„Small Molecules“ ganz groß: Januskinase-Hemmer & Co bereichern die Rheumatherapie

Julia Rommelfanger | 28. April 2014

Autoren und Interessenkonflikte

Wiesbaden – Eine ganze Palette neuer Medikamente könnte die Behandlung von Patienten mit rheumatoider Arthritis (RA) noch deutlicher als bisher verbessern, so die Hoffnung von Experten auf dem 120. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) [1].

Ganz oben auf die Hitliste der vielversprechenden neuen Therapeutika gegen RA, wovon in Deutschland rund 1% der Bevölkerung betroffen ist, setzen Experten so genannte Januskinase (JAK)-Inhibitoren. Diese „Small Molecules“ greifen in die intrazellulären Übertragungswege ein und hemmen so die Signalweitergabe pro-inflammatorischer Zytokine.


Prof. Dr. Elisabeth Märker-Hermann

„Der Weg geht weg von den Eiweißen hin zu den Small Molecules – und weg von der Spritze hin zu zielgerichteten Medikamenten, die in Signalübertragungswege eingreifen“, sagte Prof. Dr. Elisabeth Märker-Hermann von den HSK Dr. Horst Schmidt Kliniken in Wiesbaden auf einer Pressekonferenz zu neuen Rheuma-Therapien. Mit der Markeinführung einiger dieser Substanzen rechnet sie schon „in ein bis zwei Jahren.“

Zugelassen in den USA, Sicherheitsbedenken in Deutschland

Prominentester Wirkstoff der Januskinase-Hemmer ist Tofacitinib, der im ORAL-Studienprogramm mit mehr als 4.000 RA-Patienten eine gleich gute Wirkung wie Biologika erzielte und in den USA bereits für die Behandlung von RA-Patienten zugelassen ist, bei denen Methotrexat nicht ausreichend wirkt oder schlecht verträglich ist. Als Filmtablette ist Tofacitinib (Xeljanz® von Pfizer) seit November 2012 in den USA und seit 2013 in der Schweiz auf dem Markt.


Prof. Dr. Reinhold Schmidt

Die europäische Arzneimittelzulassungsbehörde EMA hat die Zulassung im April 2013 abgelehnt. „In Deutschland gibt es derzeit noch Sicherheitsbedenken, deshalb wurde die Zulassung vorerst zurückgestellt“, erklärte Märker-Hermann. „Das würde ich ernst nehmen, denn es ist nicht so einfach, ein bereits zugelassenes Präparat wieder vom Markt zu nehmen.“ Die EMA wolle die 3- und vielleicht sogar die 5-Jahres-Daten der Tofacitinib-Studien abwarten, erläuterte sie gegenüber Medscape Deutschland.

Als „unverständlich“ kritisiert Prof. Dr. Reinhold Schmidt von der Medizinischen Hochschule Hannover die Bedenken der EMA gegen eine europäische Zulassung. „Die Preise für neue Wirkstoffe werden immer höher. Meiner Meinung nach besteht ein Problem darin, dass sich die Small Molecules in der gleichen Preiskategorie bewegen werden wie die Biologika und auch aus dem Grund in Europa schwierig zuzulassen sind“, erklärte er in einem Interview mit Medscape Deutschland. „Zu erwarten ist das OK der EMA in 2015.“

Patentschutz für Biologika läuft aus – erstes Imitat in den Startlöchern

„Der Weg geht
weg von den Eiweißen hin zu den Small Molecules – und weg von der Spritze hin
zu zielgerichteten Medikamenten.“
Prof. Dr. Elisabeth Märker-Hermann

Die teuren Biologika, anti-inflammatorische Moleküle, die die Behandlung der RA in den letzten 12 Jahren revolutioniert haben, konkurrieren in naher Zukunft zudem mit ihren eigenen Imitatoren, den Biosimilars, die den Originalen zwar nicht gleich, jedoch sehr ähnlich sind. Bis 2020 endet der Patentschutz von 12 der umsatzstarken Biologika, zunächst die monoklonalen Antikörper Rituximab (2013 ausgelaufen), Infliximab (2014), Trastuzumab (2014), Cetuximab (2014) und Etanercept (2015).

„Die Kostenträger erhoffen sich von den Generika erhebliche Einsparungen“, sagte Märker-Hermann. Doch wie viel billiger werden die Imitate? Sie gehe von einer Ersparnis von 30% aus, erklärte sie gegenüber Medscape Deutschland und rechnet vor: „Damit werden aus Jahreskosten von rund 20.000 Euro für die Biologika-Therapie 14.000 für das Generikum.“ Ob die Biosimilars gleich wirksam sind wie die Originale, müssen, anderes als bei chemischen Generika, Zulassungsstudien erst unter Beweis stellen.

„Es gibt so viele Patienten, die diese Präparate dringend benötigen. Schon aufgrund der oralen Verabreichung bieten sie erhebliche Vorteile.“
Prof. Dr. Elisabeth Märker-Hermann

Das erste Biosimilar, CT-P13 (Remsima™; Inflectra™), ein Nachahmer von Infliximab, wurde von der Europäischen Arzneimittelbehörde (EMA) bereits positiv für die Behandlung von Psoariasarthritis, Morbus Crohn, Morbus Bechterew und RA eingestuft. Die beiden TNF-alpha-Hemmer wurden in nur einer großen Vergleichsstudie gegen Methotrexat getestet. „Es gibt so viele Patienten, die diese Präparate dringend benötigen. Schon aufgrund der oralen Verabreichung bieten sie erhebliche Vorteile“, erklärte Märker-Hermann. Das Problem bei den Biologika sei, dass sie alle eiweißbasiert hergestellt werden und nicht geschluckt werden können.

Targeted Therapies: Ursprung in der immunologischen Forschung

Aktuell befänden insgesamt mehr als 100 Medikamente in der Pipeline, die zur zielgerichteten Medikation führen sollen. „Heute sprechen alle von targeted Therapy, doch im rheumatologischen Bereich ist dieser Behandlungsansatz entstanden“, sagte Schmidt. „Seit 15 bis 20 Jahren beschäftigen wir uns in der neuen immunologischen Forschung schon mit den Small Molecules. Andere Disziplinen haben diesen Ansatz übernommen“, so der Rheumatologe.

„Heute sprechen
alle von targeted Therapy, doch im rheumatologischen Bereich ist dieser Behandlungsansatz entstanden.“
Prof. Dr. Reinhold Schmidt

In seinem Vortrag auf dem DGIM-Kongress unter dem Kongressmotto „Forschung wird zu Medizin“ zu neuen therapeutischen Targets bei RA hob er zudem den B-Zellen-Antikörper Ofatumumab (Arzerra®, HuMax-CD20) heraus, der aktuell in einer Phase-2-Studie bei Patienten mit RA getestet wird.

B-Zellen fördern bei der Entstehung der RA sowohl die Produktion von Auto-Antikörpern als auch eine Eskalation der Inflammation, etwa durch die T-Zell-Aktivierung und die Freisetzung von Zytokinen. Bisher gibt es mit Rituximab nur ein einziges Präparat zur Depletion der B-Zellen. Ebenfalls vielversprechend, sagte Schmidt, sei der IL-17-Inhibitor Secukinumab, der bereits eine  Phase-3-Studie durchläuft.

Ziel: Mehr Patienten mit Langzeitremission

Angesichts der vielen aktuell bereits auf dem Markt befindlichen und gut funktionierenden therapeutischen Alternativen stellt sich die Frage nach der Relevanz neuer Wirkstoffe und deren Stellenwert im Spektrum der schon existierenden Behandlungsmöglichkeiten. „Es sind eine Menge Entwicklungen auf dem Weg, die die Behandlung von rheumatischen Erkrankungen deutlich bereichern und bewegen“, sagte Schmidt. „Wir suchen immer noch nach den Bad guys, die die Entzündung verursachen. Doch in der Tat sehen wir verkrüppelte Hände heute kaum noch aufgrund rechtzeitiger und effektiver Behandlung“, resümiert er im anschließenden Gespräch mit Medscape Deutschland.

„Doch in der
Tat sehen wir verkrüppelte Hände heute kaum noch aufgrund rechtzeitiger und effektiver Behandlung.“
Prof. Dr. Reinhold Schmidt

Trotz der heute schon sehr erfolgreichen Behandlungsstrategien geht er von einer vollständigen Langzeit-Remission bei höchstens 30%, vielleicht sogar eher bei 20 bis 25% aus. „Unser Ziel ist es daher, Medikamente zu entwickeln, mit denen noch mehr Patienten eine Remission erreichen.“

Problematisch bei der Durchführung neuer Studien seien die hohen Auflagen und die geringe Patientenverfügbarkeit. „In den westlichen Ländern stehen kaum noch RA-Patienten für Studien zu neuen Wirkstoffen zur Verfügung, weil die meisten schon Vortherapien hatten“, erklärt Schmidt. Daher laufen neue RA-Studien oft in Asien. „Dort kann man solche Studien billiger, einfacher und schneller durchführen.“

Referenzen

Referenzen

  1. 120. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM), 26.-29. April 2014, Wiesbaden
    http://dgim2014.de

Autoren und Interessenkonflikte

Julia Rommelfanger
Es liegen keine Interessenkonflikte vor.

Märker-Hermann E: Es liegen keine Erklärungen zu Interessenkonflikten vor.

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