Startschuss für Vedolizumab gegen chronisch-entzündliche Darmerkrankungen: Ende Mai hat die Europäische Kommission dem monoklonalen Antikörper die Zulassung erteilt [1]. Zukünftig soll Vedolizumab (Entyvio®, Takeda Pharmaceuticals) erwachsenen Patienten mit moderater bis schwerer Colitis ulcerosa oder Morbus Crohn helfen, bei denen eine konventionelle Therapie (z.B. mit Kortikoiden oder Immunmodulatoren) oder eine Behandlung mit TNF-alpha-Antagonisten nicht angesprochen hat oder nicht toleriert wurde.

Prof. Dr. Jörg C. Hoffmann, Chefarzt der Medizinischen Klinik I am St. Marienkrankenhaus in Ludwigshafen, begrüßt auf Nachfrage von Medscape Deutschland die Zulassung und möchte Vedolizumab baldmöglichst einsetzen. „Das Biologikum bietet eine Therapieoption für Patienten, bei denen alle anderen medikamentösen Strategien versagt haben“, sagt er. Bislang blieb als Ultima Ratio nur die chirurgische Therapie mit Resektion betroffener Darmabschnitte.
Geringe Response spricht gegen den Einsatz als Primärmedikation
Die Frage, ob der Antikörper die konventionellen Therapien oder gar TNF-alpha-Hemmer ersetzen könnte, stellt sich dagegen für Hoffmann momentan, zumindest bezogen auf den Morbus Crohn, nicht. So sei vor allem die in den Vedolizumab-Studien belegte Response eher gering ausgefallen. Tatsächlich zeigten die zwei zeitgleich im vergangenen Jahr veröffentlichten Phase-3-Studien im New England Journal of Medicine zu Vedolizumab bei Colitis ulcerosa (Gemini I) und Morbus Crohn (Gemini II), dass das Biologikum längst nicht bei jedem der Betroffenen die Symptome wie Durchfall oder Blutungen lindern kann [2,3].
Rund 2.400 Patienten waren in die beiden Studien eingeschlossen. Vorangegangene Therapieversuche mit Glukokortikoiden, immunsuppressiven Mitteln und/oder einem TNF-alpha-Antagonisten mussten bei den Teilnehmern bereits gescheitert sein. In beiden Placebo-kontrollierten Studien wurde zunächst getestet, ob die Patienten überhaupt auf das Präparat ansprechen (mind. minus 3 Punkte auf dem Mayo-Score). Nach 6 Wochen war dies bei 47% der Colitis-ulcerosa-Patienten der Fall und bei 31% der Morbus-Crohn-Patienten. In den Placebo-Armen berichteten jeweils 26% von vergleichbaren Besserungen.
Nach einem Jahr waren dann von den Colitis-ulcerosa-Patienten mit einer Response unter Vedolizumab je nach Dosierung noch 42 bis 45% in einer Remission gegenüber 16%, die nach der 6-wöchigen Induktionsphase mit einem Placebo weiterbehandelt wurden. Und von den Morbus-Crohn-Patienten, die auf die Therapie angesprochen hatten, befanden sich dosisabhängig noch 36 bis 39% in der Ruhephase gegenüber 22% im Placebo-Arm.
Letztlich zeigte der Antikörper also eine etwas bessere Wirkung bei Colitis ulcerosa, doch rein rechnerisch befand sich nach einem Jahr auch hier nur etwa jeder 5. Betroffene in einer Remission (Medscape Deutschland berichtete).
Nicht zum ersten Mal werden Hoffnungen in einen Antikörper gesetzt
Es ist nicht das erste Mal, dass ein monoklonaler Antikörper die Hoffnungen von Patienten mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen schürt. Auch das Multiple-Sklerose-Medikament Natalizumab, wie Vedolizumab ein Integrin-Rezeptorantagonist, hatte bereits in Studien eine gute Wirksamkeit bei Morbus Crohn gezeigt. Schwerwiegende Komplikationen verhinderten jedoch letztlich den breiten Einsatz bei entzündlichen Darmerkrankungen.
option für Patienten, bei denen alle anderen medikamentösen Strategien versagt haben.“
Was die beiden Antikörper voneinander unterscheidet: Während sich Vedolizumab gegen das a4ß7-Integrin richtet und damit laut Hersteller spezifisch die Einwanderung von Abwehrzellen in den Darm unterdrückt, hemmt Natalizumab das a4ß1-Integrin, welches vor allem den Eintritt von Lymphozyten ins Gehirn verhindert. Bei immunsupprimierten Patienten kam es deshalb in seltenen Fällen unter Natalizumab zu einer Reaktivierung des JC-Virus kommen mit der Folge einer häufig tödlich endenden multifokalen Leukoenzephalopathie (PML).
Vedolizumab als Primärmedikation – nur bei latenten Tuberkulosen
In den Gemini-Studien wurden die Patienten engmaschig auf neurologische Symptome überwacht, eine PML trat unter den Studienbedingungen nicht auf. Ein geringes Risiko könnte jedoch trotzdem bestehen. Die Zulassung ist auch deshalb an einen Pharmakovigilanz-Plan gebunden.
In der Gemini-II-Studie (Morbus Crohn) traten bei den Studienteilnehmern auch andere schwerwiegende Nebenwirkungen (24,4% vs 15,3%) und ernsthaften Infektionen (5,5% vs 3%) häufiger als im Placebo-Arm auf.
Hoffmann, Co-Autor mehrerer Leitlinien über Morbus Crohn und Colitis ulcerosa, ist nun gespannt, welche Ergebnisse die Postmarketing Surveillance bringen wird. Noch würden die fehlenden Erfahrungen mit Unverträglichkeiten und Nebenwirkungen – zusammen mit der geringen Response – jedenfalls gegen den Einsatz von Vedolizumab als Primärmedikation sprechen.
Mit einer Ausnahme: „Bei Patienten mit einer latenten Tuberkulose können TNF-alpha-Antagonisten die ruhende Erkrankung reaktivieren“, erklärt Hoffmann. Da bei Patienten mit Autoimmunerkrankungen die so reaktivierten Tuberkulosen häufig tödlich seien, könnte man nach einem positiven Tbc-Screening Vedolizumab einem TNF-alpha-Antagonisten den Vorzug geben.