Neue Aortenklappe – Herzchirurgie oder TAVI? Auf das OP-Risiko kommt es an

Axel Viola | 31. März 2014

Autoren und Interessenkonflikte

Washington, D.C. – Der Aortenklappenersatz über einen interventionellen Kathetereingriff (TAVI) ist der Herzchirurgie überlegen. Das ist das Ergebnis einer Vergleichsstudie der beiden Verfahren, die auf dem Kongress des American College of Cardiology ACC 2014 in Washington D.C. vorgestellt wurden [1]. Zeitgleich ist die Studie im New England Journal of Medicine publiziert worden [2].

In der Multicenterstudie untersuchten Dr. David H. Adams vom Mount Sinai Medical Center in New York/USA und Kollegen, ob die Katheter-gestützte Implantation einer Corvalve-Aortenklappe bessere oder doch zumindest genauso gute klinische Ergebnisse lieferte, wie der herzchirurgische Aortenklappenersatz unter Einsatz der Herz-Lungenmaschine. Das herzchirurgische Vorgehen gilt bisher als Therapie der Wahl.

Gibt es einen Paradigmenwechsel?

Bereits kurz nach der Präsentation der Ergebnisse prognostizierte Dr. David Kandzari vom Piedmont Heart Institute in Atlanta/USA: „Die Studie wird zu einem Paradigmenwechsel beitragen – sie wird den Zugang von Chirurgen und Kardiologen diesen Patienten gegenüber verändern.“


Prof. Dr. Valentin Fuster

Prof. Dr. Valentin Fuster, ebenfalls vom Mount Sinai Hospital in New York, warnte dagegen vor zu viel Überschwang und vor der Ausweitung der TAVI-Prozeduren auf junge Patienten mit niedrigem Risiko: „Es sind außerordentliche Ergebnisse, die sicher auf unsere Patienten Auswirkungen haben werden. Aber ich will auch eine Warnung aussprechen: Wir sollten das Verfahren nicht auf jüngere Patienten mit niedrigerem Risiko ausweiten. Nur weil wir hier (bei im Schnitt über 80-Jährigen) gute Ergebnisse haben und der Eingriff so viel einfacher ist als die offene Brust-Op. Wir sollten hier vorsichtig sein.“

Hauptstudienendpunkt war die Mortalitätsrate ein Jahr nach dem jeweiligen Eingriff. Patienten, die in Studie aufgenommen wurden, hatten eine schwere Stenose der Aortenklappe, eine Herzinsuffizienzsymptomatik der NYHA-Klasse II oder höher und darüber hinaus ein hohes Risiko, während eines operativen Eingriffs zu sterben.

Eine Aortenstenose war definiert als 0,8 cm² Öffnungsfläche der Aortenklappe oder weniger; oder ein Aortenklappen-Index von 0,5 cm² pro Quadratmeter oder weniger; oder ein durchschnittlicher Aortenklappen-Gradient von 40 mmHg, alternativ eine Fließgeschwindigkeit über die Aortenklappe von mehr als 4 Meter pro Sekunde. Das Operationsrisiko wurde durch ein Herzteam – bestehend aus 2 Herzchirurgen und 1 interventionellen Kardiologen – bestimmt.

„Die Studie
wird zu einem Paradigmenwechsel beitragen.“
Dr. David Kandzari

Ein erhöhtes operatives Risiko wurde angenommen, wenn das vermutete Risiko, 30 Tage nach der Operation zu sterben, 15% oder größer war oder das Mortalitätsrisiko bzw. das Risiko für irreversible Schäden 30 Tage nach der Operation maximal 50% betrug. Zusätzlich wurde das Mortalitätsrisiko anhand des STS PROM-Scores (Society of Thoracic Surgeons Predicted Risk of Mortality) sowie weiterer Faktoren bestimmt. An der Studie nahmen 795 Patienten teil, die an 45 Zentren in den USA entweder herzchirurgisch oder per Katheterintervention versorgt worden waren.

Signifikant geringere Mortalitätsrate

Adams und seine Kollegen nahmen zur Bewertung der Erfolgsraten 2 Analysewege vor: Eine Analyse berücksichtigte nur jene Patienten, die tatsächlich einem Eingriff unterzogen wurden (As-treated-Analyse). In dieser Auswertung war die Mortalitätsrate in der TAVI signifikant niedriger als in der Gruppe, die herzchirurgisch versorgt worden (14,2% vs. 19,1%). Damit konnte die Nicht-Unterlegenheit der TAVI belegt werden (p=0,001).

„Die Studie wird den Zugang von Chirurgen und Kardiologen diesen Patienten gegenüber verändern.“
Dr. David Kandzari

Eine weitere Auswertung konnte auch die Überlegenheit der Katheter-Intervention im Vergleich zur herzchirurgischen Operation belegen: Ein Jahr nach dem jeweiligen Eingriff waren statistisch signifikant weniger Patienten der TAVI-Gruppe gestorben als Patienten, die am offenen Herzen operiert worden waren (p=0,04). Auch die Intention-to-treat-Analyse erbrachte einen signifikanten Vorteil der TAVI-Prozedur gegenüber dem herzchirurgischen Aortenklappenersatz.

Schließlich schnitt die TAVI-Prozedur bei weiteren Studienendpunkten mindestens ebenbürtig ab: Der durchschnittliche Aortenklappengradient konnten in beiden Interventionsgruppen im ähnlichen Maße reduziert werden (TAVI vs. OP: -39,04 mmHg vs. -35,42 mmHg; p<0,001 für Nicht-Unterlegenheit). Auch bei Änderungen der NYHA-Klasse oder hinsichtlich der Bewertung der Lebensqualität waren die Ergebnisse nach TAVI nicht schlechter als nach einer Operation.

Hinsichtlich nicht erwünschter kardio- oder neurovaskulärer Ereignisse war TAVI der Operation wieder überlegen (20,4% vs. 27,3%; p=0,03). Auch Schlaganfälle jedweder Ausprägung wurden nach TAVI seltener beobachtet als nach Operation, allerdings nicht statistisch signifikant (nach 30 Tagen: 4,9% vs. 6,2%, p=0,46; nach 1 Jahr: 8,8% vs 12,6%, p=0,10). Nur in Bezug auf die paravalvulären Leckagen war das Ergebnis nach Operation besser.

„Aber ich will
auch eine Warnung aussprechen: Wir sollten das Verfahren nicht auf jüngere Patienten mit niedrigerem Risiko ausweiten.“
Prof. Dr. Valentin Fuster

Auf die Klappe kommt es an

Allerdings scheint es auch unter den verschiedenen Aortenklappen, die mittels TAVI implantiert werden, beachtenswerte Unterschiede zu geben. Darauf deuten zumindest Erkenntnisse aus der Studie CHOICE hin, die ebenfalls auf dem ACC-Kongress vorgestellt und zeitgleich im JAMA veröffentlicht wurden [3].

In dieser Studie wurde eine Aortenklappe, die mittels eines Ballons aufgedehnt werden muss (Sapien XT), mit einer Klappe verglichen, die sich konstruktionsbedingt ohne zusätzliche Maßnahme selbst entfaltet (Corvalve). Die mit einem Ballon zu dilatierende Aortenklappe ließ sich im Vergleich häufiger erfolgreich implantieren.

Paravalvuläre Leckagen in größerem Ausmaß traten seltener auf als bei selbstexpandierenden Klappe (4,1% vs. 18,3%; p<0,001) und die Notwendigkeit, eine weitere Aortenklappe („valve-in-valve“) zu implantieren, war ebenso signifikant seltener (0,8% vs. 5,8%; p=0,03). Die kardiovaskuläre Sterblichkeit nach 30 Tagen war bei beiden Verfahren ähnlich hoch (4,1% vs. 4,3%).

Auch bei den Blutungs- und vaskulären Komplikation unterschieden sie sich nicht. Dagegen war die Notwendigkeit einer Schrittmacherimplantation nach Implantation einer Corvalve-Klappe signifikant häufiger gegeben als mit Sapien-XT-Klappe (37,6% vs. 17,3%; p=0,001). Welche Aussagekraft die Daten aus CHOICE wirklich haben, bleibt allerdings abzuwarten. Denn Langzeitdaten zu dem Vergleich liegen noch nicht vor.

Referenzen

Referenzen

  1. Annual Meeting of the American College of Cardiology - ACC, 29. – 31.03.2014, Washington D.C./USA
    http://accscientificsession.cardiosource.org/ACC.aspx
  2. Adams HA et al., New England Journal Medicine online am 29.3.2014
    http://dx.doi.org/10.1056/NEJMoa1400590  
  3. Abdel-Wahab M, et al: JAMA (online) 30. März 2014
    http://dx.doi.org/10.1001/jama.2014.3316

Autoren und Interessenkonflikte

Axel Viola
Es liegen keine Interessenkonflikte vor.

Adams DH, Kandzari D, Fuster V: Es liegen keine Erklärungen zu Interessenkonflikten vor.

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