Nur Anfassen geht noch nicht: DocMorris will Live-Beratung im Internet anbieten

Christian Beneker | 18. März 2014

Autoren und Interessenkonflikte

Die Online-Apotheke DocMorris will ihre Kunden ab Mitte 2014 live über das Internet beraten. Damit will sie ihre im Vergleich zu den Apotheken vor Ort vielleicht größte Schwäche ausbügeln – die Distanz zwischen Apotheker und Kunden. DocMorris spricht denn auch von „neuen Maßstäben der telepharmazeutischen Beratung“.

 
„Das Angebot von DocMorris würde möglicherweise unsicherer sein als die elektronische Gesundheitskarte.“
Prof. Dr. Bernd Mühlbauer
 

„Ich halte das Angebot von DocMorris aus Datenschutzperspektive betrachtet für extrem bedenklich“, sagt indessen Prof. Dr. Bernd Mühlbauer gegenüber Medscape Deutschland. „Das Angebot von DocMorris würde möglicherweise unsicherer sein als die elektronische Gesundheitskarte“, gibt der Direktor des Instituts für Pharmakologie am Klinikum Bremen-Mitte zu bedenken.

Live-Beratung mit Grafiken und Einspielungen

Bisher bemüht sich DocMorris durch E-Mails, Telefonate oder Text-Chats um einen heißen Draht zu seinen 2,5 Millionen Kunden. Nun will die Web-Apotheke die Begegnung von Angesicht zu Angesicht ermöglichen. Auf der Homepage des Online-Händlers wird zukünftig ein Button sein, den die ratsuchenden Kunden anklicken können. Dann erscheint einer der mehr als 100 Apotheker oder pharmazeutisch-technischen Assistenten, die derzeit bei DocMorris für die Kundenbetreuung zuständig sind, live auf dem Bildschirm, und die direkte Beratung kann beginnen.

Durch Filme und Schaubilder, zum Beispiel zur richtigen Einnahme eines Medikaments, soll die Beratung ergänzt werden. „Im Zweifel holt unserer Apotheker über seinen Tablett-PC auch ein dreidimensionales Skelett auf den Bildschirm und erklärt dem Kunden, warum es gerade an diesem oder jenem Punkt des Rückens schmerzt oder präsentiert Grafiken und Einspielungen“, erläutert Torben Bonnke von DocMorris gegenüber Medscape Deutschland.

 
„Medikamente abgeben kann jeder. In Zukunft wird es um die Beratung gehen!“
Torben Bonnke
 

„Medikamente abgeben kann jeder. In Zukunft wird es um die Beratung gehen! Vor allem unsere vielen multimorbiden und chronisch kranken Kunden werden von dem Angebot profitieren.“ Der Kunde kann das passende Medikament online bestellen und auch die Erklärungen des Apothekers zum Produkt herunterladen.

Zunächst wolle man die Kunden an das Angebot gewöhnen, sagt Bonnke: „Unsere Beratungsapotheker werden zwar für die Kunden zu sehen sein, nicht aber umgekehrt. Immerhin würden wir ja in das Wohnzimmer der Kunden schauen. Aber sollte das Tool gut angenommen werden, können wir später auch die Auge-in-Auge-Kommunikation ermöglichen, bei der Apotheker und Ratsuchender sich direkt begegnen.“

Die Deutsche Telekom liefere mit dem Produkt „Live-Beratung“ die Plattform für das Angebot, sagt Dirk Becker, Sprecher der Deutschen Telekom AG zu Medscape Deutschland. Die Kunden brauchen kein besonderes Programm. PC, Laptop oder Tablett-PC müssen aber über ein Mikrophon verfügen. Die Datenleitung muss mindestens eine Download-Geschwindigkeit von 2 MB zulassen. Über ein Smartphone ist das Angebot noch nicht verfügbar. Die Anwendung sei aber bereits in Planung, sagt Becker.

Technisch werde bei der Live-Beratung die sogenannte „Cloud“ eingesetzt. „Das heißt, dass die Daten, die zum Beispiel der Apotheker bei der Beratung aufruft, auf einem externen Server gespeichert sind, vergleichbar mit den Daten der geplanten elektronischen Patientenakte.“

 
„Beratung, Datenschutz und Vertrauen zwischen Apotheker und Kunden müssen sicher gestellt sein.“
ABDA-Sprecher
 

Beim Datentransfer setzt die Telekom auf das SSL-Verschlüsselungssystem („Secure Sockets Layer“). „Dieses System wird auch zum Online-Banking oder zur Zahlung mit Kreditkarten genutzt“, erklärt Becker. „Außerdem werden wir bis zum Start den Angebots weitere zusätzliche Verschlüsselungen testen.“ Dass die Verschlüsselung indessen vollkommen sei, behauptet auch Becker nicht: „Kein Schutz ist 100-prozentig.“

Die Latte in puncto Beratung liegt hoch

Die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA), die direkte Konkurrenz des Onlinehändlers und Vertretung der knapp 21.000 Apotheken Deutschlands, ist mit Kritik zurückhaltend: „Zu den Geschäftsmodellen einzelner Unternehmen äußern wir uns nicht“, erklärt ein Sprecher der ABDA gegenüber Medscape Deutschland.

Ein technisch gestütztes System müsse aber mindestens so gut arbeiten, wie das bestehende Beratungssystem, gibt der Sprecher zu bedenken. Nach Ansicht der ABDA „liegt mit der besonderen persönlich-kompetenten Beziehung zwischen Apotheker und Patient beim Apotheker vor Ort die Messlatte für ein Onlineangebot sehr hoch“. Im Übrigen wies er auf die technischen Herausforderungen hin. „Beratung, Datenschutz und Vertrauen zwischen Apotheker und Kunden müssen sicher gestellt sein.“

Der Pharmakologe Mühlbauer sieht beim Angebot der Online-Apotheke durchaus Vorteile, weil DocMorris mit den vielen chronisch Kranken auch viele Stammkunden hat. „Wenn der Patient und seine Medikation dort bekannt sind, kann der Berater auch auf mögliche Kontraindikationen bei der Medikamentenbestellung eingehen.“ Tatsächlich wäre das bei den Apotheken vor Ort möglicherweise schwieriger, weil die Kunden im Zweifel mal hier, mal dort ihre Medikamente kaufen könnten, die komplette Medikation aber nicht bei jedem Apotheker bekannt ist.

Autoren und Interessenkonflikte

Christian Beneker
Es liegen keine Interessenkonflikte vor.

Splett C, Bonnke T, Mühlbauer B, Becker D: Es liegen keine Erklärungen zu Interessenskonflikten vor.

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