Trastuzumab (Herceptin®) kann die Überlebenschancen von Frauen mit Brustkrebs im fortgeschrittenen Stadium verbessern. Die Behandlung mit dem humanisierten Antikörper verlängert die Überlebenszeit deutlich. Allerdings ist auch das Risiko für eine Herzschädigung erhöht, wie ein aktueller Cochrane Review zeigt [1].
Dennoch: Insgesamt ist der Nutzen von Trastuzumab deutlich größer als der Schaden, so die klare Bilanz der systematischen Übersichtsarbeit zu Wirksamkeit und Sicherheit der Behandlung von metastasiertem Brustkrebs mit Trastuzumab. Das Autorenteam um Dr. Sara Balduzzi von der Abteilung für Biomedizin an der Universität in Mailand steht für die Cochrane Breast Cancer Group und hat für die Analyse alle zu dieser therapeutischen Fragestellung relevanten Studien zusammengefasst.
„Dieser Review verdeutlicht, dass Trastuzumab die Überlebensrate und die Zeit bis zur Tumorprogression von Brustkrebspatientinnen signifikant verlängern kann”, sagt Dr. Lorenzo Moja, ebenfalls Universität Mailand und ein Koautor der Cochrane Analyse. Allerdings gibt es Einschränkungen: „Trastuzumab sollte man üblicherweise nicht mit Anthrazyklinen in der metastasierten Situation verwenden”, warnt Prof. Dr. Michael Untch, Chefarzt der Frauenklinik und Leiter des Brustzentrums im Helios Klinikum Berlin-Buch gegenüber Medscape Deutschland.
Der monoklonale Antikörper greift gezielt in die Tumorzellproliferation ein
in der metastasierten Situation verwenden.“
Der Review konzentriert sich auf Frauen mit HER2-positivem aggressivem Mammakarzinom. Prognose und Krankheitsverlauf von HER2-positiven Patientinnen sind vergleichsweise schlecht, da die hohe Zahl der HER2-Rezeptoren die Tumorzellproliferation vorantreibt. Etwa 25% der Brustkrebspatientinnen weisen eine Überexpression von HER2-Rezeptoren auf ihren Tumorzellen auf. Diese Oberflächenrezeptoren gehören zu den epidermalen Wachstumsfaktoren und triggern insbesondere in Tumorzellen Wachstum und Zellteilung.
Herceptin® greift hier gezielt ein: Der monoklonale Antikörper Trastuzumab bindet von der Zellaußenseite her spezifisch an den Oberflächenrezeptor HER2 auf den Krebszellen. Dadurch werden kaum noch Zellteilungs-Signale in die Krebszelle gesendet.
Trastuzumab ist in den USA seit 1998 und in der Europäischen Union seit April 2000 für die Behandlung von HER2-positiven Patientinnen zugelassen. Vor dem Beginn einer Therapie mit Trastuzumab wird der HER2-Status aus einer Gewebeprobe im Labor bestimmt. Die Therapie erfolgt in der Regel in Kombination mit anderen Medikamenten.
Nutzen- und Risikobilanz einer Trastuzumab-Therapie
Die Autoren des Cochrane Reviews analysierten Daten aus 7 verschiedenen bereits publizierten (2001-2012) klinischen Studien, an denen insgesamt 1.497 Frauen mit metastasiertem und HER-2 positivem Mammakarzinom teilnahmen. Die Patientinnen erhielten Trastuzumab alleine oder in Kombination mit Chemotherapie, Hormontherapie, oder anderen Medikamenten als Erstbehandlung oder später bei eintretender Tumorprogression. Die Ergebnisse wurden dann mit denen der Standardtherapie bzw. reiner Chemo- oder Hormonbehandlung verglichen.
die innere Schicht
des Herzens vorschädigen.“
Eine Behandlung mit Trastuzumab verlängerte die durchschnittliche Überlebenszeit, etwa ein Viertel der Frauen überlebten länger verglichen mit der Standardtherapie, so die kombinierten Ergebnisse nach 2 Jahren Nachbeobachtungszeit. Außerdem ließ sich mittels Trastuzumab die Zeit bis zur Tumorprogression um 2 bis 11 Monate verzögern. Am effektivsten war Trastuzumab als Erstbehandlung oder in Kombination mit Chemotherapie durch Taxane.
Neben dieser erwünschten Wirkung ist die Infusion von Trastuzumab aber auch mit kardiotoxischen Effekten verbunden. Wie groß der Nutzen dennoch ist und wie sehr er überwiegt, zeigt der Vergleich von Standardtherapie und der Behandlung mit Trastuzumab. So rechnen die Cochrane Autoren vor: Erhalten 1.000 Krebspatientinnen eine Standardtherapie ohne Trastuzumab, überleben nach 2 Jahren 300 dieser Frauen, und 10 entwickeln einen Herzschaden. Von den 1.000, die Trastuzumab erhalten, überleben dagegen 373 und 25 Patientinnen entwickeln schwere Herzschäden, die meist nach Absetzen des Medikaments reversibel sind.
Trastuzumab zeigte keine hämatologische Toxizität, die sich etwa in neutropenischem Fieber oder Anämie manifestiert. Die zur Verfügung stehenden Daten reichten nicht aus, um Aussagen über den Einfluss auf Lebensqualität oder das Auftreten von Hirn-Metastasen zu machen, schreiben die Autoren.
Anthrazykline plus Trastuzumab: Doppelte Kardiotoxizität
Für das Herz gefährlich ist vor allem die Kombination von Trastuzumab mit Anthrazyklinen, die häufig in Chemotherapien enthalten sind. Diese Kombination ist für Patientinnen mit metastasiertem Mammakarzinom nicht zu empfehlen, so die Ergebnisse des Cochrane Reviews. Den Wirkmechanismus der doppelt herzschädigenden Kombitherapie erklärt der Gynäkologe und Brustkrebsspezialist Untch auf Nachfrage von Medscape Deutschland so: „Anthrazyklin kann ab einer gewissen Dosis die innere Schicht des Herzens vorschädigen. Herceptin® kann dann an das bereits angegriffene Herzmuskelgewebe andocken und so einen zweiten Schaden verursachen. Sogar die Pumpfunktion des Herzens kann auf diese Weise eingeschränkt werden.“
Um die Pumpfunktion des Herzens zu erfassen, solle man eine Herz-Echountersuchung durchführen, bevor Trastuzumab verabreicht wird. Anthrazykline können vor oder nach der Trastuzumab-Behandlung gegeben werden. Untch geht davon aus, dass man künftig Trastuzumab mit anderen Chemotherapeutika vorteilhaft kombinieren kann. „Es gibt eine Reihe von sehr guten Kombinationspartnern für Herceptin® in der metastasierten Situation. Dazu gehören Taxane wie z.B. Paclitaxel und Docetaxel, Vinorelbin, Gemcitabin, und Medikamente aus der Gruppe der Platine”, erläutert Untch. Bei Hormonrezeptor-positiven Patientinnen könne man darüber hinaus mit Tamoxifen oder Aromatase-Hemmern arbeiten.