194 Fälle in St. Martin, 980 in Martinique, 364 in Guadeloupe, 180 in St. Barthelemy und in Guayana inzwischen 140 Erkrankungsfälle – Chikungunya breitet sich derzeit auch in der Karibik aus [1]. „Das Chikungunya-Virus (CHIKV) ist ein klassisches Arbovirus und wird durch Stechmücken verbreitet, hauptsächlich durch die asiatische Tigermücke Aedes albopictus. Insofern ist sein Auftauchen in der Karibik nicht wirklich verwunderlich“, erläutert PD Dr. Dr. Jonas Schmidt-Chanasit, Leiter der Virusdiagnostik am Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin (BNI) in Hamburg im Gespräch mit Medscape Deutschland.
Beheimatet war CHIKV bislang vor allem im östlichen Afrika, auf dem indischen Subkontinent, in Südostasien und auf den Inseln im Indischen Ozean. Bereits vor Jahren ist CHIKV aber auch schon in Europa gelandet: 2007 in Italien und 2010 in Teilen Frankreichs.
Auch wenn das Auftauchen in der Karibik Virologen nicht überrascht: Sorge bereite dennoch, dass CHIKV dabei sei, ein neues Gebiet zu erobern, betont Schmidt-Chanasit. „Guayana liegt sehr nahe an Brasilien. Wenn man da an die Fußball-WM denkt, macht man sich natürlich Gedanken“, fügt er hinzu.
Schmidt-Chanasit gibt auch zu bedenken, dass die Dunkelziffer an Erkrankten deutlich höher liegen dürfte als die gemeldeten Fälle. Interkontinentaler Warentransport und Fernreisen haben zur Verbreitung des Virus nachhaltig beigetragen. „Da die Überträgermücken in Süd- und Mittelamerika weit verbreitet sind, ist eine weitere geografische Ausbreitung wahrscheinlich“, konstatiert Dr. Christina Frank von der Abteilung für Infektionsepidemiologie am Robert Koch-Institut (RKI) in Berlin im Epidemiologischen Bulletin vom 6. Januar [2].
Autochtone Erkrankungen in Deutschland – nur eine Frage der Zeit?
Zwar konnten sich in Deutschland die eingeschleppten Arbo-Viren und Stechmückenarten in den meisten Fällen aufgrund der klimatischen und biologischen Bedingungen nicht längerfristig etablieren. Jedoch wurde in den letzten beiden Jahren mehrfach die asiatische Tigermücke in Bayern und Baden-Württemberg nachgewiesen [3]. Damit hat sich in Süddeutschland eine Stechmückenart etabliert, die das Dengue-Virus, das West-Nil-Virus und das Chikungunya-Virus übertragen könnte.
Bislang seien jedoch alle in Deutschland gefangenen invasiven Stechmücken, negativ auf die genannten Viren getestet worden, bestätigt Schmidt-Chanasit, der dazu über eigene, noch unveröffentlichte Daten verfügt. Unter „invasiv“ versteht man die Ausbreitung einer Art innerhalb eines Gebietes, in dem sie nicht heimisch ist und oft negative Effekte auf ihre Umwelt bzw. auf die einheimischen Arten ausübt. Chikungunya wurde in Deutschland bisher nur bei Reiserückkehrern diagnostiziert – seit 2006 sind es laut RKI jährlich zwischen 9 und 54 Fälle.
Symptome erinnern an rheumatoide Arthritis
Die Erreger der Erkrankung sind Alpha-Viren aus der Familie der Togaviren. Nach einer Inkubationszeit von 4 bis 7 Tagen kommt es zu Fieberschüben bis 40° C, zu Gliederschmerzen, Schüttelfrost und Hautrötungen. Die starken Muskel- und Gelenkschmerzen zwingen Betroffene oft dazu, gebückt zu laufen. Der Name „Chikungunya“ bedeutet in der Sprache der Makonde im Südosten Tansanias „der gekrümmt Gehende“.
mücken in Süd- und Mittelamerika weit verbreitet sind, ist eine weitere geografische Ausbreitung wahrscheinlich.“
Nach einigen Tagen verschwinden die Gelenkschmerzen wieder, können aber in schweren Fällen auch über Monate bestehen bleiben. „In etwa 10% der Fälle – möglicherweise aber deutlich häufiger– können Gelenkbeschwerden und Gelenkschwellungen auch über Jahre anhalten und in eine chronische Arthritis übergehen“, so Schmidt-Chanasit. Bei den Laborbefunden fielen eine oft ausgeprägte Thrombopenie sowie niedrig-normale Leukozyten auf.
Die Zahl der nach Deutschland und Europa importierten Infektionskrankheiten, die durch Stechmücken-übertragene Viren hervorgerufen werden, hat in den letzten Jahren zugenommen. Doch dabei dürfte es nicht bleiben: „Auch in Süddeutschland muss mit autochthonen Chikungunya-Virus-Infektionen gerechnet werden. Bei akuten, aber auch über Monate persistierenden Gelenkbeschwerden sollte deshalb differenzialdiagnostisch auch an eine CHIKV- Infektion gedacht werden“, betont Schmidt-Chanasit in dem eben erschienenen Sonderdruck „Dengue-Virus & Co.: Sind durch Stechmücken übertragene Viren auf dem Vormarsch?“ [4].
Nachweisen lässt sich das Virus durch das antikörperbasierte ELISA-Verfahren und durch Immunfluoreszenztests. In den ersten Krankheitstagen kann virale RNA allerdings nur mittels RT-PCR im Serum des Patienten nachgewiesen werden. Antikörper finden sich zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Ab der 2. Krankheitswoche sind dann IgM- und IgG-Antikörper nachweisbar.
In Deutschland besteht nach dem Infektionsschutzgesetz eine Meldepflicht für Labore. Für Ärzte besteht Meldepflicht bei Krankheitsverdacht, Erkrankung und Tod und wenn die Erkrankung als hämorrhagisches Fieber verläuft.
Impfstoff eher nicht – Alphaviren mutieren sehr schnell
aber auch über Monate persistierenden Gelenkbeschwerden sollte differenzial-
diagnostisch auch an eine CHIKV-Infektion gedacht werden.“
In der Regel heilt die Infektion folgenlos aus, doch bei gefährdeten Personen – Kinder, Senioren und Patienten mit geschwächtem Immunsystem – kann die Erkrankung auch zum Tod führen. Wer einmal daran erkrankt ist, erwirbt nach derzeitigem Wissensstand eine lebenslange Immunität.
Eine spezifische Therapie gegen das Chikungunya-Fieber gibt es nicht. Symptomatisch wird mit fiebersenkenden Mitteln und mit nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) behandelt. Ein Impfstoff ist nicht in Sicht, da Alphaviren dafür bekannt sind, sehr schnell zu mutieren.
Schutz bieten helle langärmelige Oberteile und lange Hosen, auch tagsüber, denn die übertragenden Mücken sind tagaktiv. „Zusätzlich kann man die Kleidung mit einem Insektenschutzspray imprägnieren“, rät Schmidt-Chanasit. Freie Hautstellen sollten mit mückenabweisenden Mitteln geschützt werden, die den Wirkstoff Diethyl-m-Toluamid (DEET) in einer Konzentration ab 30% enthalten.