Erkauft mit mehr Herpes zoster? Tofacitinib wirkt besser als Methotrexat gegen Rheumatoide Arthritis

Andrea Wille | 26. Juni 2014

Autoren und Interessenkonflikte

Mit Tofacitinib ist der erste orale Januskinase(JAK)-Hemmer, der zur Behandlung der Rheumatoiden Arthritis zugelassen worden ist, jedoch mit Einschränkung: Während die europäische Arzneimittelbehörde EMA die Zulassung 2013 abgelehnt hatte, wurde Tofacitinib in der Schweiz zugelassen, allerdings nur für den Fall, dass Methotrexat (MTX) nicht wirkt oder nicht vertragen wird.


Prof. Dr. Jürgen Braun

In einer aktuell im New England Journal of Medicine veröffentlichten Phase-3-Studie (ORAL Start) hat der Arzneimittelhersteller Pfizer den neuen Wirkstoff nun mit MTX verglichen und dessen Überlegenheit unter Beweis gestellt: Der JAK-Hemmer war signifikant wirksamer als MTX, allerdings um den Preis höherer Nebenwirkungen, vor allem gab es mehr Fälle von Herpes zoster.

„MTX ist der absolute Goldstandard und wirkt bei über 50 Prozent der Patienten gut beziehungsweise ausreichend. Tofacitinib hat mit Sicherheit Potenzial und ist nach dieser Studie wirksamer als MTX allein“, erklärt Prof. Dr. Jürgen Braun, ärztlicher Direktor des Rheumazentrums Ruhrgebiet, gegenüber Medscape Deutschland.


Prof. Dr. Frank Moosig

MTX gilt aufgrund seiner guten Verträglichkeit als Standard-Basistherapie bei rheumatoider Arthritis. „Dennoch bleibt ein Teil der Patienten, bei denen MTX nicht ausreichend wirksam ist, oder auch nicht vertragen wird. Für diese Patienten stehen eine Reihe anderer Medikamente bereits zur Verfügung, unter anderem die sogenannten Biologika“, so Prof. Dr. Frank Moosig, leitender Arzt an der Klinik für Rheumatologie und Immunologie Bad Bramstedt, gegenüber Medscape Deutschland.

Tofacitinib: intrazelluläre Hemmung

Auch Tofacitinib soll bei denjenigen Patienten eine Lösung bieten, bei denen die Erkrankung trotz MTX voranschreitet. Der JAK-Inhibitor lässt sich oral verabreichen und entfaltet seine immunsuppressive Wirkung intrazellulär, wo er gleich mehrere Signale verschiedener proinflammatorische Zytokine moduliert. Wie andere Immunsuppressiva leistet allerdings auch Tofacitinib der Entstehung von Infektionskrankheiten und der Transformation von malignen Zellen Vorschub.

Bei der nun veröffentlichten ORAL Start handelt es sich um eine randomisierte Doppelblindstudie, die an 151 Zentren weltweit in den Jahren 2010 bis 2013 durchgeführt worden ist. Von insgesamt 956 Patienten erhielten 373 Patienten zweimal täglich 5 mg Tofacitinib, 397 Patienten zweimal täglich 10 mg Tofacitinib und 186 Patienten MTX, dessen Dosis auf 20 mg pro Woche innerhalb von 8 Wochen auftitriert wurde. Beide Wirkstoffe wurden als Monotherapie über 24 Monate an Patienten mit rheumatoider Arthritis verabreicht, die vorher kein MTX erhalten und seit etwa 3 Jahren moderate bis schwere rheumatoide Arthritis hatten.

„Tofacitinib hat mit Sicherheit Potenzial und ist nach dieser Studie wirksamer als MTX allein.“
Prof. Dr. Jürgen Braun

„Die Studie ist meines Erachtens gut gemacht. Insbesondere wurde eine adäquate Dosis MTX eingesetzt, was in vielen früheren Vergleichsstudien nicht der Fall war“, erklärt Moosig. Als primäre Endpunkte im Monat 6 wurden die gemittelte Veränderung zum Ausgangswert im modifizierten Total-Sharp-van der Heijde-Score (0 bis 448 Punkte) sowie der Anteil der Patienten mit einem ACR-70-Ansprechen definiert. Je höher die Punktzahl, desto stärker die Gelenkbeschwerden. Ein ACR-70-Ansprechen bedeutet eine Verbesserung der Symptomatik um 70% auf der Skala des American College of Rheumatology (ACR).

Hierbei wurde der Fokus auf die Reduktion empfindlicher und geschwollener Gelenke gelegt sowie auf eine Verbesserung in 3 von 5 Kriterien um ebenfalls mindestens 70 %. Diese Kriterien sind: die Bewertung der Schmerzen durch die Patienten, der Grad der körperlichen Behinderung, die Konzentration des C-reaktiven Proteins, die Erythrozyten-Sedimentationsrate und das Voranschreiten der Krankheit – zum einen bewertet von den Patienten und zum anderen durch  den Arzt.

Sekundäre Endpunkte waren Veränderungen im Total-Sharp-van der Heijde-Score nach 12 und 24 Monaten sowie der Erosions-Score und Gelenkspalt-Score in den Monaten 6,12 und 24. Der Anteil der Patienten ohne Röntgenprogression und ohne neue Erosion wurde ebenfalls in diesen Zeitrastern erfasst.

An den Nebenwirkungen entzündet sich viel Kritik

Die mittlere Veränderung im Total-Sharp-Score vom Ausgangswert bis zum 6. Monat war signifikant kleiner in der Tofacitinib-Gruppe als in der MTX-Gruppe. Allerdings waren die Veränderungen in allen drei Gruppen gering: 0,2 Punkte in der 5 mg-Tofacitinib-Gruppe und < 0,1 Punkte in der 10 mg-Tofacitinib-Gruppe, jeweils im Vergleich zu 0,8 Punkten in der MTX-Gruppe (p < 0,001 für beide Vergleiche). 25,5% der 5 mg-Tofacitinib-Gruppe und 37,7% der 10 mg-Tofacitinib-Gruppe zeigten ein ACR-70-Ansprechen im 6. Monat im Vergleich zu 12,2% der Patienten, die MTX einnahmen (p < 0,001 für beide Vergleiche). Eine gute Wirksamkeit von Tofacitinib in der Monotherapie hatte auch bereits die ORAL Solo-Studie ergeben [2].

„In der Tat ist das Wirkprinzip sehr breit und man kann sich gut vorstellen, dass die Inhibition von Januskinasen zu erheblichen Nebenwirkungen führen kann.“
Prof. Dr. Jürgen Braun

Der Anteil der Patienten ohne Röntgenprogression oder Erosion war in den Monaten 6,12 und 24 in beiden Tofacitinib-Gruppen signifikant größer als in der MTX-Gruppe (p = 0,05 für alle Vergleiche).

„Die Aussagekraft der Studie ist nicht schlecht, sie hat aber Limitationen. Das Patientenkollektiv ist mir nicht ganz klar, die Patienten hatten die Krankheit schon 3 Jahre – ohne Basistherapie? Insgesamt war die Röntgenprogression gering. Das Studiendesign entspricht nicht dem üblichen Vorgehen, nach dem Treat-to-Target-Prinzip würde man nach 3 Monaten die Therapie mit MTX allein verändern. Mir ist nicht bekannt, ob die Patienten auch Kortison erhielten“, kritisiert Braun die Methodik der Studie.

Ein Nachteil der Tofacitinib-Therapie ist die erhöhte Zahl an problematischen Nebenwirkungen, wovon die meisten Infektionen und Magen-Darm-Störungen waren. Obwohl die Infektionsrate im Vergleich ähnlich hoch war, zeigten sich Unterschiede im Detail: So entwickelten 31 von 770 Patienten (4%), die Tofacitinib einnahmen einen Herpes zoster im Vergleich zu lediglich 2 von 186 (1,1%) der Patienten, die MTX einnahmen.

Auch das Risiko für maligne Entartungen stieg mit Tofacitinib: So wurden 5 Fälle bei Patienten unter Tofacitinib berichtet mit 3 Fällen von Lymphomen, bei MTX war es nur ein Patient. Zudem wurden 3 Todesfälle in der 5 mg-Tofacitinib-Gruppe und ein Todesfall in der 10mg-Tofacitinib-Gruppe berichtet. In der MTX-Gruppe gab es keinen Todesfall.

„Die Häufung der Fälle von Herpes zoster ist ebenfalls auffällig.“
Prof. Dr. Frank Moosig

Die Einnahme von Tofacitinib ging darüber hinaus mit einer Erhöhung des Serum-Kreatinins, des HDL- und LDL-Cholesterins einher. „In der Tat ist das Wirkprinzip sehr breit und man kann sich gut vorstellen, dass die Inhibition von Januskinasen zu erheblichen Nebenwirkungen führen kann“, so Braun. Auch Moosig sieht die Nebenwirkungen kritisch: „Die absoluten Nebenwirkungsraten waren vergleichbar hoch in den drei Therapiearmen der Studie. Dennoch sollten weitere Sicherheitsdaten gesammelt werden. Insbesondere kamen Todesfälle nur in den Tocacitinib Gruppen vor. Dies sollte, auch wenn es bei kleiner Fallzahl keine statistische Signifikanz erreicht, beobachtet werden. Die Häufung der Fälle von Herpes zoster ist ebenfalls auffällig.“

Außerdem weist er auf die noch fehlende Marktreife hin: „Die EMA hat die Zulassung von Tofacitinib bisher abgelehnt. Insofern stellt sich aktuell die Frage nach einer möglichen Verschreibung nicht. Davon abgesehen stehen derzeit ja bereits zahlreiche Optionen zur Verfügung, so dass Tocacitinib zunächst als Reservemedikament einzuschätzen wäre“, erklärt Moosig.

Referenzen

Referenzen

  1. Lee EB, et al: NEJM 2014; 370(25):2377-2386
    http://dx.doi.org/10.1056/NEJMoa1310476
  2. Fleischmann R, et al: NEJM 2012;367:495-507
    http://dx.doi.org/10.1056/NEJMoa1109071

Autoren und Interessenkonflikte

Andrea Wille
Es liegen keine Interessenkonflikte vor.

Braun J, Moosig F: Es liegen keine Interessenkonflikte vor.

Lee EB, Fleischmann R: Erklärungen zu Interessenkonflikten finden sich in der Originalpublikation.

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