Softdrinks, Ketchup oder die vermeintlich gesunde Müslimischung morgens zum Frühstück – diese 3 Nahrungsmittel eint ein Umstand: Sie enthalten jede Menge Zucker. „Oft sehen wir den freien Zucker nicht“, betonte Dr. Francesco Branca, Direktor der Abteilung Nutrition for Health and Development der World Health Organization (WHO) in Genf auf der Pressenkonferenz zum Entwurf der geplanten WHO-Leitlinien zum Zuckerkonsum [1].
Vor allem der in Nahrungsmitteln enthaltene Zucker wird oft übersehen. So enthält ein Esslöffel Ketchup einen Teelöffel Zucker, eine Dose Softdrink weist bis zu 40 g Zucker auf und in 30 Gramm Cerealien sind schnell 10 bis 14 g Zucker enthalten. In den vergangenen 50 Jahren hat sich der Zuckerkonsum weltweit verdreifacht.
Ziel der neuen WHO-Leitlinie ist, ihn zu verringern – um vor allem Fettleibigkeit und Karies nachhaltig zu reduzieren. Man fürchte einerseits, dass der vermehrte Zuckerkonsum, speziell der Konsum von Softdrinks, die Aufnahme gesunder Nahrungsmittel verringere. Andererseits bestehe die Gefahr, dass der Anstieg der Kalorienzufuhr zur Gewichtszunahme und einem steigenden Risiko von nicht-übertragbaren Erkrankungen (NCDs) führe, erläutert Branca. Der Entwurf der Leitlinie kann bis zum 31. März 2014 auf der Website der WHO kommentiert werden, auch ein Peer Review durch Experten soll in diesem Zeitraum stattfinden [2].
Der Entwurf enthält Vorschläge, um den Zuckerkonsum im Alltag zu reduzieren. Dabei soll die Zuckeraufnahme 10% der täglichen Gesamtenergieaufnahme sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen nicht überschreiten. Und schließlich wird betont, dass eine noch weitergehende Zuckerreduktion auf weniger als 5% der täglichen Gesamtenergiemenge einen gesundheitlichen Benefit mit sich bringt. Die Empfehlungen beziehen sich sowohl auf alle Mono- und Disaccharide die in Nahrungsmitteln enthalten sind, als auch auf Zucker, der in Honig, in Sirup in Fruchtsäften und Fruchtkonzentraten vorkommt.
Ab mehr als 50 g Zucker täglich steigt die Kariesrate
Eine halbe Milliarde Menschen sei bereits fettleibig, betonte Branca. Durch Karies verursachte Kosten machten in den industrialisierten Ländern zwischen 5 und 10% des Gesundheitsbudgets aus. Für die Entstehung von Karies zeigen Studien, dass mehr als 10% Zuckeraufnahme mit einer höheren Kariesrate einher gehe [3]. „Es besteht eine dosisabhängige Beziehung. Je geringer der Zuckerkonsum, desto geringer die Kariesrate“, erklärte Branca.
Ab einer Zufuhr von weniger als 5% sei keine Karies mehr zu beobachten. Der Anstieg des Zuckerkonsums ist auch mit einem Gewichtsanstieg assoziiert: „Andersherum führt eine Reduktion des Zuckerkonsums zu einem Gewichtsverlust und verringert das Risiko, eine Fettsucht zu entwickeln“, betonte der WHO Ernährungsexperte und verwies auf einschlägige, systematische Reviews [4].
Jeder US-Amerikaner nimmt täglich 22 Teelöffel Zucker zu sich. In manchen Ländern liege die Zuckeraufnahme bei 18% der täglichen Gesamtenergiemenge, berichtete Branca anhand von Daten, die das bereits für das Jahr 2001so hoch beziffern. In Kanada lag danach der Zuckerkonsum bei 13% der täglich aufgenommenen Energie, in Großbritannien bei 10%, in Italien bei 8%, in Finnland bei 12% und in Island bei 17%, zählte er auf.
Hierzulande verzehrt jeder Deutsche täglich 90 bis 100g Zucker und nur ein Bruchteil davon wird der Nahrung dabei selbst zugefügt – etwa durch den Zucker den man sich in den Kaffee rührt. Der Löwenanteil ist versteckter Zucker in Lebensmitteln.
den Druck der Lebensmittelindustrie nicht, unser Guideline-Komitee ist unabhängig.“
Schluss mit Softdrinks für Kinder
Schon in ihren 2002 verabschiedeten Leitlinien hatte die WHO empfohlen, dass Zucker weniger als 10% der täglichen Energiegesamtaufnahme ausmachen sollte. 10% wären für Erwachsene 50 g, das entspricht etwa 12 Teelöffeln, für ein Kind 25 g, also etwa 6 Teelöffel.
5% entsprächen für einen Erwachsenen 25 g, also etwa sechs Teelöffel und für ein Kind 12 g, also etwa 3 Teelöffel. „Schon eine einzige Dose Softdrink übersteigt eigentlich das Zuckerlimit für ein Kind“, betonte Branca. Er räumte ein, dass es bei den vielen Zuckerzusätzen in Nahrungsmitteln nicht einfach sei die 10% oder gar die empfohlenen 5% einzuhalten. „Es muss noch mehr unternommen werden, dass Produkte weniger Zucker enthalten, in manchen Ländern hat – etwa in Schulkantinen – schon ein Umdenken eingesetzt“.
Was erhofft sich die WHO von ihrer Empfehlung? Konkrete Verhaltensänderungen?„Unsere Leitlinien können dazu dienen, Nahrungsmittelleitlinien in den einzelnen Ländern zu entwickeln, sie können Grundlage für Informationskampagnen sein und die Basis für Restriktionen gegenüber Marketingaktionen bestimmter Lebensmittel bilden“, zählte Branca auf.
Er weiß auch, woher Gegenwind zu erwarten ist und stellte klar: „Wir fürchten den Druck der Lebensmittelindustrie nicht, unser Guideline-Komitee ist unabhängig.“ Auf die Frage, warum von Seiten der WHO nicht gleich die obere Grenze von fünf Prozent empfohlen werde, wenn sich doch dafür ein deutlicher gesundheitlicher Benefit abzeichne, antwortete Branca mit der Einsicht des Pragmatikers: „Fünf Prozent, das wäre ideal, aber zehn Prozent sind realistischer“, schloss er.