel der Patienten die Haupttodesursache ein Rezidiv oder ein lokaler Zweittumor sei. Das Risiko hierfür verringere über die Zeit offensichtlich nicht wie bislang angenommen. Es sei zu überdenken, ob HNSCC-Patienten tatsächlich nach 5 Jahren aus der regulären Nachsorge zu entlassen seien. Zumindest bei bestimmten Tumorentitäten, etwa dem Hypo- und Nasopharynxkarzinom, könne ein deutlich längerer Zeitraum angezeigt sein.
„Insgesamt sollte
sich die Nachsorge
bei Patienten mit Tumoren im Kopf-Hals-Bereich über 10 Jahre erstrecken.“
Leitlinien zu vage?
Zurzeit gehen die Expertenmeinungen zu Art und Dauer der Nachsorge bei Kopf-Hals-Tumoren teils noch weit auseinander: Einige befürworten eine ausgedehnte bildgebende Diagnostik und endoskopische Kontrollen in regelmäßigen kurzen Intervallen, andere plädieren – nicht zuletzt wegen der limitierten therapeutischen Möglichkeiten im Falle eines Rezidivs – für weniger strikte Vorgaben. Laut Ringash spieglt sich dies auch in den Leitlinien der European Society of Medical Oncology (ESMO) wider: Diese bleiben bei den empfohlenen Nachsorgeintervalle relativ vage.
„Die Nachsorge sollte vor allem an die individuelle Situation angepasst sein“, betont Lippert. So müsse z.B. ein Patient mit einem Larynxkarzinom, der aufgrund eines Sprechberufs eine Laryngektomie ablehnt und bei dem deshalb nur eine endoskopische Tumorresektion erfolgt, wegen des höheren Rezidivrisikos deutlich engmaschiger kontrolliert werden als andere.
Am nach den Kriterien der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG) zertifizierten Kopf-Hals-Tumorzentrum Heilbronn-Franken, das Lippert leitet, sieht das Nachsorgekonzept im ersten Jahr nach der Erstdiagnose alle 8 Wochen eine Kontrolluntersuchung vor. Die Intervalle verlängern sich im zweiten und dritten Jahr auf 12 bzw. 16 Wochen, im vierten Jahr auf 6 Monate und sind damit sogar noch enger gefasst als die Empfehlungen der DKG [5].
Ab dem fünften Jahr sind jährliche Kontrolluntersuchungen vorgesehen. „Insgesamt sollte sich die Nachsorge bei Patienten mit Tumoren im Kopf-Hals-Bereich über 10 Jahre erstrecken – das ist heutzutage eigentlich ein Muss“, so Lippert.
Die Nachsorge diene dabei auch der Entdeckung und Behandlung von Spätfolgen der initialen Therapie. Dazu gehören z.B. Schluck-, Sprach- und Geschmacksempfindungsstörungen. „Natürlich wirken sich diese Funktionseinschränkungen auch auf die Lebensqualität der Patienten aus“, so Lippert. Deshalb gehörten schließlich auch noch die Erkennung von psychischen Folgeerkrankungen sowie die soziale Rehabilitation zur Nachsorge.