Ein Kaiserschnitt senkt die Fruchtbarkeit einer Frau nicht oder zumindest nur minimal. Darauf weisen jüngst im Fachjournal Human Reproduction veröffentlichte Ergebnisse einer britischen Autorengruppe um Dr. Ipek Gurol-Urganci von der London School of Hygiene and Tropical Medicine hin [1].

Zwar bestätigt sich auch in der aktuellen retrospektiven Kohortenstudie mit über einer Million Erstgebärenden die Erkenntnis, dass Frauen nach einem Kaiserschnitt insgesamt etwas weniger Kinder bekommen als jene, die auf natürliche Weise entbunden haben. Auf den Eingriff selbst sei dies aber nicht zurückzuführen. „Die klinischen und sozialen Umstände, die zu einem Kaiserschnitt führen, haben einen größeren Einfluss auf die künftige Fruchtbarkeit als der Kaiserschnitt selber“, fassen die Autoren ihre Ergebnisse zusammen.
Nach Ansicht von Dr. Christian Albring, Präsident des Berufsverbandes der Frauenärzte, blieben in der Studie jedoch bestimmte Aspekte unberücksichtigt: „Wir haben in Deutschland große Ethnien, in denen eine hohe Kinderzahl gewünscht ist und die gleichzeitig traditionell eine natürliche Geburt bevorzugen. Dasselbe trifft vermutlich auch auf Großbritannien zu“, sagt der Hannoveraner Frauenarzt. Ebenso sei die Vorstellung, nur eines oder zwei Kinder zu bekommen, in Gesellschaftsschichten verbreiteter, die einen Kaiserschnitt als Option leichter in Betracht ziehen. Die Autoren vermuten ebenfalls solche Bias. Sie müssten in einer Folgestudie auf jeden Fall erhoben werden, um aus dem Bereich der Mutmaßungen herauszukommen.“
Nur Niedrigrisikoschwangerschaften berücksichtigt
Andere Verzerrungen dagegen haben die Autoren durchaus versucht zu eliminieren. So hätten zwar verschiedene Studien gezeigt, dass Frauen nach einem Kaiserschnitt im Vergleich zu Frauen, die natürlich entbunden haben, weniger Kinder auf die Welt bringen und die Abstände zwischen nachfolgenden Geburten größer sind. Aber: „Eine wesentliche Einschränkung der bisherigen Studien war die unzureichende Berücksichtigung eines Indikationsbias“, halten sie fest.
schnitt führen, haben einen größeren Einfluss auf die künftige Fruchtbarkeit als der Kaiserschnitt selber.“
So könnte die Geburtenrate nach einer Sectio auch durch vorangegangene Kaiserschnitterfahrungen der Mutter und durch die klinischen Umstände, die zu dem Kaiserschnitt geführt haben, beeinflusst werden. Beispielsweise würden – insbesondere ältere – Frauen, die zuvor wegen Unfruchtbarkeit behandelt worden waren, eher durch einen Kaiserschnitt entbunden. Und Frauen, die unter Diabetes, Bluthochdruck oder Autoimmunerkrankungen litten, könnte von weiteren Schwangerschaften abgeraten worden sein.
Um das Risiko eines solchen Indikationsbias auszuschließen, konzentrierten sich Gurol-Urganci und Kollegen deshalb erstmals nur auf Niedrigrisikoschwangerschaften. Sie schlossen dazu zum einen Frauen aus ihrer Hauptanalyse aus, die bereits wegen Unfruchtbarkeit behandelt worden waren oder deren Krankengeschichte Hinweise auf Unfruchtbarkeit aufwiesen, sowie Frauen mit Hochrisikoschwangerschaften, d.h. mit Plazenta praevia, Präeklampsie, Eklampsie, Bluthochdruck oder Diabetes.
Sectio-Indikation beeinflusst nachfolgende Geburtenrate
Die relevanten Informationen erhielt die Autorengruppe aus der Datenbank des britischen National Health Service. Daten von insgesamt 1.047.644 Frauen zwischen 15 und 40 Jahren, die 2000 bis 2012 ihr erstes Kind zur Welt gebracht hatten, flossen in die Auswertung ein. Insgesamt 21,4% dieser Erstgebärende hatten per Kaiserschnitt entbunden.
10 Jahre nach Kaiserschnitt oder vaginaler Entbindung lag dann die Geburtenrate im Mittel bei 74,7%. Und für Gurol-Urganci und Kollegen bestätigte sich zwar die Erkenntnis, dass eine Schnittentbindung im Vergleich zu vaginalen Geburten eine niedrigere Geburtenrate nach sich zieht. Die jeweilige OP-Indikation erwies sich in dem Zusammenhang allerdings tatsächlich als bedeutsam.
der bisherigen Studien war die unzureichende Berücksichtigung eines Indikations-
bias.“
Während ein Notkaiserschnitt die Geburtenrate noch um 9% (von 76,0% nach vaginalen Geburten auf 71,3% nach Notkaiserschnitten) reduzierte, verringerte sie sich nach einem geplanten Kaiserschnitt wegen Steiß- oder Beckenendlage des Kindes nur noch um 4% (auf 73,5%) und bei Frauen unter 30 Jahren fiel der jeweilige Geburtsweg dabei überhaupt nicht mehr ins Gewicht. Bedeutend ist dieses Ergebnis vor allem deshalb, weil eine solche Normabweichung der Kindslage hauptsächlich vom Zufall bestimmt wird. Gesundheitliche Faktoren der Mutter spielen dabei keine Rolle.
Ein geplanter Kaiserschnitt „aus anderen Gründen“ wirkte sich dagegen besonders deutlich auf die Geburtenrate aus, die sich nach dem Eingriff um 19% (auf 64,4%) reduzierte. Albring: „Die Studie legt nicht dar, welche Risiken zu dem Kaiserschnitt geführt haben. Wenn der Kaiserschnitt beispielsweise aus einer bedrohlichen Situation heraus vorgenommen wurde – z.B. einer schweren Gestose – dann ist es vorstellbar, dass sich die Frau nicht erneut einer solchen Situation aussetzen will und auf weitere Schwangerschaften verzichtet.“
Wer mehr Kinder plant, entscheidet sich vielleicht eher für eine natürliche Geburt
eine beeinträchtigte Fertilität nach einem Kaiserschnitt könnte eine Behinderung
der Einnistung der befruchteten Eizelle im Narbenbereich sein.“
Es sei aber auch denkbar, dass Frauen, die von vornherein mehrere Kinder planen, sich eher für eine natürliche Geburt entscheiden statt für einen Kaiserschnitt und von ihren Geburtshelfern auch in diese Richtung beraten werden, eben um die Risiken der Schwangerschaft nach Sectio zu reduzieren, erläutert Albring gegenüber Medscape Deutschland.
Denn Risiken gebe es durchaus, meint der Experte. „Ein Grund für eine beeinträchtigte Fertilität nach einem Kaiserschnitt könnte eine Behinderung der Einnistung der befruchteten Eizelle im Narbenbereich sein. Die ovarielle Funktion wird durch den Eingriff jedoch nicht tangiert.“
Plazentationsstörungen wie Plazenta praevia, Plazenta increta oder accreta seien dagegen zwar typische Risiken von Folgeschwangerschaften nach Kaiserschnitt, aber sie können zumeist gut beherrscht werden, weil sie durch die Ultraschallkontrollen lange vor der Entbindung untersucht werden und weil sich die Geburtshelfer darauf einstellen können. „Allerdings kann eine schwere Plazentationsstörung in eine Situation münden, in der nach dem Kaiserschnitt die Gebärmutter entfernt werden muss. Insofern würde das Ereignis eine Folgeschwangerschaft nach einer Plazentationsstörung nach einer Kaiserschnittentbindung ausschließen.“