Bei der Krebsdiagnostik und -nachsorge bei Kindern und Jugendlichen steht möglicherweise ein Paradigmenwechsel bevor: Eine neue Version der Ganzkörper-Magnetresonanztomografie (GK-MRT) mit dem Zusatz von Ferumoxytol zur Verbesserung der Tumor-Sichtbarkeit könnte die Kombination aus Positronen-Emissions-Tomografie (PET) und Computertomografie (CT) ersetzen, meinen US-Forscher [1]. So sei es möglich, die schädliche Strahlenbelastung gänzlich zu eliminieren, sagt die Studiengruppe an der Stanford University School of Medicine, die beide Diagnostikverfahren bei 22 krebserkrankten Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen verglichen hat.
„Obwohl unsere Erstergebnisse in größeren Patientengruppen bestätigt werden müssen, hat das Ganzkörper-MRT so gut funktioniert, dass es sofort in der Klinik anwendbar ist und junge Patienten von der Strahlenbelastung durch bildgebende Verfahren befreien kann“, sagt Studienleiterin Dr. Heike Daldrup-Link von der Stanford University.
In Deutschland setzt man auf PET/MRT statt PET/CT
„Überrascht bin ich nicht wirklich über die Ergebnisse“, kommentiert Prof. Dr. Franz Wolfgang Hirsch, Leiter der Abteilung für Kinderradiologie am Universitätsklinikum Leipzig, gegenüber Medscape Deutschland. „Wir beschäftigen uns seit 2004 mit Ganzkörper-MRT und seit 2011 mit der GK-PET-MRT.“ Diese simultan ausgeführte Kombination aus Magnetresonanztomographie und Positronenemissionstomographie wird erst an 2 deutschen Klinken angewendet; neben Leipzig auch in Tübingen.
„Die Studie ist methodisch gut, verrät jedoch nichts wirklich Neues“, sagt der Leiter der Kinderradiologie in Tübingen, Prof. Dr. Jürgen Schäfer, im Gespräch mit Medscape Deutschland. Zudem seien zu wenige Patienten untersucht worden, um eindeutige Schlussfolgerungen ziehen zu können und ein Follow-up fehle. „Dies ist jedoch beim Ganzkörper-MRT entscheidend“, erklärt er.
„PET/CT lehnen wir bei Kindern aufgrund der hohen Strahlenbelastung ab und wenden diese Methode nur in Ausnahmefällen an“, erklärt Hirsch, der seit vielen Jahren vor den Langzeitfolgen einer Strahlenbelastung bei Kindern warnt (Medscape Deutschland berichtete). Der Umfang einer Krebserkrankung bei Kindern und Jugendlichen mit bösartigen Lymphomen und Sarkomen wird aktuell mittels 18F-Fluorodeoxyglucose(18F-FDG)-PET/CT untersucht und darauf basierend auch der Behandlungsplan festgelegt.
„Trotz der an die Kinder angepassten Niedrigdosis-Protokolle sind die Patienten, bei denen ein einziges 18F-FDG-PET/CT, gemacht wird, einer Strahlenbelastung ausgesetzt, die 700 bis750 Röntgenaufnahmen der Brust sowie der vierfachen natürlichen Strahlenbelastung pro Jahr entspricht“, sagt Daldrup-Link.
Um bei Kindern das Risiko sekundärer Krebserkrankungen im späteren Leben zu minimieren, sei das Ersetzen des CT durch GK-MRT „ein attraktiver Ansatz, der die Belastung mit ionisierender Strahlung vollständig eliminiert“, schreibt Dr. Thomas Kwee vom University Medical Centre Utrecht in einem Editorial zur US-Studie [2].
Methodenvergleich bei 22 Patienten
Um die Genauigkeit des GK-MRT zu analysieren, hat das Team der Stanford University die Sensitivität und Spezifizität diffusionsgewichteter GK-MRT mit Ferumoxytol mit 18F-FDG PET/CT verglichen. Alle 22 Patienten durchliefen beide Untersuchungsmethoden. Dabei machten Daldrup-Link und Kollegen jeweils 2 MRT-Untersuchungen – ein Diffusions-MRT zur Lokalisation der Tumore und eine T1-gewichtete Untersuchung zur genauen anatomischen Darstellung – deren Daten analog zum PET/CT-Verfahren dann zusammengeführt wurden.
Der Vergleich von PET/CT zu GK-MRT ergab eine ähnliche Sensitivität (93,7% vs 90,8%), Spezifität (97,7% vs 99,5%) und diagnostische Genauigkeit (97,2% vs 98,3%). Im Schnitt betrug die Strahlenbelastung mit PET/CT 12,5 Milli-Sievert (mSv). Bei der MRT traten 6 falsch-positive sowie 16 falsch-negative Befunde auf, gegenüber 26 bzw. 11 beim PET/CT-Verfahren.
Verbesserte Spezifizierung durch Eisenoxid
„Durch den Zusatz der ultrakleinen supraparamagnetischen Eisenoxidpartikel wurden im MRT Tumore in Milz und Knochenmark sichtbar, die ohne dieses Kontrastmittel unbemerkt geblieben wären“, schreiben die Autoren. Das Eisen-Präparat ist in Europa bisher nur zur parenteralen Behandlung eines Eisenmangels bei einer chronischen Nierenerkrankung zugelassen. In der Stanford-Studie wurde Ferumoxytol off-Label verwendet.
„Während die Sensitivität des Ganzkörper-MRT in bisherigen Studien als sehr gut befunden wurde, bereitet die Spezifizität durchaus Sorgen“, erklärt Schäfer. „Dadurch, dass mit dem Ferumoxytol bei Kindern die ‚normalen‘ Lymphknoten sowie Leber und Milz ‚genullt‘ werden konnten, geht die Spezifizität deutlich nach oben. Während das GK-MRT sehr wohl zum Staging geeignet ist, stellt das Restaging, das heißt, das Ermitteln des Behandlungserfolgs, das eigentliche Problem dar“, erläutert Schäfer.
Auch Editorialist Kwee weist auf das Restaging und auf die Erkennung verbliebener Tumore und Rezidive als wichtige Bereiche der Krebsdiagnostik hin. „Momentan ist es ungewiss, wie die Ferumoxytol-unterstütze diffusionsgewichtete Ganzkörper-MRT auf diesen Gebieten im Vergleich zu 18F-FDG PET/CT abschneidet“, schreibt er.
PET/MRT wird langfristig PET/CT ersetzen
Schäfer glaubt, dass die PET/CT-Diagnostik langfristig durch PET/MRT ersetzt wird. Ein Gerät für dieses Kombinationsverfahren koste jedoch aktuell circa 3,5 Millionen Euro und werde in Tübingen auch zu Forschungszwecken genutzt. Seine Forschergruppe dort wird in Kürze eine Studie veröffentlichen, die PET/CT und PET/MRT gegenüberstellt.
„Künftig wird es auch darum gehen, ob die MRT mit Ferumoxytol die PET/MRT ablösen kann“, sagt Hirsch. In der PET betrage die Strahlenbelastung immerhin noch 3 mSv. „Zur Tumor-Erkennung braucht man in den meisten Fällen nur das ,normale‘ MRT. Erst das Ansprechen der Therapie muss dann mit PET belegt werden.“ Falls dies auch – mithilfe von Ferumoxytol – mit der MRT allein gelänge, wäre dies ein „toller Fortschritt“. Für die lokale Tumorkontrolle sei jedoch aufgrund der niedrigen Auflösung und langen Dauer keines der Ganzkörper-Verfahren geeignet, „sondern eher zur Untersuchung von Befallsmustern und dem Ansprechen bei multifokaler Ausbreitung“, sagt Hirsch.