Wiesbaden – Wenn die Durchblutung der Beine durch Atherosklerose gestört ist, drohen gefährliche Folgeerkrankungen wie Myokardinfarkt, Schlaganfall oder ein akuter Gefäßverschluss. Um dem vorzubeugen, eignet sich Gehtraining als eine der wirksamsten – und zudem kostengünstigsten – Therapien zur Sekundärprävention bei peripherer arterieller Verschlusskrankheit (PAVK).

Davon überzeugte Dr. Clemens Fahrig, Ärztlicher Direktor des Evangelischen Krankenhauses Hubertus, seine Zuhörer in einem engagierten Plädoyer für den Gefäßsport beim 120. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) [1]
Die PAVK ist deutschlandweit für geschätzte 60.000 Amputationen verantwortlich. Zudem haben PAVK-Patienten ein stark erhöhtes Risiko, neben dem Beininfarkt auch einen Herzinfarkt oder Schlaganfall zu erleiden. Um den Krankheitsverlauf seiner PAVK-Patienten zu entschleunigen, motiviert Fahrig sie für ein überwachtes und strukturiertes Gefäßsporttraining: „Durch Gehtraining lässt sich die Gehleistung sowohl ökonomisieren als auch verbessern“, sagte er in dem klinischen Symposium zur Wirksamkeit von Primär- und Sekundärprävention bei PAVK-Patienten.
Zudem hätte ein Ausdauertraining positive Auswirkungen auf Hypertension, gestörte Gefäßfunktionen, Insulinwirkung, Blutfettspiegel, Übergewicht und bewirke oft eine positive Veränderung der Lebensgewohnheiten. „Idealerweise solle der Gefäßsport bei Patienten in den ersten beiden Stadien einer PAVK spätere interventionelle oder gar operative Therapie verhindern“, sagte Fahrig.
Er wies darauf hin, dass Gehtraining eine 1A-Empfehlung in der aktuellen S3-Leitlinie zur Behandlung von PAVK-Patienten als Therapie der Wahl bei Claudicatio und „wichtigste nichtmedikamentöse Therapie in Ergänzung zur konsequenten Behandlung der kardiovaskulären Risikofaktoren“ erhielt.
sein Image – er ist wenig sexy.“
„Walken ist wenig sexy“
„Das Problem des Gefäßsports ist sein Image – er ist wenig sexy“, monierte Fahrig, der auch Leiter des Gefäßzentrums Berlin-Brandenburg ist. „Das ist sehr schade, weil er vom Patienten gut angenommen wird.“ In Berlin gibt es rund 1.200 Gefäßsportler in etwa 40 Gruppen – eine außergewöhnlich hohe Zahl. „Damit ist Berlin sehr gut versorgt. Das ist in vielen Städten leider anders“, erklärte Fahrig in einem Gespräch mit Medscape Deutschland. Ebenfalls gut versorgt sind seiner Ansicht nach Hamburg, München und Westdeutschland.
Um Patienten zum regelmäßigen Gehen zu ermutigen, erklärt Fahrig ihnen anschaulich, was bei einer PAVK geschehen muss: „Die Haupt-Autobahn ist verstopft – jetzt muss der Verkehr über Dorfstraßen geleitet werden. Damit diese zu Bundesstraßen werden, müssen die Beine trainiert werden.“
„Zudem laden wir Gruppen zu Probetrainings ein und strukturieren unsere Gruppen sinnvoll, auch nach Alter.“ Wichtig wäre es, das Training wohnortnah anzubieten, damit die Patienten den Trainingsort problemlos erreichen könnten.
80 Prozent Erfolgsquote
Etwa 40% aller PAVK-Patienten könnte man zum Gehtraining motivieren und bei etwa 80% der Sportler träten derartige Verbesserungen ein, dass sie weder OP noch Intervention brauchen, so der Gefäß-Experte. In der CLEVER-Studie von 2011, einer der wenigen Studien zu Gehtraining versus Intervention bei PAVK-Patienten, stellte sich ein langfristiges überwachtes Gehtraining sogar als wirkungsvoller heraus als alleiniges Stenting [2]. Selbst Patienten mit Beckenarterienveränderung profitierten vom Gehtraining, sagte Fahrig. Trotz der offensichtlichen Erfolge gestalte es sich schwierig, nicht nur Patienten, sondern auch Ärzte und Kostenträger vom Nutzen des Gefäßsports zu überzeugen. Daher gäbe es auch keine flächendeckenden Angebote für PAVK-Patienten.
„Es muss nicht zwangsläufig Dauersport sein – manchmal reicht auch das Vermeiden von Bewegungsfallen im Alltag wie Rolltreppen“, so Fahrig. Bewegung führe generell zur Verbesserung der Lebensqualität und Lebenserwartung. Für eine Verbesserung bei der Gehstrecke wäre aber ausschließlich ein strukturiertes Gehtraining, am besten 30 Minuten am Tag, effektiv.
Radfahren oder andere Sportarten eigneten sich zwar zur Primärprävention, nicht jedoch zur Sekundärprävention bei PAVK. „Leider gibt es zur Primärprävention gar keine und zur Sekundärprävention nur sehr spärliche Studiendaten“, bedauerte Fahrig. „Es besteht kein Interesse der Firmen solche Studien zu machen und auch sonst werden wir niemanden finden, der eine Studie finanziert.“
ACE-Hemmer und Statine glänzen
Ebenfalls dürftig sei die Datenlagen aus randomisierten Studien zur Effektivität von ACE-Hemmern bei PAVK-Patienten, sagte Prof. Dr. Christine Espinola-Klein von der Universitätsmedizin Mainz beim DGIM-Kongress. Dass auch diese Medikamente die schmerzfreie Gehstrecke bei PAVK-Patienten mit Claudicatio intermittens (CI) signifikant verlängern können, zeigte eine im vergangenen Jahr im JAMA veröffentlichte Studie , bei der die Behandlung mit Rampiril (10 mg/Tag) eine Zunahme der schmerzfreien Gehzeit von 4,3 Minuten und der Gehstrecke bergauf um 184 Meter im Vergleich zu Placebo bewirkte (Medscape Deutschland berichtete).
Ähnlich positive Auswirkungen der ACE-Behandlung auf die Gehstrecke von Patienten mit CI demonstrierte eine Meta-Analyse, die 2013 in der Fachzeitschrift Atherosclerosis veröffentlicht wurde [3]. „Wir tun also nichts Falsches, wenn wir einen ACE-Hemmer geben“, sagte Espinola-Klein.
auch eine noch asymptomatische, zeigt CVD an und braucht Behandlung.“
Als wirkungsvoll zur Reduzierung kardialer Risiken bei PAVK-Patienten haben sich auch Statine erwiesen. „Patienten mit peripherer Atherosklerose haben ein hohes kardiovaskuläres Risiko und laufen Gefahr, am Herzinfarkt zu sterben“, sagte Prof. Dr. Norbert Weiss, Direktor des Universitäts GefäßCentrums der Uniklinik Dresden in seinem Kongress-Vortrag zur Lipidmodifikation bei PAVK.
Um Fettstoffwechselstörungen, einen der Haupt-Risikofaktoren bei PAVK, effektiv zu bekämpfen, wäre eine frühe Statin-Gabe in Stadium 1 oder 2 erforderlich. „Auch wenn Patienten erste Anzeichen einer manifestierten PAVK zeigen, habe ich keine Probleme mit der Gabe eines Statins“, erklärte er. „Jede PAVK, auch eine noch asymptomatische, zeigt CVD an und braucht Behandlung.“
Er kritisierte, dass selbst im Stadium 3 der Krankheit zu selten Statine eingesetzt würden. „Dabei ist Anti-Cholesterol-Therapie ebenso effektiv wie antihypertensive Therapie.“ Als effektivste Präparate hätten sich Atorvastatin und Rosuvastatin herausgestellt, weshalb sie in der neuen US-Leitlinie von ACC und AHA als Primärtherapie für Patienten mit atherosklerotischen Gefäßkrankheiten empfohlen würden.