Athen – Da sage noch einer, aus Griechenland kämen keine guten Nachrichten. Was dort kürzlich auf dem Heart Failure Congress 2014 zu hören war, ist nicht nur eine gute Nachricht, sondern – aus medizinischer Sicht – eine kleine Sensation [1].
Prof. Dr. Milton Packer, Southwestern Medical Center Dallas,USA, und sein Kollege Prof. Dr. John McMurray, University of Glasgow, Großbritannien, berichteten über die Hintergründe des frühzeitigen Stopps der Studie PARADIGM-HF. Schon Ende März hatte Novartis in einer Pflichtmitteilung die vorzeitige Beendigung der Studie bekannt gegeben [2].
Das Data Monitoring Committee hatte wegen der überzeugenden Zwischenergebnisse – unter der Testmedikation LCZ696 kam es deutlich seltener zu kardiovaskuläre Todesfällen oder Klinikeinweisungen aufgrund einer Herzinsuffizienz im Vergleich zu einer Therapie mit Enalapril – dringend empfohlen, die Studie bereits vor dem ursprünglich geplanten Abschluss zu beenden.
Die Überraschung bei den Studienleitern war groß, wie McMurray in Athen sagte: „Die Studie war wegen der Überlegenheit der Testsubstanz beendet worden. Das passiert nicht sehr häufig.“ Im Falle von PARADIGM-HF kam noch hinzu, dass die Kriterien für einen solchen frühzeitigen Abbruch sehr ambitioniert formuliert worden waren. „Für beide vordefinierten Endpunkte – Klinikaufnahme wegen Herzinsuffizienz und kardiovaskuläre Mortalität sowie kardiovaskuläre Mortalität allein – mussten statistisch hochsignifikante Reduktionen erreicht werden“, erläuterte McMurray [3].
Hilfreich war da möglicherweise, dass PARADIGM-HF mit 8.458 Studienteilnehmern die bislang größte Studie war, die eine medikamentöse Therapie bei Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz geprüft hat.
Studiendesign an SOLVD-Studie orientiert
Ziel der Studie war es, zusätzlich zur üblichen Standardtherapie die Effektivität und Sicherheit der Testsubstanz LCZ696, eines Angiotensinrezeptor-Neprilysin-Inhibitors, im Vergleich zu einer Therapie mit dem ACE-Hemmer Enalapril bei Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz und eingeschränkter Ejektionsfraktion zu prüfen. Die Behandlung mit einem ACE-Blocker wie Enalapril gilt bekanntlich als therapeutischer Goldstandard bei dieser Indikation. Schließlich haben Studien wie die SOLVD-Studie mit Enalapril gezeigt, dass der ACE-Hemmer die kardiovaskuläre Mortalität senkt [4,5].
Deshalb orientierten sich die Studiendesigner von PARADIGM-HF bei der Dosierung für den ACE-Hemmer (10 mg, 2 x tgl.) auch an SOLVD. Bei der Dosierung des Angiotensinrezeptor-Neprilysin-Inhibitors war das Ziel, eine Serumkonzentration zu erreichen, wie mit 160 mg Valsartan. Zudem musste die Dosis von LCZ696 ausreichen, um die Neprilysin-Wirkung zu hemmen. Mit einer Dosis 200 mg 2-mal täglich waren beide Voraussetzungen erfüllt.
LCZ696 ist ein Hybrid aus dem Blutdrucksenker Valsartan und LBO675, einem Hemmer der neutralen Endopeptidase, dem Neprilysin. Dieses katalysiert den Abbau der natriuretischen Hormone ANP (atrial-natriuretisches Peptid) und BNP (B-Typ natriuretisches Peptid). ANP und BNP verringern den Sympathikustonus und vermitteln antihypertrophe Effekte an der Herz- und Gefäßmuskulatur.
Nur Patienten mit milder Herzinsuffizienz in der Studie?
Bei aller positiven Aufregung um PARADIGM-HF – große Einblicke konnten McMurray und Packer in die Studiendaten noch nicht gewähren. Diese befänden sich noch in der Auswertung, wie die beiden Studienleiter in Athen mitteilten. „Wir wissen selbst fast nichts über die Resultate“, sagte Packer in einem Gespräch mit Medscape Deutschland. Wahrscheinlich werden erste Details zu den Studienergebnissen auf dem Kongress der European Society of Cardiology (ESC) Ende August in Barcelona vorgestellt.
Das Fehlen von Hintergrundinformationen hinderte die Kongressteilnehmer allerdings nicht, auch einige mögliche Kritikpunkte zur Sprache zu bringen. So warf Dr. Clyde Yancy, Northwestern University Chicago, USA, die Frage auf, welchen Wert die Studiendaten wirklich haben werden. Vorzeitig beendete Studien führten häufig zu überschätzten Vorteilen und zu unterschätzten Risiken hinsichtlich der Sicherheit, warnte Yancy. Deshalb solle man sich die notwendige Zeit nehmen, „um alle Resultate und Daten sorgfältig zu prüfen“ [6].
Außerdem müssten die Patientencharakteristika vollständig vorliegen und allgemein zugänglich sein. Schließlich könne es sein, dass die Patienten in PARADIGM-HF nur eine milde Herzinsuffizienz aufwiesen. Immerhin hätten 70% der Patienten, die in die Studie aufgenommen worden sind, nur ein NYHA-Stadium 2.
Im Gespräch mit Medscape Deutschland verwies Prof. Dr. Sabine Genth-Zotz, Katholisches Klinikum Mainz, auf eine weitere Problematik der Studie: PARADIGM-HF sei als Langzeitstudie angelegt. Für solche Untersuchungen sei es zum einen immer schwierig, Patienten zu rekrutieren. Zudem stelle über einen so langen Zeitraum die abnehmende Motivation der Patienten eine Hürde dar.
Tatsächlich, so berichtet Packer, waren in die Patientenrekrutierung weltweit 1.042 Studienorte involviert. Über die durchschnittliche Studiendauer könne noch keine Aussage gemacht werden. Packer vermutet, dass das Gros 3 Jahre beobachtet worden ist, einige Patienten möglicherweise über 5 Jahre.
So bleibt nur abzuwarten, ob die positive Grundstimmung in Griechenland im Sommer beim ESC-Kongress in Spanien ihre Bestätigung findet.