Gefahr vom Grill: Würstchen und Co lassen das Herzinsuffizienz-Risiko steigen

Julia Rommelfanger | 25. Juni 2014

Autoren und Interessenkonflikte

Zu viel Fleisch schadet der Gesundheit – so viel ist längst bekannt. Dass aber ausgerechnet Würstchen (und andere verarbeitete Fleischprodukte) anscheinend besonders gefährlich für das Herz zu sein scheinen, dürfte Grillfans gar nicht schmecken: Das Risiko einer Herzinsuffizienz ist bei Männern, die viel verarbeitetes rotes Fleisch essen – dazu zählen unter anderem Aufschnitt, Salami, Schinken, Würstchen und Hot Dogs – um 28% höher als bei denen, die wenig bis kein verarbeitetes rotes Fleisch essen. Verantwortlich für das erhöhte Risiko könnte die Zugabe von Salz und Konservierungsstoffen sein, vermuten die Autoren einer prospektiven Langzeitstudie unter schwedischen Männern, die in Circulation: Heart Failure veröffentlicht worden ist [1].

„Verarbeitetes Fleisch enthält im Allgemeinen Natrium, Nitrate, Phosphate und andere Lebensmittelzusätze, und geräuchertes und gegrilltes Fleisch enthält zusätzlich polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe, die alle zu dem erhöhten Risiko für Herzinsuffizienz beitragen können“, so Studienautorin Alicja Wolk vom Karolinska Institutet in Stockholm, Schweden.

Tröstlich für Fleischfans: Nicht-weiterverarbeitetes Rind, Schwein oder Lamm in Form von Steaks, Hackfleisch oder Koteletts scheint das Risiko einer Herzinsuffizienz oder den Tod durch Herzinsuffizienz nicht zu beeinflussen.

„Die Frage ist: Worin besteht hinsichtlich des Herzinsuffizienz-Risikos wirklich der Unterschied zwischen verarbeitetem und unverarbeitetem Fleisch?“
Prof. Dr. Heiner Boeing

Ist das Fleisch selbst oder sind die Zusätze ungesund?

„Herzinsuffizienz ist ein Krankheitsbild, das nicht zu vernachlässigen ist“, warnt Prof. Dr. Heiner Boeing vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung (DIfE) in Potsdam-Rehbrücke gegenüber Medscape Deutschland. Jährlich erkranken etwa 130.000 Menschen in Deutschland an symptomatischer Herzinsuffizienz, laut Zahlen der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK). Chronische Herzinsuffizienz als eine der häufigsten Ursachen für Krankenhauseinweisungen bei älteren Patienten betrifft etwa 1,2% der Bevölkerung – Tendenz steigend.

„Je mehr wir über die Risiken bestimmter Krankheitsbilder wissen, desto differenzierter können wir die Bevölkerung aufklären“, sagt Boeing. Unklar seien jedoch bisher die Ursachen für das erhöhte Herzinsuffizienz-Risiko beim Verzehr von verarbeitetem Fleisch, die Boeing nicht zwangsläufig in den Zusatzstoffen sieht. „Die Frage ist: Worin besteht hinsichtlich des Herzinsuffizienz-Risikos wirklich der Unterschied zwischen verarbeitetem und unverarbeitetem Fleisch? Wenn man Toxikologen fragt, bekommt man unterschiedlichste Antworten“, gibt er zu bedenken. Entscheidend sei eventuell auch die Fleischqualität oder der höhere Fettgehalt in verarbeitetem Fleisch.


„Um das Risiko einer Herzinsuffizienz … zu reduzieren, raten wir zum Verzicht auf verarbeitetes rotes Fleisch und zur Beschränkung
des Verzehrs von unverarbeitetem rotem Fleisch auf
eine oder zwei Portionen in der Woche oder weniger.“
Dr. Joanna Kaluza

Bisherige Studien haben ergeben, dass mit dem Konsum von rotem und/oder verarbeitetem Fleisch das KHK- und Schlaganfall-Risiko steigt sowie die Wahrscheinlichkeit, an einer kardiovaskulären Ursache zu sterben. Der Einfluss von verarbeitetem vs. unverarbeitetem Fleisch auf das Risiko für eine Herzinsuffizienz wurde bisher aber nicht untersucht, schreiben die Forscher aus Schweden und Polen um Dr. Joanna Kaluza von der Warschau University of Life Sciences.

Sie haben das Auftreten von Herzinsuffizienz und die Mortalität aufgrund von Herzinsuffizienz bei 37.035 schwedischen Männern im Alter von 45 bis 79 Jahren, die zuvor frei von Herzinsuffizienz, ischämischen Herzkrankheiten oder Krebs waren, fast 12 Jahre lang verfolgt. Zu Studienbeginn hatten alle Teilnehmer einen Ernährungsfragebogen und Fragen zum Lebensstil beantwortet. Unter den 96 Fragen im „Food Frequency Questionnaire“ (FFQ) waren 7 Fragen zum Verzehr von verarbeitetem und unverarbeitetem rotem Fleisch.

Insgesamt wurde bei 2.891 Männern im Studienzeitraum eine Herzinsuffizienz diagnostiziert; 266 Teilnehmer starben daran. Männer, die mindestens 75 Gramm verarbeitetes Fleisch oder Wurst pro Tag aßen, hatten nach Korrektur für zahlreiche Lebensstilvariablen wie Bildung, Alter, Body-Mass-Index (BMI), Rauchen, sportliche Betätigung oder Acetylsalicylsäure(ASS)-Einnahme ein um 28% höheres Risiko einer Herzinsuffizienz als Männer, die höchstens 25 Gramm pro Tag zu sich nahmen. Zudem liefen sie eher Gefahr, an Herzinsuffizienz zu sterben – ihr Mortalitätsrisiko aufgrund einer Herzinsuffizienz war doppelt so hoch wie bei Männern, die wenig Wurst und Co. zu sich nahmen.

„Solange wir
die genauen Mechanismen nicht kennen, können wir keine Botschaft an
die Patienten formulieren.“
Prof. Dr. Heiner Boeing

Jede zusätzliche Tagesportion – das heißt: 50 Gramm oder eine bis 2 Scheiben Wurst oder Schinken – erhöhte die Herzinsuffizienz-Inzidenz um 8%, während der Verzehr von unverarbeitetem Fleisch kein erhöhtes Risiko nach sich zog.

Auf die Grillwurst ganz verzichten?

„Um das Risiko einer Herzinsuffizienz und anderer kardiovaskulärer Erkrankungen zu reduzieren, raten wir zum Verzicht auf verarbeitetes rotes Fleisch und zur Beschränkung des Verzehrs von unverarbeitetem rotem Fleisch auf eine oder zwei Portionen in der Woche oder weniger“, sagt Kaluza.

Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt, pro Woche nicht mehr als 300 bis 600 Gramm Fleisch und Wurst zu essen und unterscheidet dabei nicht zwischen verarbeitetem und nicht-verarbeitetem Fleisch. Männer in Deutschland essen laut DGE mit 1.092 Gramm in der Woche doppelt so viel Fleisch, Fleischerzeugnisse und Wurstwaren wie Frauen.

Auch aufgrund der aktuell noch unklaren Wirkungsmechanismen von verarbeitetem rotem Fleisch auf das Risiko für eine Herzinsuffizienz möchte Boeing vom DIfE auf eine Empfehlung verzichten. „Solche wissenschaftlichen Erkenntnisse zum Zusammenhang von Ernährungsfaktoren mit bestimmten Krankheitsbildern sind nicht direkt in Handlungen umsetzbar“, erklärt der Forscher im Gespräch mit Medscape Deutschland. „Und solange wir die genauen Mechanismen nicht kennen, können wir keine Botschaft an die Patienten formulieren.“ Zu diesem Zeitpunkt könne man lediglich von einem weiteren Baustein sprechen, der zur Risikoerhöhung beitrage.

Aktuell analysiert sein Team am DIfE den Einfluss verschiedener Ernährungsfaktoren, unter anderem von Fleischkonsum, auf die Inzidenz von Herzinsuffizienz in einer Potsdamer Kohortenstudie, ebenfalls mit einer Beobachtungszeit von 12 Jahren. Erste Ergebnisse seien in etwa einem halben Jahr zu erwarten, prognostiziert Boeing. Bisher sagt er, sei Herzinsuffizienz im Zusammenhang mit Ernährung in der Forschung im Vergleich zu Myokardinfarkt oder Schlaganfall etwas vernachlässigt worden.

Referenzen

Referenzen

  1. Kaluza J, et al: Circ Heart Fail (online) 12. Juni 2014
    http://dx.doi.org/10.1161/CIRCHEARTFAILURE.113.000921

Autoren und Interessenkonflikte

Julia Rommelfanger
Es liegen keine Interessenkonflikte vor.

Wolk A, Boeing H, Kaluza J: Es liegen keine Erklärungen zu Interessenkonflikten vor.

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