Fokus Speiseröhre: Eosinophile Ösophagitis nimmt zu, Barrett-Risiken massiv überschätzt

Ute Eppinger | 9. Mai 2014

Autoren und Interessenkonflikte

Bei manchen Patienten mit gastroösophagealer Refluxerkrankung (GERD) sei es auch sinnvoll, die PPI zu wechseln. Führt das zu keiner Besserung, bringe oft eine gezielte und ausführliche Anamnese weiter: „Fragen sie nach dem Einnahmezeitpunkt der Protonenpumpenhemmer. Eine nicht wirksame Dosis kann auf fehlende Compliance zurückzuführen sein. Es kann aber auch einfach daran liegen, dass der Patient das Mittel zum falschen Zeitpunkt eingenommen hat, also etwa vor der Nachtruhe statt vor dem Abendessen“, sagte Koop.

„Eine nicht
wirksame Dosis (der Protonenpumenhemmer) kann auf fehlende Compliance zurück-
zuführen sein.“
Prof. Dr. Herbert Koop

Saurer Reflux führt nicht automatisch zur Ösophagitis

Bei Therapieversagen sollte eine Impedanz-ph-Messung durchgeführt werden. Die Funktionsdiagnostik helfe zwar zu klären, welche Funktionsstörungen dem Reflux zugrunde liegen, doch die therapeutischen Konsequenzen daraus sind längst noch nicht klar, wie Koop betonte: „Es war meine Hoffnung, dass wir mit der Impedanz-Messung und der Differenzierung zwischen saurem und nicht-saurem Reflux vielleicht neue Ansatzpunkte für Patienten mit nicht-saurem Reflux haben.“

Es war vermutet worden, dass Patienten mit saurem Reflux eher zu einer Ösophagitis neigen, doch das scheint nicht der Fall zu sein. Denn auch der nicht-saure Reflux ist relativ konstant zwischen Patienten mit nicht-erosiver Refluxkrankheit (also ohne Speiseröhrenentzündung) und Kontrollpatienten mit Refluxösophagitis verteilt.

Operation als Alternative? Koop ist zurückhaltend: „Wir sind vorsichtig geworden, was den Zusammenhang zwischen Reflux und extraösophagealen Manifestationen angeht.“ Besonders bei therapierefraktären Patienten müsse die Reflux-Kinese sehr genau untersucht werden. Erst wenn die Abläufe, die zur Refluxsymptomatik führen, klar seien, käme eine OP überhaupt infrage. Sonst entstünden postoperative Katastrophen, die außerordentlich schwer zu operieren sind.

„Die Hemmschwelle zur Operation ist aus meiner Sicht immer noch zu niedrig, weil sie häufig am Gastroenterologen vorbei geht. Wenn wir einen Patienten zur OP schicken, dann muss vorher ganz genau abgeklärt sein, ob er von einer Operation profitiert – in Einzelfällen kann das dann eine gute Maßnahme sein“, so Koop.

Barrett-Ösophagus: Risiko für ein Karzinom bislang massiv überschätzt

„Die Hemmschwelle zur Operation (bei Reflux) ist aus meiner Sicht immer noch zu niedrig, weil sie häufig am Gastroenterologen vorbei geht.“
Prof. Dr. Herbert Koop

Wenn die Speiseröhrenschleimhaut durch eine chronische Speiseröhrenentzündung verändert ist, liegt ein sogenanntes Barrett-Syndrom (Barrett-Ösophagus) vor, das als Vorstufe für Speiseröhrenkrebs gilt. „Diese Sequenz Reflux – Metaplasie – Neoplasie – Karzinom entsteht, doch weshalb sie entsteht, weshalb ein Patient mit starkem Reflux keinen Barrett bekommt, und jemand, der kaum groß Refluxbeschwerden hat, einen Kurz- oder Langsegment-Barrett – diese molekularpathologischen Abläufe sind in wesentlichen Aspekten weiterhin unklar“, erklärte Prof. Dr. Christian Ell von der Klinik für Innere Medizin II am Sana Klinikum Offenbach.

Dass aus dem Barrett-Ösophagus in seltenen Fällen ein Karzinom entstehen kann, ist bekannt: „Aber das wurde massiv überschätzt. Noch vor 25 Jahren ging man von einem Risiko von zwei Prozent aus. Jetzt können wir davon ausgehen, dass das Risiko, ein Karzinom zu entwickeln, bei 0,2 Prozent pro Jahr beträgt“, sagte Ell.

Die Angst sei die gleiche geblieben bei den Patienten: „Es ist deshalb unsere Aufgabe, unsere Patienten erst mal zu beruhigen“, betonte Ell. Aus einem Barrett entstehe noch lange kein Karzinom. Die Frage sei vielmehr – wer sollte wann und wie überwacht werden?

Vor allem bei Patienten mit positiver Familienanamnese sollte eine Endoskopie durchgeführt werden, ebenso bei Patienten, die mehr als 10 Jahre regelmäßig Sodbrennen haben und über 40 Jahre alt sind. „90 Prozent aller Barrett-Karzinome finden sich bei Männern.“

„Tatsache ist: Der Barrett entwickelt sich nicht im Laufe des Erwachsenenalters, wahrscheinlich entwickelt er sich
in der Kindheit.“
Prof. Dr. Christian Ell

Entwickelt sich ein Barrett oder kann ich mich durch PPI vor einem Barrett schützen? „Tatsache ist: Der Barrett entwickelt sich nicht im Laufe des Erwachsenenalters, wahrscheinlich entwickelt er sich in der Kindheit“, so Ell. Längere Barrett-Segmente sollten alle 2 bis 3 Jahre endoskopiert werden, kurze Segmente alle 4 bis 5 Jahre und ultrakurze Segmente alle 5 Jahre. „Die Tendenz über alle Leitlinien hinweg ist: Die Kontrollintervalle sollen verlängert werden.“  

Sorgfältige Index-Endoskopie unverzichtbar

Ell hob die Bedeutung einer gut und sorgfältig durchgeführten hochauflösenden Index-Endoskopie beim Vorliegen eines Refluxes hervor. „Die Index-Endoskopie ist bei drei von vier Barrett-Karzinomen der entscheidende Punkt, die Überwachung entdeckt letztlich nur ein Viertel der Karzinome“, so der Experte.

Zeige die Index-Endoskopie einen Normalbefund, sei keine weitere Kontrolle nötig. Liege hingegen eine Ösophagitis vor oder ein ausgeprägter Reflux, dann sollte der Patient mit PPI behandelt und zum Ausschluss eines Barrett-Ösophagus oder eines Barrett-Karzinoms noch einmal endoskopiert werden.

Bei auffälligen Läsionen solle eine Vierquadrantenbiopsie durchgeführt werden: „Die Mehrheit der Langsegment-Karzinome wird durch Vierquadrantenbiopsie entdeckt, nicht durch gezielte Biopsien.“ Beim nicht-neoplastischen Barrett sollte keine thermische Ablation gemacht werden. Low-grade-Neoplasien, High-grade-Neoplasien und Karzinome hingegen sollten endoskopisch reseziert werden.


Referenzen

Referenzen

  1. [1] 120. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM), 26. bis 29. April 2014, Wiesbaden
    Klinisches Symposium: „Erkrankungen der Speiseröhre“ (28. April 2014)
    http://www.dgim2014.de
  2. [2] Kagalwalla AF, et al: Clin Gastroenterol Hepatol. 2006;4(9):1097–1102
    http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/16860614
  3. [3] Straumann A, et al: Gastroenterology 2010;139(5):1526-1537
    http://dx.doi.org/10.1053/j.gastro.2010.07.048
  4. [4] Straumann A, et al: Clin Gastroenterol Hepatol. 2011;9(5):400-409
    http://dx.doi.org/10.1016/j.cgh.2011.01.017

Autoren und Interessenkonflikte

Ute Eppinger
Es liegen keine Interessenkonflikte vor.

Hollerbach S, Koop H, Ell C: Es liegen keine Erklärungen zu Interessenkonflikten vor.

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