Nicht-alkoholische Fettleber – was tun gegen die neue Volkskrankheit?

Gerda Kneifel | 5. Mai 2014

Autoren und Interessenkonflikte

Wiesbaden – In den westlichen Industrienationen leidet schon heute fast jeder Dritte an einer nicht-alkoholischen Fettlebererkrankung (NAFLD, non alcoholic fatty liver disease) – die damit Ausmaße einer Volkskrankheit angenommen hat.

„Mit der zunehmenden Häufigkeit des metabolischen Syndroms ist zu erwarten, dass auch die chronisch-progressive Form der NAFLD, die nicht-alkoholische Fettleberhepatitis, künftig noch vermehrt auftreten wird“, sagte Dr. Lars Bechmann, Klinik für Gastroenterologie und Hepatologie des Uniklinikums Essen, im Symposium „Nicht-alkoholische Fettleberhepatitis (NASH)“ auf dem Internistenkongress. „Schon heute wird jede zehnte Lebertransplantation aufgrund einer NASH-Zirrhose vorgenommen“, berichtete er.

„Schon heute
wird jede zehnte Lebertransplantation aufgrund einer NASH-Zirrhose vorgenommen.“
Dr. Lars Bechmann

Die Fettleber und ihre Folgen

Eine Fettlebererkrankung ist dann nicht-alkoholisch, wenn der Alkoholgenuss der Patienten unter 20 g pro Tag bei Frauen und 40 g pro Tag bei Männern liegt. Entwickelt sich diese oft unentdeckte NAFLD weiter zu einer nicht-alkoholischen Steatohepatitis (non alcoholic steatotic hepatitis, NASH), sind histologische Veränderungen nachweisbar. Dazu zählen die Ausdehnung des Leberzellvolumens (Ballooning), die Einlagerung von Fetten – überwiegend von Triglyceriden – in die Leberzellen (Steatosis) sowie eine Entzündung mit oder ohne Fibrose.

Bei NASH-Patienten mit Fibrose kann sich diese zur Zirrhose weiterentwickeln, in deren Folge wiederum Leberkrebs und Leberversagen droht. Die Mortalität von NAFLD-Patienten ist aufgrund vielfältiger Komplikationen und Begleiterkrankungen wie Fibrose, Zirrhose, Atherosklerose, Diabetes mellitus und Neoplasien deutlich höher als in der Normalbevölkerung, machte Bechmann klar.

„NAFLD und Metabolisches Syndrom sollten
als potentielle Präkanzerose betrachtet werden.“
Prof. Dr. Christian Datz

Neben der steigenden Zahl an Lebertransplantationen nimmt dabei auch die Inzidenz von NASH-assoziiertem primärem Leberzellkarzinom (hepatocellular carcinoma, HCC) zu, das auch unabhängig von Fibrose und NASH-Zirrhose auftreten kann. „Leberzellkrebs ist einer der häufigsten Tumoren bei Adipösen“ erläuterte Bechmann.

„NAFLD und Metabolisches Syndrom sollten als potentielle Präkanzerose betrachtet werden“, appellierte daher auch Prof. Dr. Christian Datz,Vorstand der Abteilung für Innere Medizin vom Krankenhaus Oberndorf, Österreich. HCC und kolorektales Karzinom (CRC) definieren sich dabei über Vorläuferläsionen, die therapiert werden können – ein Argument, das einmal mehr die Bedeutung der Vorsorgekoloskopie hervorhebt, betont der österreichische Hepatologe.

Ursächlich für die Entwicklung einer NASH sind die in der Fettleber angehäuften freien Fettsäuren (FFA), die eine Inflammation auslösen, die wiederum den Grundstein für die Fibrose legt. Neu ist die Vermutung, dass auch das in letzter Zeit viel diskutierte Mikrobiom beziehungsweise aus dem Darm translozierte, von Bakterien produzierte Lipopolysaccharide (LPS) eine Rolle bei der Progression von NASH spielen könnten.

„Eine Fettleber sagt die Inzidenz von Metabolischem Syndrom, kardiovaskulären Ereignissen und nicht zuletzt des Typ-2-Diabetes voraus.“
Prof. Dr. Norbert Stefan

Darüber hinaus sind vermutliche genetische Faktoren beteiligt, darunter vor allem PNPLA3-Polymorphismen. Neben der an erster Stelle stehenden Ernährung können zudem hepatotoxische Medikamente und Begleiterkrankungen wie chronisch-entzündliche Darmerkrankungen in die Entwicklung einer Fettleberhepatitis hineinspielen.

NASH und Diabetes

„Eine Fettleber sagt die Inzidenz von Metabolischem Syndrom, kardiovaskulären Ereignissen und nicht zuletzt des Typ-2-Diabetes voraus“, berichtete Prof. Dr. Norbert Stefan, Abteilung Innere Medizin IV des Uniklinikums Tübingen. Bei der Vorbeugung der Fettleber habe die Ernährung noch vor der körperlichen Aktivität den größten Einfluss. Hier sollte zum Beispiel auf den schädigenden Einfluss insbesondere der Fructose geachtet werden, die noch signifikant ungünstigere Blutwerte hervorruft als Glucose.

Allerdings spiele über den Lebensstil hinaus auch die genetische Prädisposition zu einer ungünstigen Körperfettverteilung eine nicht unbedeutende Rolle, wobei Menschen des sogenannten Apfeltyps, also diejenigen mit mehr Bauchfett, bekanntermaßen gefährdeter seien.

Neben ungünstigeren Blutfetten, einer eingeschränkten endothelialen Funktion und erhöhten Entzündungsparametern haben sie unter anderem auch „ein erhöhtes Thromboserisiko, das wir in der Klinik im Blick behalten müssen“, fasste Stefan zusammen.

Für die Entwicklung des Diabetes Typ 2 sind – und das sind Erkenntnisse, die Stefan und Kollegen nachweisen konnten – nicht nur Adipositas oder Insulinresistenz verantwortlich. Auch die nichtalkoholische Fettleber ist laut Stefan weniger eine Begleiterscheinung, wie lange angenommen, sondern spielt eine ursächliche Rolle.

„Verfettete Leberzellen produzieren vermehrt das Protein Fetuin-A“, erklärte der Leiter der klinisch-experimentellen Diabetologie des Tübinger Uniklinikums. Auch das wurde in Tübingen mehrfach in Studien belegt. Fetuin-A wird in den Blutkreislauf abgegeben, wo es die Wirkung des Insulins vermindert. Steigt die Fetuin-A -Konzentration im Blut zu stark an, nimmt auch die Insulinresistenz zu, so dass bei Fettleber-Patienten der Blutzucker dauerhaft zu hoch liegt – und damit die Gefahr eines Typ-2-Diabetes erhöht ist. Bei zu hohem Fetuin-A-Gehalt im Blut steigt zudem das Herzinfarkt- und Schlaganfall-Risiko signifikant.

Eine Rolle spielt womöglich auch das sex-hormone-binding-globulin (SHBG), das in verfetteten Lebern seltener produziert wird. Es transportiert Sexualhormone im Blut – und wirkt einem Diabetes entgegen. „Die Produktion ist in der Fettleber zwar deutlich reduziert – aber anhebbar“, so Stefan. An Therapien, die in diese Richtung zielen, arbeiten die Wissenschaftler aus Tübingen derzeit. Lebereiweiße, sogenannte Hepatokine, können demnach nicht nur wichtige Hinweise auf das Auftreten von Altersdiabetes geben, sondern auch neue Therapien eröffnen.

„Das heißt also, bei Kindern und Jugendlichen mit NASH können Vitamin E und Metformin nicht zur Therapie empfohlen werden.“
Dr. Klaus Jürgen Schmidt

Noch keine etablierte medikamentöse Therapie

Derzeit jedoch sind Medikamente noch Mangelware. Hinzu kommt, dass „wir nicht wissen, bei welchen Patienten sich aus einer isolierten Verfettung der Leber eine Entzündung entwickelt und bei wem die Progression einer Fibrose beschleunigt ist“, bedauerte Dr. Klaus Jürgen Schmidt, Oberarzt an der Medizinischen Klinik I des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein Campus Lübeck. „Und wir können auch noch keine medikamentöse Therapie zur isolierten Behandlung der NASH empfehlen.“ Hierzu fehle es noch an Ergebnissen von ausreichend großen Studien.

Erste Resultate liegen lediglich aus kleinen Studien, Einzelfallberichten oder aus Untersuchungen an Mäusen vor. Von den zahlreichen Ansätzen sind Glitazone, Metformin und Vitamin E vielversprechend – Ansätze, die auf Insulinresistenz und oxidativen Stress in den Hepatozyten zielen.

Vier Studien zu Glitazonen, überwiegend Pioglitazon, zeigten Vorteile gegenüber Placebo in der Entwicklung aller entscheidenden histologischen Parameter, also Ballooning, lobuläre Inflammation, Steatosis und Fibrosierung der Leber. In einer 6-monatigen Studie etwa mit einer Dosierung von 55 mg/d des Pioglitazons zeigte sich ein günstigerer Verlauf der Lebertransaminasen und auch die Konzentration des protektiven Hormons Adinopektin, das bei der Regulation des Fetthaushaltes eine Rolle spielt, stieg an.

In einer zweiten Studie wurden die Patienten mit einer Dosis von 30 mg/d Pioglitazon behandelt. Es zeigte sich ebenfalls ein tendenzieller Vorteil von Pioglitazon gegenüber Placebo bezogen auf sämtliche histologischen Parameter. Doch zweifelt Schmidt aufgrund der relativ kurzen Studiendauer von 12 Monaten die Aussagekraft der Ergebnisse an.

Eine Studie, in der Pioglitazon mit Vitamin E verglichen wurden, zeigten zwar einen positiven Einfluss beider Medikamente auf die Lebertransaminasen, aber: „Nach dem Ende der Therapie glichen sich die Werte wieder an, so dass man wieder am Ausgangspunkt angekommen war“, resümierte der Lübecker.

In einer weiteren Untersuchung bei 8- bis 17-jährigen Teilnehmern, bei denen Metformin und Vitamin E mit Placebo verglichen wurde, ließ sich kein therapeutischer Nutzen bei NASH nachweisen. „Das heißt also, bei Kindern und Jugendlichen mit NASH können Vitamin E und Metformin nicht zur Therapie empfohlen werden.“

Zusammenfassend riet Schmidt daher: „Bei Patienten, die mehrere Faktoren des Metabolischen Syndroms aufweisen, hat man es mit einer NAFLD als hepatischer Komponente des MS zu tun und die medikamentöse Behandlung sollte sich auf die einzelnen Erkrankungen des MS konzentrieren, wie den Diabetes mellitus, den Bluthochdruck und die Hyperlipidämie.“

„Bei adipösen Patienten mit Leberverfettung empfehlen wir Gewichtsreduktion durch Steigerung der körperlichen Aktivität sowie Umstellung der Ernährungsgewohnheiten, etwa bezogen auf die Fructose.“ Auch moderater Genuss von Kaffee, also 2 bis 3 Tassen täglich, kann leberprotektiv wirken, wie Schmidt auf Rückfrage bestätigte.

Bei morbid adipösen Patienten können zudem bariatrische Operationen diskutiert werden, zumal sie einen positiven Einfluss sowohl auf Adipositas und MS als auch auf die Leberverfettung bzw. die Leberentzündung habe. Das allerdings sei eher die Ausnahme.

Referenzen

Referenzen

  1. 120. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM), 26. bis 29. April 2014, Wiesbaden
    Symposium „Nicht-alkoholische Fettleberhepatitis (NASH)“ (28.4.21014)
    http://www.dgim2014.de

Autoren und Interessenkonflikte

Gerda Kneifel
Es liegen keine Interessenkonflikte vor.

Bechmann L, Datz C, Stefan N, Schmidt KJ: Es liegen keine Erklärungen zu Interessenkonflikten vor.

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