Mannheim – Laut deutschen Registerdaten aus REFLECT-HF erhält fast jeder 5. Patient mit chronischer systolischer Herzinsuffizienz (heart failure with reduced ejection fraction, HFrEF) nicht die empfohlene Standardtherapie mit einem Mineralokortikoidrezeptor-Antagonisten (MRA).

„MRA stellen einen unverzichtbaren, in der Wirkung gut belegten Bestandteil der Therapie bei Herzinsuffizienz mit reduzierter Pumpfunktion dar“, betont Dr. Andreas Rieth, Oberarzt der Abteilung Kardiologie und Bereichsleiter Herzinsuffizienz an der Kerckhoff-Klinik Bad Nauheim, und verweist dabei auf mehrere klinische Studien und auf die aktuellen Empfehlungen der europäischen Leitlinie. „Dass trotzdem oft keine MRA verschrieben werden, ist vor allem auf Bedenken wegen unerwünschter Wirkungen wie Hyperkaliämie oder Verschlechterung der Nierenfunktion zurückzuführen“, erläutert Rieth im Gespräch mit Medscape Deutschland am Rande des DGK-Kongresses in Mannheim [1].
Neu: Nichtsteroidale Mineralokortikoidrezeptor-Antagonisten
Neben den bereits zugelassenen steroidalen MRA Spironolacton und Eplerenon sind mehrere nichtsteroidale MRA in Entwicklung. Sie setzen sehr spezifisch am Mineralokortikoidrezeptor an und bieten so die Chance, „bei gleicher Effektivität viel seltener unspezifische, unerwünschte Hormonfunktionen zu verursachen – und damit auch Niereninsuffizienz und Hyperkaliämie“, betont Rieth. Etwas verringert und somit verbessert sei unter den neuen Substanzen auch die unspezifische Wirkung auf Progesteron- und Androgenrezeptoren. Sie werden für Gynäkomastien bei männlichen Patienten verantwortlich gemacht.
in der Wirkung gut belegten Bestandteil der Therapie bei Herzinsuffizienz
mit reduzierter Pumpfunktion dar.“
Am weitesten fortgeschritten in der klinischen Prüfung und Entwicklung ist laut Rieth die Substanz BAY 94-8862. Zur Dosisfindung wurden in einer aktuellen randomisierten, kontrollierten Phase-2-Studie (minerAlocorticoid Receptor Antagonist Tolerability Study, ARTS) insgesamt 392 Patienten behandelt. Sie erhielten über 4 Wochen entweder einmal täglich 2,5 mg, einmal täglich 5 mg, einmal täglich 10 mg oder zweimal täglich 5 mg der Testsubstanz BAY 94-8862 oder aber Spironolacton (25 oder 50 mg/d) oder ein Scheinmedikament. Die Basistherapie mit ACE-Hemmern, Betablockern und/oder Diuretika wurde dabei unverändert fortgesetzt.
konzentration im Serum stieg unter BAY 94-8862 dosisabhängig an, aber nicht so stark wie unter Spironolacton.“
Nach 4 Wochen waren die Serumspiegel an Brain Natriuretic Peptide (BNP) und N-terminalem proBNP, 2 Markern für die Herzinsuffizienz, in den beiden hoch dosierten Studienarmen mit BAY 94-8862 ebenso wirksam reduziert wie unter Spironolacton. Unter den beiden niedrigeren Konzentrationen der Testsubstanz und unter Placebo waren die Werte dagegen leicht angestiegen. Mit 10 mg/d BAY 94-8862 ließ sich demnach eine ähnliche Wirkung erzielen wie mit Spironolacton.
„Die Kaliumkonzentration im Serum stieg unter BAY 94-8862 dosisabhängig an, aber nicht so stark wie unter Spironolacton“, erläutert Rieth Daten zur Verträglichkeit der neuen Substanz. „Die glomeruläre Filtrationsrate war deutlich weniger reduziert als im Spironolacton-Arm. Das Gleiche gilt für den systolischen Blutdruck.“ [2]
Weitere Wirkstoffe mit Effekten auf den Mineralokortikoidrezeptor werden erforscht, darunter Stoffe mit chemischer Verwandtschaft zu dem Antibiotikum Linezolid.
Wenig Neues bei Herzinsuffizienz mit erhaltener Pumpfunktion
aber erst mit verträglicheren Medikamenten möglich.“
Weniger erfreulich ist die Lage für Patienten mit chronischer diastolischer Herzinsuffizienz, also mit chronischer Herzinsuffizienz und erhaltener Pumpfunktion (heart failure with preserved ejection fraction, HFpEF). „Sie haben die gleichen schweren Symptome – Dyspnoe, pulmonale Hypertonie, Ödeme und so weiter – und die gleiche schlechte Prognose wie Patienten mit HFrEF, sind aber viel schwieriger zu diagnostizieren und zu behandeln“, bedauert Rieth.
So hatte die kürzlich veröffentlichte TOPCAT-Studie keinen signifikanten Vorteil für eine Behandlung mit Spironolacton bei Patienten mit erhaltener Pumpfunktion gebracht: Der primäre Endpunkt aus kardiovaskulärem Tod, erfolgreich behandeltem Herzstillstand und Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz trat ohne vs mit Spironolacton etwa gleich häufig auf. Er wurde in einer mittleren Beobachtungsdauer von 3,3 Jahren bei 18,6% vs 20,4% der Patienten festgestellt [3].
„Möglicherweise könnte bei sorgfältig ausgewählten Patienten mit HFpEF und erhöhtem Füllungsdruck eine höhere MRA-Dosis helfen“, bestätigt Rieth auf Nachfrage von Medscape Deutschland eine derzeit viel diskutierte These. „Dies wäre aber erst mit verträglicheren Medikamenten möglich. Bisher liegen für diese Indikation nur negative Studien vor.“