
Das Thema Qualitätssicherung hat durch den Koalitionsvertrag an Aktualität gewonnen. Darin haben sich die Regierungsparteien geeinigt, ein neues Institut zur Qualitätssicherung und -entwicklung in der Gesundheitsversorgung zu gründen. Noch ist Vieles zu seiner Ausgestaltung unklar, doch eines steht jetzt schon fest: Das neue Institut soll den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) bei seinen Aufgaben als „Qualitätswächter“ maßgeblich unterstützen. Wie dies genau ablaufen soll, dazu hat Medscape Deutschland das im G-BA für Qualitätssicherung zuständige unparteiische Mitglied, Dr. Regina Klakow-Franck, befragt.
Medscape Deutschland: Wann wird das neue Qualitätsinstitut für Krankenhäuser seine Arbeit aufnehmen können?
Dr. Klakow-Franck: Aktuell wird der Referentenentwurf des GKV-Finanzstruktur- und Qualitäts-Weiterentwicklungsgesetz (GKV-FQWG), in dem die Detailregelungen zum Qualitätsinstitut festgelegt werden, auch unter Beteiligung des G-BA beraten. Das Gesetz soll zum 1. Januar 2015 in Kraft treten. Im Anschluss hieran können wir mit der konkreten Errichtung des Qualitätsinstituts beginnen. Nach meiner Einschätzung wird es etwa ein Jahr dauern, bis das Institut arbeitsfähig ist.
Medscape Deutschland: Liegt die Qualitätssicherung für Kliniken so lange auf Eis?
Dr. Klakow-Franck: Natürlich nicht. Wir haben ja bereits seit dem Jahr 2009 ein Institut, das im Auftrag des G-BA Maßnahmen speziell für die Qualitätssicherung (QS) für die stationäre Versorgung, aber auch sektorenübergreifende QS-Verfahren entwickelt – die sogenannte Institution nach §137a SGB V. Das ist ein fachlich unabhängiges Institut, das allerdings an ein Ausschreibungsverfahren gekoppelt wurde. Derzeit hat das AQUA-Institut in Göttingen diese Funktion übernommen.
Das Ausschreibungsverfahren, das sich alle 5 Jahre wiederholt, ist allerdings mit hohen Reibungsverlusten für alle Beteiligten verbunden. Daher ist es unser aller Anliegen, die Ausgangsbasis für die Institution nach § 137a SGB V zu verstetigen, um dessen Expertise dauerhaft zu erhalten und für die Weiterentwicklung der Qualität einsetzen zu können. Das wird der Qualitätssicherung zugute kommen.
Medscape Deutschland: Wird das Institut unabhängig und wissenschaftlich arbeiten können, oder wird es stark an den G-BA angebunden sein?
Dr. Klakow-Franck: Das neue Qualitätsinstitut wird wie bisher im Auftrag des G-BA tätig sein. Um seine fachliche Unabhängigkeit zu gewährleisten, ist es – wie schon die Institution nach § 137a in der alten Fassung – als eigenständiges Institut mit eigener, vom G-BA getrennter Leitung angelegt. Für die neue Institutskonstruktion wird das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) Modell stehen.
Beim IQWiG handelt es sich um ein vom G-BA gegründetes Stiftungsinstitut, das anerkanntermaßen fachlich unabhängig agiert und deswegen auch seit seiner Gründung hohe internationale Reputation erlangt hat. Darüber, wie man das neue Qualitätsinstitut konkret ausgestalten sollte, sind wir derzeit mit den politisch Verantwortlichen im Gespräch.
Medscape Deutschland: Welche Aufgaben soll das Qualitätsinstitut erhalten?
Dr. Klakow-Franck: Das Institut muss zunächst die Fortführung der bestehenden Qualitätssicherung gewährleisten, auch in Hinblick auf die stationäre Versorgung. Hierzu zählt auch die jährliche Bundesauswertung von 30 unterschiedlichen Leistungsbereichen in der stationären Versorgung, für die jedes Jahr mehr als vier Millionen Datensätze zu generieren, zu plausibilisieren und auszuwerten sind. Zudem soll das Institut für den ambulanten Bereich und auch sektorenübergreifend neue indikatorgestützte Qualitätssicherungsverfahren entwickeln.
Eine weitere Aufgabe wird die allgemeinverständliche und gleichzeitig korrekte, d.h. risikoadjustierte Darstellung der Ergebnisse der Qualitätssicherung für die Öffentlichkeit sein – einschließlich der Entwicklung von „Online-Rankinglisten“ über die Qualität in den einzelnen Krankenhäusern.
Medscape Deutschland: Auf welcher Basis sollen diese neuen Verfahren entwickelt werden?
Dr. Klakow-Franck: Derzeit ist vorgesehen, dass das neue Institut vor allem auch Routinedaten, womit im engeren Sinne die Sozialdaten der Krankenkassen nach § 284 SGB V gemeint sind, für die Qualitätssicherung verwendet. Bereits jetzt schon prüft das AQUA-Institut im Auftrag des G-BA regelhaft, ob QS-Verfahren bürokratiearm auf Sozialdatenbasis aufgebaut werden können. Dieser methodische Ansatz soll ausgebaut werden. In der Tat verfügen die Krankenkassen über einen „Datenschatz“, der für die Zwecke der Qualitätssicherung intensiver als in der Vergangenheit genutzt werden könnte.
Medscape Deutschland: Dieser Datenschatz ist sehr zerstreut und von unterschiedlicher Qualität. Wie bekommt man die Routinedaten in eine gemeinsame Basis?
Dr. Klakow-Franck: Zunächst müssen wir wissen, wie valide diese Daten sind und welche Qualitätsverbesserungspotentiale sich mit ihrer Hilfe umsetzen lassen. Routinedaten bestehen in der Regel prioritär aus Daten, die für Abrechnungszwecke erhoben wurden. Es fehlen mitunter medizinische Informationen, die zum Beispiel für die Risikoadjustierung bestimmter Qualitätsindikatoren oder die für Beantwortung besonderer Fragestellungen, zum Beispiel zur Indikationsqualität, erforderlich sind.
Der G-BA hat deshalb bereits eine Erprobung der Sozialdatennutzung für verschiedene QS-Verfahren in Auftrag gegeben. Das AQUA-Institut wird dem G-BA die ersten Ergebnisse zur Nutzung von Sozialdaten in einem Qualitätssicherungsverfahren in Kürze vorlegen, die eine Prüfung auf Qualität und Verlässlichkeit dieser Daten und deren Einsatz im Rahmen der Qualitätssicherung ermöglichen wird.