Berlin – 74% unserer Ernährung sollen aus pflanzlichen Quellen stammen, 26% aus tierischen – so empfiehlt es die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE). Doch ist diese Aufteilung sinnvoll im Hinblick auf Krankheiten? Kann eine bestimmte Ernährung das Risiko für Krebs senken? Antworten versuchte das Symposium „Ernährung und Krebs“ auf dem 31. Deutschen Krebskongress zu finden. Dabei wurde klar: Kein Nahrungsmittel schützt pauschal vor allen Krebsarten. Doch bei einigen ist ein Einfluss auf die Entstehung von bestimmten Tumoren wahrscheinlich.
Gute Evidenz für Ballaststoffe aus Getreide
Für Kohlenhydrate allgemein, und auch für die Unterkategorien Disaccharide, Polysaccharide und zuckergesüßte Getränke, ist ein Einfluss unwahrscheinlich, erläuterte Prof. Dr. Heiner Boeing vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung in Potsdam [1]. Bei Monosacchariden, dem glykämischen Index und der glykämischen Last gibt es einige Hinweise für einen möglichen Zusammenhang mit Tumoren der Bauchspeicheldrüse, des Kolorektums und der Gebärmutterschleimhaut. Die Studienergebnisse sind aber nicht konsistent [2]. „Die besten Erkenntnisse gibt es im Bereich der Kohlenhydrate eindeutig für Ballaststoffe aus Getreide“, sagte Boeing, „sie senken wahrscheinlich das Risiko für einen Krebs des Kolorektums.“
Eine der wichtigsten Untersuchungen in diesem Bereich ist die EPIC-Studie (European Prospective Investigation into Cancer and Nutrition), die bereits seit 1994 läuft. 23 Zentren in 10 Ländern beobachten dabei insgesamt 520.000 Patienten. Verglichen werden unter anderem die Ernährungsgewohnheiten und die Prävalenz von Krankheiten.
Die Daten der Studie zeigen, dass das Risiko für Kolorektalkarzinome umso geringer ist, je mehr Gramm Ballaststoffe pro Tag verzehrt werden [3]. Wer etwa 40 statt 15 Gramm isst, senkt sein Risiko um etwa 40%. „Das Ergebnis konnte mehrfach repliziert werden“, so Boeing.
Obst und Gemüse helfen, aber weniger als erwartet
Ballaststoffe sind aber nicht nur bedeutend für Krebserkrankungen, sie senken offenbar auch die Todesfälle durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Atemwegserkrankungen und Infektionen (bei Männern) [4]. Boeing resümiert: „Unspezifisch mehr Kartoffeln oder Reis zu essen, bringt nichts. Doch ballaststoffreiches Getreide hat ein erhebliches Potenzial, das Risiko für gastrointestinale Krebserkrankungen zu senken.“ Die Empfehlung der DGE – viel Vollkornbrot und Vollkornnudeln – ist also sinnvoll.
Etwa bescheidener sieht es für das ebenfalls empfohlene Obst und Gemüse aus: „Eine vermehrte Aufnahme senkt wahrscheinlich das Krebsrisiko“, sagte Boeing, „aber nicht in dem Maße, wie früher vermutet.“ Es gibt erste Hinweise, dass dabei die sekundären Pflanzenstoffe Glucosinolate, Phytoöstrogene und Flavonoide eine Rolle spielen. Es gilt also weiterhin die Empfehlung der DGE: Mindestens 400 Gramm Gemüse und 250 Gramm Obst pro Tag. Für Deutschland klingt das viel. „Aber ein normaler Spanier nimmt das in der Regel auf“, weiß Boeing.

Hauptsache schlank – Übergewicht fördert zahlreiche Krebsarten
Bei den Ernährungsfaktoren, die Krebs fördern, ist die Evidenz besser: Übergewicht sollte vermieden, rotes Fleisch nur selten verzehrt werden. Insbesondere für Übergewicht sind die Nachweise überzeugend, erläuterte Prof. Dr. Rudolf Kaaks vom Deutschen Krebsforschungszentrum [5]. Tumoren an Kolon, Brust (nach der Menopause), Bauchspeicheldrüse, Gebärmutterschleimhaut, Niere und Speiseröhre treten bei adipösen Menschen (ab BMI 30) gehäuft auf [6].
Daraus ergeben sich verschiedene Prävalenzen in Industrie- und Entwicklungsländern. „Die Unterschiede sind enorm“, sagte Kaaks, „in den weniger entwickelten Ländern sind die Fälle zehnfach niedriger.“
Für Brust- und Gebärmutterkrebs weiß man mittlerweile auch mehr über die Mechanismen, die das Wachstum von Tumoren fördern: „Das Fettgewebe produziert vermehrt Östrogene“, so Kaaks. Daraus ergibt sich ein interessanter Zusammenhang mit einer künstlichen Hormongabe nach der Menopause. „Diese steigert nur bei normalgewichtigen Frauen das Krebsrisiko.“ Ist die Patientin wegen Übergewicht ohnehin gefährdeter, machen Hormone auch keinen Unterschied mehr.