Totalendoprothesen sind Standard beim Gelenkersatz. Doch die Haltbarkeit der Prothesen ist begrenzt. Irgendwann lässt die Fixierung zwischen Prothese und Knochen nach, das Ersatzgelenk muss ausgewechselt werden. Unter einer Hormonersatztherapie (HRT) sind solche Revisionen offenbar weniger häufig notwendig. Dies hat eine populationsbasierte, retrospektive Kohortenstudie jetzt ergeben. Die Revisionsrate an Hüfte oder Knie war bei Frauen um rund 40% geringer, wenn sie mindestens 6 Monate Hormone erhalten hatten [1].
Die Resultate der Untersuchung hat jetzt eine Forschergruppe um Erstautor Dr. Daniel Prieto-Alhambra vom Nuffield Department of Orthopaedics, Rheumatology and Musculoskeletal Sciences der Universität Oxford in Großbritannien online in Annals of the Rheumatic Diseases publiziert.

Prof. Dr. Andreas Kurth, Ärztlicher Direktor des Zentrums für Orthopädie und Rheumatologie am Fachkrankenhaus Ratingen und Vorstandsmitglied des Dachverbands Osteologie (DVO), zeigt sich im Gespräch mit Medscape Deutschland beeindruckt von dem deutlichen Unterschied des Revisionsrisikos im 2-stelligen Prozentbereich. Überrascht hat ihn das Ergebnis indes nicht. „Die Daten passen in eine Reihe von Indizien“, sagt Kurth, der selbst zur Wirkung antiresorptiver Substanzen forscht. Unter anderem habe sich ein Zusammenhang zwischen einer Hormontherapie und der Knochenqualität um Endoprothesen bereits im Tierversuch belegen lassen.
Da sich jedoch bereits jetzt besser erforschte Alternativen zur HRT anböten, rechnet er nicht damit, dass sich die Studie auf die tatsächliche Behandlungspraxis auswirken könnte.
Problem: Häufige Revisionen nach Gelenkersatz
Der Ausgangspunkt der Studie ist ein zentrales Problem der Endoprothetik. Implantationen eines künstlichen Hüft- oder Kniegelenks gehören zu den häufigsten operativen Eingriffen bei stationär aufgenommenen Patienten. Allein 2010 wurden in Deutschland rund 155.000 Hüft- (ohne vorherige Frakturen) und 143.000 Kniegelenke implantiert.
Trotzdem: Schon innerhalb der ersten 5 Jahre muss bei etwa 6% der Patienten das künstliche Gelenk wieder ausgetauscht werden, nach 10 Jahren bei etwa 12% [2]. Die Wechseloperationen sind technisch anspruchsvoller, mit einer erhöhten Blutungs- und Infektionsgefahr verbunden und erzielen in der Regel weniger gute Ergebnisse als die Primäreingriffe.
Für Großbritannien zeigen Daten des National Joint Registry, dass sich mehr als 2% der Knie- und Hüftendoprothese-Patienten bereits innerhalb von 3 Jahren einem Revisionseingriff unterziehen müssen. In 75% (Hüfte) bzw. 40% (Knie) der Fälle war dies auf eine aseptische Prothesenlockerungen infolge periprothetischer Osteolyse zurückzuführen.
„Es scheint logisch, mit Hilfe von Strategien, die die periprothetische Osteolyse und den daraus resultierenden Knochenabbau verringern und das Wandern des Prothesenschafts verhindern, die Lockerungsrate und damit die Notwendigkeit für Revisionseingriffe zu reduzieren“, schreiben die Autoren. Prieto-Alhambra hatte schon früher gezeigt, dass der frühe Einsatz – in diesem Fall von antiresorptiven Bisphosphonaten – die Prothesenlockerung signifikant herauszögern kann.
Aber auch die Hormonersatztherapie (HRT) mit Östrogenen (bzw. Östrogen plus Gestagen) wurde in den 80er- und 90er-Jahren wegen ihres antiresorptiven Effekts häufig zur Vorbeugung bzw. Behandlung einer Osteoporose verschrieben.
Hormonersatztherapie nur in Ausnahmefällen indiziert
Die groß angelegte Langzeitstudie „Women’s Health Initiative“ (WHI) mit rund 17.000 Teilnehmerinnen zeigte dann jedoch im Jahr 2002, dass die HRT insgesamt mehr schadet als nutzt: Die Frauen erlitten durch die Einnahme der Hormone häufiger Thrombosen und Schlaganfälle und erkrankten häufiger an Brustkrebs.
Gänzlich aus dem Behandlungskatalog gestrichen ist die Hormontherapie trotz alledem bis heute nicht. Dies zum einen aufgrund ihrer symptomatischen Wirkung auf Wechseljahresbeschwerden, aber auch aufgrund ihrer nachgewiesenen positiven Effekte auf den Knochenstoffwechsel. So wird sie in der gültigen S3-Leitlinie für Frauen in der Postmenopause mit hohem Frakturrisiko immer noch als Alternative empfohlen, falls Unverträglichkeiten gegenüber anderen antiresorptiven Therapien vorliegen [3].
Auch Kurth bestätigt die nachgewiesene positive Wirkung der Hormone auf den Knochenstoffwechsel: „Die Daten aus der WHI-Studie haben mit großer Evidenz gezeigt, dass die Zahl der Osteoporose-induzierten Frakturen durch die Einnahme der Hormone signifikant reduziert werden kann.“ Doch: Nutzen und mögliche Risiken müssten im Gespräch zwischen Patientin und Arzt jährlich abgewogen, Kontraindikationen für verschiedene Therapieoptionen berücksichtigt werden, so der Facharzt für Orthopädie und Rheumatologie.
Je länger die Hormontherapie, desto geringer die Revisionsrate
Was bei Osteoporose gut ist, kann doch in der Endoprothetik nicht schlecht sein – das war der Ausgangspunkt der Überlegungen für die aktuelle Studie der britischen Forscher.
Für ihre Untersuchung nutzten sie Daten aus der britischen General Practice Research Database von insgesamt 10.900 Frauen aus den Jahren 1996 bis 2006, die bei der Implantation einer Totalendoprothese in Knie oder Hüfte mindestens 40 Jahre alt waren. Im Schnitt konnten sie einen Zeitraum von 3,3 Jahren nach den Primäreingriffen untersuchen.
2.700 der Frauen hatten eine Hormontherapie erhalten (mindestens 6 Monate vor oder nach der Implantation); 8.100 Frauen ohne Hormonverschreibungen dienten als Kontrollgruppe. Primärer Endpunkt war die Zeit vom Primäreingriff bis zum Versagen des Implantats.
Ergebnis: Die Revisionsrate 3 Jahre nach dem primären Eingriff lag bei allen Frauen im Schnitt bei 0,97% (Hüfte) und 0,76% (Knie). Für Frauen, die nach dem Primäreingriff für mindestens 6 Monate eine Hormontherapie erhalten hatten, reduzierte sich das Risiko einer Wechsel-OP (Knie oder Hüfte) in den 3 Jahren nach der OP um 38%. Eine Hormongabe über mindestens 1 Jahr war sogar mit einer um 52% verminderten Wechsel-OP-Rate assoziiert, so die Autoren. Eine Hormongabe vor der Primär-OP beeinflusste dagegen das Revisionsrisiko nicht.
Andere antiresorptive Substanzen: Bereits einen Schritt voraus
Für Kurth sind die Sexualhormone jedoch trotz dieser Ergebnisse keine Therapieoption für Endoprothese-Patienten. „Abgesehen davon, dass die Ergebnisse dieser Populationsstudie noch in weiteren randomisiert-kontrollierten Studien bestätigt werden müssten, bieten sich bereits jetzt andere, besser erforschte antiresorptive Substanzen an“, betont er.
Neben Raloxifen, Denusomab und weiteren fraktursenkenden Präparaten setzen Experten ihre Hoffnungen vor allem auf Bisphosphonate. Letztere erwiesen sich allerdings gerade bei Langzeitanwendungen nicht als gänzlich unproblematisch. Berichtet wurde beispielsweise von Osteonekrosen des Kiefers oder atypischen Femurfrakturen. „Unsere Studien weisen aber bereits darauf hin, dass auch kurzfristige Gaben von Bisphosphonaten in hohen Dosierungen sehr potent wirken“, sagt Kurth.
Auch Prieto-Alahambra und Kollegen scheinen nicht davon auszugehen, dass ihre Untersuchung therapeutische Konsequenzen haben könnte. Für die weitere Erforschung antiresorptiver Substanzen, schreiben sie, seien die Ergebnisse aber durchaus ermutigend.