
Frankfurt – Mediziner setzen sich mit Arztbewertungsportalen meist erst dann auseinander, wenn ihre Arbeit und ihre Praxis im Internet kritisiert wurden. Dann ist es womöglich schon zu spät: „Sie sollten Ihre Patienten frühzeitig aktivieren“, rät Rechtsanwalt Volker Wurm aus Büdingen. Er erklärte den Zuhörern auf der Jahreshauptversammlung des Privatärztlichen Bundesverbandes in Frankfurt, warum es so wichtig ist, sich rechtzeitig mit dem Thema der öffentlichen Bewertung im Internet zu befassen [1].
Die Ära der Arztbewertungsportale begann mit dem neuen Jahrtausend: 2001 ging www.checkthedoc.de online, das wohl erste deutsche Portal, das heute schon wieder Geschichte ist. Doch es kamen in den folgenden Jahren zahllose Portale hinzu, wie jameda.de, docinsider.de, esando.de, sanego.de, arzt-auskunft.de, arzt.weisse-liste.de und viele andere mehr.
Auch Krankenkassen sind an den Bewertungen beteiligt
Betreiber sind natürliche Personen, doch auch Krankenkassen sind mittlerweile Kooperationen eingegangen, wie etwa die BKK mit der Stiftung Gesundheit und ihrer Arzt-Auskunft oder die AOK mit der Weissen Liste der Bertelsmann Stiftung und ihrem Arztnavigator.
Solche Online-Plattformen waren und sind bei vielen Vertretern der Heilberufe nicht wohl gelitten, da die Bewertungen von Laien abgegeben werden. Doch die Portale basieren eben nicht auf objektiver Beurteilung, sondern gerade auf subjektiver Bewertung.
äußerung ist hier höher gestellt.“
Kritiker äußern zudem Bedenken, weil die Bewertungsverfahren nicht immer transparent, oder die Aussagen nicht unbedingt nützlich für die User sind. Das Ärztliche Zentrum für Qualität in der Medizin (ÄZQ) hat daher Qualitätskriterien für Arztbwertungsportale erstellt und im Jahr 2012 wichtige Portale diesbezüglich bewertet [2].
Kommentare müssen hingenommen werden
Heute müssen sich Ärzte mit Jameda und Co. wohl oder übel auseinandersetzen. Und das sollte proaktiv passieren, so das Credo des Anwaltes. Da die Zahl der Bewertungen auf den verschiedenen Plattformen sehr unterschiedlich ist, sind viele Ärzte noch gar nicht bewertet worden, andere haben gerade mal eine einzige Bewertung.
Und genau das kann dann problematisch werden, wenn die eine Bewertung negativ ausfällt. „Sie können sich nicht gegen Bewertungen wehren, das Recht auf freie Meinungsäußerung ist hier höher gestellt“, gibt Wurm zu bedenken. Zwar sei der Datenschutz auch in Betracht zu ziehen, „doch ein Lehrer, der vor dem Bundesverfassungsgericht gegen seine Bewertung durch Schüler geklagt hatte, war nicht erfolgreich.
Für Ärzte, deren Berufsausübung nun einmal von öffentlichem Interesse ist und die auch für sich werben dürfen, ist es daher noch schwieriger, Bewertungen zu verhindern. Sie müssen also damit leben.“ Doch das ist in der Regel auch nicht problematisch – jedenfalls dann, wenn es ausreichend positive Beurteilungen gibt.
Patienten proaktiv zur Bewertung auffordern
„Normalerweise ist es aber nun einmal so, dass die Patienten, die sich gut behandelt fühlen, keine Veranlassung sehen, das im Internet auch kundzutun – wenn Sie nicht von Ihnen angesprochen werden“, erläutert Wurm.
Im Patienten-Gespräch könne man durchaus darauf hinweisen, dass man sich über positive Beurteilungen in den einschlägigen Portalen freue. Solche Hinweise müssen nicht gezwungen wirken, sondern ergeben sich in gut verlaufenden Gesprächen häufiger als man zunächst denken mag.
Wenn man erst einmal eine gewisse Anzahl an positiven Bewertungen vorzuweisen hat, werden negative Kommentare weniger ernst genommen. Das sollten auch Ärzte so sehen und nicht jeder negativen Bewertung zu viel Gewicht beimessen – zumal Untersuchungen gezeigt haben, dass noch nicht einmal jeder fünfte Patient sich über Bewertungsportale für oder gegen einen Arzt entscheidet, sondern überwiegend aufgrund persönlicher Empfehlungen.
Nicht zuletzt erhalten Mediziner, die mit ihren Patienten über Bewertungen und die entsprechenden Portale offen sprechen, einen Überblick darüber, wo sich Patienten im Internet Informationen holen und welche Quellen sie regelmäßig nutzen. Die kann man dann gezielt im Auge behalten.
Falschaussagen nicht hinnehmen
Wenn es auch nicht allzu oft vorkommt: Es gibt Fälle, in denen es angebracht ist, gegen Aussagen vorzugehen. Solche Fälle sind zum Beispiel Falschaussagen. Es gibt zum einen die Meinungsäußerung“, spezifiziert Wurm, „und es gibt die Tatsachenbehauptung, oder auch ein Gemisch aus beiden.“ Meinungsäußerungen sind etwa „war unfreundlich“, Tatsachenbehauptungen dagegen „hat mich falsch auf XY hingewiesen“, oder ein Gemisch von beidem: „hat mich unfreundlich auf XY hingewiesen“.
„Wenn die Behauptung so nicht stattgefunden hat und gravierend ist, sollten Sie sich gegen die falsche Aussage wehren“, rät Wurm. Und das ist zunächst gar nicht so schwierig. Man schreibt den Betreiber des Portals an und fordert ihn auf, die Aussage vom Portal zu nehmen – allerdings mit konkretem Hinweis, worin die Falschaussage liegt.
„Auf pauschale Beschwerden reagieren die Portale nicht.“ Der Betreiber schreibt daraufhin den Verfasser an, dem er jedoch 14 Tage für eine Stellungnahme Zeit geben muss. In den meisten Fällen reicht das schon aus, dass die Aussage zurückgenommen und dauerhaft vom Portal entfernt wird.
die Portale nicht.“
Bei besonders drastischen Negativbewertungen können jedoch 2 bis 3 Wochen, die sie online für alle Welt lesbar sind, dem Image bereits einen erheblichen Schaden zugefügt haben. In solchen Fällen kann man bereits im ersten Schreiben an das Bewertungsportal mit einstweiligem Rechtsschutz drohen. Das bedeutet, dass subjektive Rechte geschützt werden, bevor sie verhandelt werden, denn „es kann ja bereits das Image erheblich beschädigt sein, wenn die Falschaussage wochenlang im Internet für jedermann lesbar ist.“
Aus diesem Grund können Gerichte die betreffende Aussage aus dem Portal entfernen lassen, bis das Urteil gesprochen ist. Die Aussage wird nur dann wieder online geschaltet, wenn der Arzt sich vor Gericht nicht durchsetzen konnte.
Was jedoch, wenn der Arzt den Verfasser des Kommentars nicht als Patienten identifizieren kann? „Das ist in aller Regel kein Problem, denn wenn Sie nachweisen können, dass es um eine falsche Behauptung geht, wird der Portalbetreiber den Verfasser kontaktieren – und der hat dessen Verbindungsdaten.“