EMA warnt vor gefälschten Medikamenten: bislang Herceptin®, Alimta® und Humatrope® betroffen

Ute Eppinger | 17. April 2014

Autoren und Interessenkonflikte

Die Europäische Arzneimittelagentur EMA warnt vor gefälschten Fläschchen mit dem Anti-Krebsmittel Herceptin® (Trastuzumab) [1]. Die Fläschchen sind wohl in Italien aus Kliniken gestohlen worden. Die Phiolen, so die EMA, seien offenbar manipuliert und mit falschen Zertifikaten wieder in den Verkehr gebracht worden. Die Behörden der EU-Mitgliedsstaaten untersuchten den Fall. In Italien gehen die Strafverfolgungsbehörden dem Diebstahl nach und prüfen, ob auch andere Arzneimittel betroffen sind.

„Einige gefälschte Phiolen sind auf Großhandelsebene auch in Deutschland beschlagnahmt worden“, bestätigt Martin Harvey, Pressesprecher der EMA, auf Nachfrage von Medscape Deutschland. „Uns liegen jedoch keine Berichte vor, dass gefälschte Phiolen in Deutschland oder einem anderen EU-Mitgliedsstaat auf Klinikebene identifiziert werden konnten“, so Harvey weiter.

Der EMA-Sprecher betont ferner, dass auch keine Berichte vorlägen, nach denen Krebspatienten im Zusammenhang mit den gefälschten Arzneimittel-Phiolen zu Schaden gekommen sind. Ein deutscher Parallelvertreiber habe manipulierte Behältnisse gemeldet, bestätigt auch das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) in seiner Stellungnahme [2]. Die europäischen Gesundheitsbehörden waren über das europäische Informationssystem zur Meldung von Verdachtsfällen von Arzneimittelnebenwirkungen (Rapid Alert System, RAS) informiert worden.


„Einige gefälschte Phiolen sind auf Großhandelsebene auch in Deutschland beschlagnahmt worden.“
Martin Harvey

Der monoklonale Antikörper Trastuzumab wird vor allem in der adjuvanten Therapie des Mammakarzinoms verabreicht, um die Rezidivrate zu senken. Aber auch ein Einfluss auf das Wachstum von Magenkrebszellen wurde beobachtet. Seit 2006 ist Trastuzumab in der Therapie des Magenkarzinoms deshalb ebenfalls zugelassen.

Fläschchen genau anschauen!

Die EMA bittet die im Gesundheitswesen Beschäftigten nun darum, Herceptin®-Fläschchen genau in Augenschein nehmen, das gelte auch für Parallelimporteure.

Anzeichen, dass es sich bei einem der Fläschchen um eine Fälschung handelt, sind:

  • Die gefälschten Phiolen sind mit „Italian Herceptin® 150mg“ gekennzeichnet.
  • Die Chargennummer und das Verfallsdatum stimmen bei den meisten der betroffenen Fläschchen nicht mit der Packung überein.
  • In einigen manipulierten Fläschchen sind Flüssigkeitsreste zu erkennen – bei Herceptin® handelt es sich um ein weißes bis gelbes Pulver, das aufgelöst werden muss.
  • Hinweise auf Manipulationen können sich an den Verschlüssen – dem Gummistopfen, dem Metallring über dem Stopfen oder am Plastikverschluss zeigen.

Die gefälschten Arzneimittel dürfen nicht anwendet werden. Angehörige der Gesundheitsberufe, die solche oder andere Auffälligkeiten oder Hinweise auf manipuliertes Herceptin® entdecken, sollten sich an das Paul-Ehrlich-Institut wenden. Beim PEI ist ab heute (dem 17.4.2014) unter der Nummer 06103 / 77-1061 eine Hotline eingerichtet.

Bereits als betroffen bekannte Chargennummern sind:

  • H4311B07, H4329B01, H4284B04, H4319B02, H4324B03, H4196B01, H4271B01, H4301B09 und H4303B01 sowie H4143B01, H4293B01, H4180B01 and N1010B02. [4]

Auch wenn von ihnen vermutlich nur wenige Fläschchen tatsächlich betroffen sind: Zulassungsinhaber Roche ruft vorsorglich alle Chargennummern zurück, die gefälscht sein könnten.

Die EMA geht nicht davon aus, dass es zu Lieferengpässen kommen könnte, auch wenn die Untersuchungen noch am Anfang stehen. Betroffene Patienten, die Bedenken haben, sollten mit ihren Ärzten sprechen und sich die Echtheit ihrer Arzneimittel bestätigen lassen.

Wahrscheinlich weitere Arzneimittel gefälscht

Wie das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte aktuell mitteilt, sind von dem Arzneimittel-Diebstahl in Italien nach neuen Erkenntnissen auch Chargen des Zytostatikums Alimta® (Pemetrexed, Hersteller: Lilly) und des gentechnisch hergestellten Wachstumshormons Humatrope® (Somatropin, ebenfalls Lilly) betroffen.[3] Die EMA ergänzt die Liste um den TNFalpha-Blocker Remicade® (Infliximab, Hersteller Janssen Biotech Inc.), der u.a. bei Psoriasis, Rheumatoider Arthritis und chronisch entzündlichen Darmerkrankungen eingesetzt wird. [4]

Pemetrexed wird zur Behandlung von zwei Lungenkrebsarten eingesetzt, Somatropin u.a. zur Behandlung von Wachstumshormonstörungen. Nach derzeitiger Kenntnis handelt es sich bei Alimta® um die Chargen C134092E, C021161E und C160908C, bei Humatrope® um die Charge C165977C. Bei Remicade® sind die Chargen 3RMA66304, 3RMA67102, 3RMA68106 und 3RMA67602 betroffen. Ob und wie genau diese Chargen manipuliert und in den Handel gebracht worden sind, ist laut BfArM bislang nicht bekannt.

Das Institut weist aber  Anwender zum Schutz der Patientinnen und Patienten darauf hin, die Ampullen vorsorglich auf Manipulationen zu untersuchen und Verdachtsfälle dem BfArM zu melden. Hinweise darauf seien wie beim Herceptin® z.B. Unterschiede zwischen den auf den Fläschchen aufgedruckten Chargennummern und dem Verfallsdatum und den Angaben auf der sonstigen Verpackung oder erkennbare Manipulationen der Gummistöpsel, Bördelkappe oder der Deckel.

PEI und BfArM stehen nach eigenen Angaben in engem Kontakt mit den Landesbehörden, die in Deutschland für die Überwachung des Verkehrs mit Arzneimitteln zuständig sind, der EMA und dem Bundeskriminalamt.

Referenzen

Referenzen

  1. EMA: European Medicines Agency alerts EU healthcare professionals after vials of falsified Herceptin identified.16.4.2014
    http://www.ema.europa.eu/ema
  2. Paul-Ehrlich-Institut: Krebsarzneimittel Herceptin: Gefälschte Fläschchen im Handel. Pressemitteilung 7/2014. 16.4.2014
    http://www.pei.de
  3. Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte: Erweiterte Information zum Arzneimittel-Diebstahl in Italien 17.04.2014
    http://www.bfarm.de
  4. European Medicines Agency update on stolen vials of Herceptin 17.04.2014 EMA/239072/2014
    http://www.ema.europa.eu

Autoren und Interessenkonflikte

Ute Eppinger
Es liegen keine Interessenkonflikte vor.

Harvey M: Es liegen keine Erklärungen zu Interessenkonflikten vor.

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